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„Au revoir, Cannes!“
Intensive Tage sind das immer im März für alle, die zur Gewerbeimmobilienmesse nach Cannes reisen und die Bestandsaufnahme hier ergibt, dass das Immobilienbusiness wieder boomt, aber nur bis auf Weiteres.
Die MIPIM in Cannes feierte heuer ihr 25-jähriges Jubiläum und die Wegweiserdamen hatten wie immer in dem labyrinthischen Festivalgelände von Cannes alle Hände voll zu tun, um sich um den Fortlauf der Dinge zu kümmern. Die Vortragsräume hatten heuer Symbol-Farben bekommen und das unbeliebte Untergeschoß eine VIP-Zone. Die eigentliche VIP-Zone war aber der Hafen geblieben, wo, wer eine Einladung hatte, sich am Vorderdeck einer Yacht ansehen konnte, was es anzusehen gab. Projekte und Deals zum Betrachten hatte es genug gegeben. Zumindest war eine geschäftige Betriebsamkeit allerorts zu spüren oder am raschen Schritt zu ermessen. An Besuchern mangelte es auch nicht, zumindest an den Haupttagen, auf die der Besucheransturm doch sehr konzentriert war. Am „Plage Autriche“ gab man sich gegenseitig den weißen Klappstuhl in die Hand oder in die Kniekehle. Gerald Friedl, der als Geschäftsführer eines Immobilientreuhandunternehmen tätig ist, wollte sich in Cannes ein Bild machen, wie es aktuell um die Immobilienwirtschaft bestellt ist: „Für mich ist der MIPIM-Besuch stark eine Frage der Meinungsbildung.“
##Engpass Wohnraum
Eine Einsicht lautete, dass die Bedingungen im regionalen Umfeld wichtiger werden. Derartiges wurde bei Veranstaltungen am Rande der Messe berichtet. Im Zelt von London war die knapper werdende Wohnungsversorgung Thema und gleichzeitig war an die internationale Immobilienwirtschaft die Aufforderung ergangen, hier in den Wohnsektor zu investieren. Hochbetrieb hatte am London-Stand tagein, tagaus bei Projektvorstellungen geherrscht und Head-to-Head-Gespräche wurden da im Takt abgehalten. So ziemlich jeder und jede kam zumindest zum Sightseeing vorbei, um zu sehen, was es an der Themse Neues gibt. „Dass hier ein Hochhausviertel in meiner Nachbarschaft am Entstehen ist, ist mir neu“, berichtete eine Londoner Architektin das Stadtmodell bestaunend. Wie drastisch es in London vorangeht, zeigt auch ein anderes Beispiel. Ein Absturz eines Helikopters letztes Jahr ist wegen eines Baukrans passiert, der auf einem fünfziggeschoßigen Hochhaus stand und im Nebel übersehen wurde. „Wir können nicht alles in UK investieren“, betont andererseits ein Offizieller aus London gegenüber einem Medienvertreter, als er auf einem eigens aus London angekarrten Doppeldeckerbus gefragt wurde, was die MIPIM für England bringt. Angesichts der Hochkonjunktur werden in der Finanzmetropole die Wohnungen knapp und der angereiste Bürgermeister Boris Johnson trommelte: „Es kommen einfach sehr viele nach London und da brauchen wir neue Wohnungen.“ Von 50.000 neuen Arbeitsplätzen war die Rede, die den satten Bedarf nach Wohnraum nach sich ziehen würden.
##Die Rahmenbedingungen im Blick
Das wiedergewonnene Selbstbewusstsein der internationalen Immobilienwirtschaft ist also kaum zu verleugnen. Von einem Niveau wie vor Beginn der weltweiten Finanzkrise war da und dort die Rede. So gut, so schön. Derzeit würde diese gestiegene Investmenttätigkeit aber stark an den Vorgaben der Finanzwirtschaft hängen und sich direkt von der Nachfrage institutioneller Investoren ableiten. Hier, so konnte man bei Podiumsveranstaltungen hören, könne in zwei bis drei Jahren erneut Ernüchterung eintreten, wenn andere Asset-Klassen an Attraktivität gewinnen oder die Zinsen nicht mehr so stabil unten gehalten würden. Angesichts dessen mahnten international tätige Immobilienmanager auf der MIPIM in der aktuellen Lage, nicht nur die Performance der Immobilien im Auge zu haben, sondern immer den Projekthintergrund zu beleuchten und vermehrt auch den Bedürfnissen der Mieterschaft zu begegnen. „Woher kommt der Umsatz, ist eine Frage, die man sich zuallererst stellen sollte“, rät Wolfgang Vejdovsky, der mit seinem Unternehmen PwC Real Estate Services anbietet. Auch was das Projektumfeld angeht, geht er zu den genannten Managerstimmen konform: „Die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden wichtiger.“ Demnach zieht das Umfeld ein Projekt mit nach oben, aber es könne auch nach unten ziehen. Tolle Immobilien seien mitunter im „Out“, wenn das volkswirtschaftliche Umfeld nicht entsprechend sei. „Da heißt es dann schnell, den Markt bearbeiten wir nicht“, berichtet Vejdovsky, und trotz attraktiver Rendite ließen sich keine Deals einfädeln, wenn der Schauplatz zu exotisch wird. Im Zweifel wirft man einen Blick auf das Investmentradar, und wenn dieses einen Ort nicht anzeigt, dann wird der auch nicht angesteuert.
##Benchmark setzen
Als ein solcher unberücksichtigter Platz wird Österreich durchaus nicht eingeschätzt, aber dafür als ein hochpreisiger. Darauf verweist Ilias Manoukas, der bei Colliers International Österreich-Deals betreut, und er sah bei der Messe in Südfrankreich Aufklärungsbedarf, um den Fondsgesellschaften den Standort Österreich bzw. Wien schmackhaft zu machen. „Ich muss aufklären, warum der Markt nicht überbewertet ist.“ Das sei er aber deshalb nicht, weil die Endnachfrage nach den Immobilien gegeben und auch die Wiederverkäuflichkeit der Objekte grundsätzlich gut möglich sei. Das Interesse wäre auch in der nötigen Breite vorhanden, weil es an Core-Assets mit stabiler Performance vorhanden sei. Als potenzielle Nachfrager haben sich auf der MIPIM auch skandinavische Versicherungsgesellschaften ins Gespräch gebracht. Investitionsvolumina würden sich hierzulande von 100 bis 200 Millionen Euro bewegen und damit befände man sich in Konkurrenz zu deutschen Städten wie Hamburg, Düsseldorf oder München und bei den Luxuswohnungen auch den Weltmetropolen. Dank vorteilhafter Rahmenbedingungen wie dem vergleichsweise niedrigen Büroleerstand und einem moderaten Büroflächenzuwachs, wie man das aktuell hierzulande findet, ließen sich Investitionen gut begründen. Der Vermietungsmarkt als zweites Paar Schuhe sei allerdings laut PwC um die staatsnahen Unternehmen zu bereinigen und damit mangle es in Wien eigentlich an Vermietungsleistung. „Es gibt wenige große Unternehmen, für die der Standort Wien überhaupt interessant ist“, sieht Vejdovsky im globalen Wettbewerb hier Terrain wegen steuerlicher Aspekte als nach Osteuropa verloren gegangen. Wie die beiden Marktkategorien Investment und Vermietung zusammengehen, darüber kann das Beispiel DC Tower und seine aktuelle Vermarktungssituation Aufklärung bringen. Der Errichter des Büroturms selbst, die WED, wollte dazu zwar in Frankreich nicht unbedingt beitragen, aber zumindest war festzustellen, dass die Flächen des Wiener Büroturms heftig beworben wurden. Dass der DC Tower am Ende des Tages ein Erfolgsprojekt sein würde, darüber war man sich bei Colliers sicher: „Das Gebäude passt in einige Fonds gut hinein und ab einer Vermietung von achtzig Prozent ist der Verkauf gut möglich.“ Entscheidend sei hier aber, eine Benchmark zu setzen, und darum würde man nicht mit einem allzu raschen Ausvermieten rechnen.
##Neue Trends
Traditionell gilt die MIPIM als Marktbarometer, dem stimmt auch Frank Brün von TJP Advisory, der die Internationalität und gute Besetzung der Veranstaltung hervorhob, zu: „Man bekommt hier mehr mit, was sich international tut, als bei vergleichbaren Veranstaltungen.“ Die Besucherschaft würde wegen der komplizierten Anreise auch länger bleiben, so seine treffende Analyse, und das erhöhe auch die Chancen, die Entscheider der Branche anzutreffen. Neue Trends, die den Immobiliensektor indirekt betreffen, sorgen für eine geänderte Rahmenbedingung. Wie sich das geschäftliche Umfeld anlässlich des wachsenden Online-Handels entwickelt, ist für den Einzelhandel zuletzt wichtiger geworden. Bei den Expertengesprächen wurde aktuell bereits von zehn bis fünfzehn Prozent an Online-Umsatz-Anteil ausgegangen. Nach dem Motto „click and collect“ sei der Kunde rege und auch entkoppelt vom lokalen Shopping-Angebot. Zombie-Shopping-Center würden sich infolge herausbilden, wo der Leerstand der größte Mieter ist. Davon wollte Eduard Zehetner, CEO der Immofinanz, nichts wissen, denn was für ihn zählte, seien andere Marktindikatoren: „Was wir bei den Shoppingcenters benötigen, ist vor allem wirtschaftliches Wachstum.“ Das blieb auf der MIPIM dann unwidersprochen, und wie sich das Jahr entwickelt hat, wird man dann im Herbst sehen, wenn die nächste große Messe in München ansteht. «
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AutorPeter Matzanetz
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