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10 Jahre PPP Praxis – was wäre heute anders?

Das umstrittene Erfolgsmodell Public Private Partnership (PPP) ist nun seit mehr als einem Jahrzehnt maßgebliche Grundlage für die Gestaltung unsers kommunalen Lebensraumes. Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen – egal auf welcher rechtlichen Grundlage – bietet seit jeher eine gute Angriffsfläche für Kritiker und Zweitplatzierte. Nun stellt sich aber die Frage, wo wir heute stünden, wenn die letzten Jahre ausschließlich auf die traditionelle Sachvermögensbildung durch die öffentliche Hand „gebaut“ worden wäre. Dazu haben wir beide Seiten befragt – Rainer Holzer, Leiter der Abteilung für Immobilien der Wirtschaftsagentur Wien, und Claus Stadler, Geschäftsführer STRAUSS & PARTNER Development GmbH. ##Geschaffen, damit geschaffen werden kann Autobahnen, Bahnhöfe, Freizeiteinrichtungen, Schulen, Krankenanstalten … Die Liste der Bausteine kommunaler Infrastruktur ist lang. Genauso vielschichtig sind die damit verbundenen Rentabilitätsvorstellungen. Gut, der österreichische Staatsbürger und die nationalen Unternehmen zahlen schließlich genug Steuern, man will und kann sich europaweite Vorzeigeinfrastruktur leisten. Was aber, wenn nicht? Wenn ein Topf voll – ein wichtiger anderer aber leer ist, der Nachbar vielleicht hat – man aber selber dringend benötigt? Und da es so gar nicht in der Natur unserer Gesellschaft liegt, das Stillen von Bedarfslagen etwaigen Haushalten anzupassen, hat diese knifflige Fragestellung schon vor Jahrzehnten europaweit die Köpfe der politischen Eliten zum Rauchen gebracht. Mit Erfolg. Noch vor der Jahrtausendwende begann die Arbeit an der seit gut einem Jahrzehnt im Einsatz stehenden Lösung – der öffentlich-privaten Partnerschaften, zu Neudeutsch „Public Private Partnership“. Aber Ihnen als geneigtem Leser und Fachmann ist das natürlich alles geläufig. Ebenso die kritischen Stimmen: Mangelnde Transparenz in der Gestaltung der Zusammenarbeit, monopolartige Exklusivverträge oder gar der Vorwurf der versteckten Privatisierung, um nur einige zu nennen. ##Zeit für einen Erfolgscheck Beginnen wir mit einem prominenten Beispiel. Die Wirtschaftsagentur Wien hat jüngst mit ihrer Technologietochter, der ZIT, das Media Quarter Marx 3 (MQM3) als Herzstück des Medienstandortes Neu Marx im Zuge eines PPP entwickelt. Privater Partner ist die VBM und hält aktuell 60 Prozent an der Errichtungs- und Verwertungsgesellschaft. „Die Gesamterrichtungskosten belaufen sich auf rund 64 Millionen Euro. Die Kofinanzierung durch den privaten Partner hat die Realisierung des Projektes ermöglicht, da das Risiko für die ZIT so deutlich minimiert werden konnte. Die VBM hat 6,9 Millionen Euro Eigenkapital eingebracht, die ZIT 4,56 Millionen Euro. Das Media Quarter Marx ist sowohl volks- als auch betriebswirtschaftlich erfolgreich. Die Errichtung wurde trotz globaler Wirtschaftskrise „in time and budget“ umgesetzt“, betont Rainer Holzer. Der Nutzen dieses Projektes liegt auf der Hand. „Fertiggestellt im Jänner 2012, ist MQM3 zu über 90 Prozent u. a. an die prosiebensat1puls4-Gruppe, die Wiener Zeitung und Start-ups aus der Medienszene vermietet. Insgesamt sind derzeit rund 1.000 Medienschaffende im MQM3 beschäftigt“, so Holzer. Eine Vielzahl von Agglomerationsvorteilen für die Medientreibenden inklusive. Derzeit läuft der Verwertungsprozess. „Der Preis ist dabei ein wichtiges, aber im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung des gesamten Areals nicht das einzige Kriterium für den Verkauf.“ Die Antwort auf die Frage nach der Umsetzbarkeit fällt also eindeutig zugunsten des Modells aus. „Mit der Entwicklung und Errichtung von Immobilien setzt die Wirtschaftsagentur Wien Impulse in Stadtentwicklungsgebieten wie z. B. in Neu Marx und dem Vienna Biocenter. PPP-Modelle ermöglichen es uns als öffentliches Unternehmen, Großprojekte zu realisieren. Durch die Einbeziehung von Privaten können unsere Angebote optimal an die Marktsituation angepasst und dadurch nachhaltige Entwicklungen für den Wirtschaftsstandort umgesetzt werden. PPP-Modelle haben vielfältige Ausprägungen – wobei wir das jeweilige Anwendungsmodell individuell auf die jeweilige Situation angepasst entwickeln. Dabei orientieren wir uns an den Leitlinien der EU“, meint Holzer zusammenfassend über die Daseinsberechtigung der PPP Modelle. Fragt man die private Seite, kommt vom erfahrenen Umsetzer auch eine positive Rückmeldung. Claus Stadler berichtet: „In den letzten Jahren haben wir Projekte in verschiedensten Bereichen umgesetzt – von Autobahnen, Schulen, Kläranlagen bis zu Deponien. Vorzugsweise kommen Verfügbarkeitsmodelle (PPP-Modelle gemäß Eurostat-Normen) zum Tragen. Dabei erbringen wir als privater Partner Service und Qualität nach fixen Kriterien, werden aber mengenunabhängig bezahlt. Zum Beispiel ist es für die Bezahlung irrelevant, ob in einer Schulklasse 20 oder 25 Schüler sitzen.“ Ob es ein echtes Erfolgsrezept für die vielseitigen Ausgestaltungsformen von PPP-Modellen gibt, ist schwer zu beantworten. „Wir sind davon überzeugt, dass die Qualität steigt, wenn die Leistungen des gesamten Lebenszyklus von privater Hand angeboten werden – das entspricht dem DBFMO-Modell (Design, Build, Finance, Maintain & Operate). Nur so können Schnittstellen optimiert und Kosten minimiert werden“, versichert Stadler. ##Was qualifiziert ein Projekt für eine Umsetzung im Rahmen von PPP? „Am wichtigsten ist es, dass das Projekt für sich alleine wirtschaftlich umsetzbar ist und das Projekt gleichzeitig klar abgrenzbar ist.“ Stadler gibt ein einfaches wie anschauliches Beispiel: „Wenn etwa eine Mautstraße auf einen Alpengipfel führt, den täglich nur wenige Autos befahren, ist keine Grundlage für ein PPP-Modell gegeben.“ Wie auch gut am Projekt MQM3 zu erkennen ist, sollte es sich bei geeigneten Projekten um Vorhaben handeln, die am Ende eine deutliche Aufwertung des Standortes bzw. der Region bedeuten. Sei es nun durch die Schaffung von neuem Lebensraum und von Arbeitsplätzen oder durch die Verbesserung oder Modernisierung notwendiger Infrastruktur. ##Stärken der Modelle Sind gerne postulierte Vorteile auch immer tatsächlich als Vorteil zu bewerten? Zum Beispiel wird oftmals angeführt, dass bei den Projekten nicht nur die Finanzierungsmöglichkeiten oder die Agilität am Markt in der Projektabwicklung der privaten Seite genutzt wird, sondern auch ein Übergang von Know-how des einen Partners auf den anderen geplant ist. Dieser Fluss soll meist von privater in Richtung öffentlicher Seite weisen. Einen Einblick in die gelebte Praxis gibt uns Stadler: „Je nach Projekt kann dies Bestandteil sein, ja. Meistens handelt es sich aber um Projekte auf der grünen Wiese und nicht um eine Übernahme, einen Ausbau oder Umbau bestehender Infrastruktur. Bei Neubauten ist meistens noch niemand da, der Know-how weitergeben kann. Der Wissenstransfer zwischen verschiedenen Projekten (lokal nahegelegen und / oder ähnlichen Projekten) funktioniert hingegen sehr gut.“ Aber auch für den privaten Partner halten Projekte im Rahmen von PPP Lerneffekte bereit, die unter normalen Umständen für private Unternehmen nur schwerlich zu generieren wären: „Wir lernen bei jedem Projekt dazu. So konnten wir uns beim Campus Bednar Park wertvolles Know-how über den Betrieb einer Schule aneignen.“ Ein möglicher Nachteil im Verlust eines Alleinstellungsmerkmales über die Ressource Wissen ist also kein Thema. Ein weiteres Plus: Durch das Gründen einer privatrechtlich organisierten Projektgesellschaft können auch Risiken neu gesplittet werden. Das Instrument der Forfaitierung, ein Begriff, der uns aus dem Exportgeschäft geläufig ist, findet dabei Anwendung. Dazu wird eine Projektgesellschaft gegründet, die Mietforderungen, Forderungen aus Leasinggebühren oder Lizenzforderungen gegen die öffentliche Hand besitzt. Die Forderungen der Projektgesellschaft werden an eine Bank im Rahmen einer Forfaitierung veräußert. Dies geschieht unter besonderen Zugeständnissen des öffentlichen Partners – etwa der Verzicht auf Einrede. Kapital zu guten Konditionen also. Holzer sieht auch einen besonderen Vorteil im unternehmerischen Aktionsradius des privaten Partners: „Generell haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich durch die Einbeziehung von Privaten Vertriebswege verdoppeln und unterschiedliche Marktzugänge ergeben – das wirkt sich positiv aus.“ ##Erfahrung bedeutet Vorsprung In den letzten zehn Jahren hat sich viel in der PPP-Landschaft getan. Wer da nicht mitgemischt hat, hält nicht unbedingt die besten Karten. Stadler sieht das so: „Der Aufwand ist beim ersten Projekt signifikant höher. Es handelt sich dabei um das gemeinsame Sammeln von Erfahrungen zwischen privatem und öffentlichem Partner. Daher ist es unerlässlich, PPP-Projekte auf bestehenden Modellen, Verträgen und Erfahrungen aufzubauen. Im besten Fall definiert man Standards, die Abläufe und Verträge klar definieren. Dadurch ersparen sich beide Seiten Zeit und Geld. Und wer heute noch nicht Erfahrungen gesammelt hat, wird zukünftig schwer einsteigen. Das Wissen von Verwaltung, Berater und Banken ist mittlerweile sehr hoch und wird auch von allen Marktteilnehmern vorausgesetzt. Fehlt die Erfahrung, ist es schwer zu reüssieren.“ ##Die Zukunft? „Ich sehe viele Projekte in Österreich und den Nachbarländern, die von der Größe, Beschaffenheit und Dringlichkeit für PPP-Projekte optimal geeignet sind. Das hängt allerdings auch von dem politischen Willen ab, Projekte in dieser Form umzusetzen. Jedenfalls hat sich in den letzten Jahren das Wissen erweitert und das Verständnis der Risikoverteilung auf beiden Seiten verbessert, dadurch können die PPP-Modelle jedes Mal besser umgesetzt werden. Die Optionen bei den diversen Vergaberechten waren schon immer vorhanden“, so Claus Stadler. Die PPP befinden sich gerade in einem Weiterentwicklungsprozess. Neuerungen stehen ins Haus und es ist wünschenswert, dass die Stärken der Modelle ausgebaut werden. Beide Seiten erhoffen sich Standardisierungen, damit gängige Projektkomplexitäten abgefedert werden können. Abschließend betrachtet: Die im letzten Jahrzehnt gestaltete kommunale Infrastruktur hat viel Lebens- und Arbeitsqualität sowie eine Aufwertung der Standorte und Regionen gebracht. Und vor diesem Hintergrund, dass eine Vielzahl dieser öffentlichen Bauvorhaben nur mit klugen Konzepten, privatem Kapital und dem Willen zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit umgesetzt werden konnte, kann wenig Kritik laut werden. «
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 03. März 2014 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


BB
AutorBarbara Bartosek
Tags
Investment
Lebenszyklus
Markt
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Claus Stadler
Infrastruktur
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