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Aus Blau wird blaugelb
Normalerweise muss man seine Möbel bei Ikea selbst zusammenbauen. Bei der Baustelle am Westbahnhof ist's einmal umgekehrt: Dort können Besucher zusehen, wie die wohl modernste Ikea-Filiale hochgezogen wird.
In den 1960er-Jahren war dieses Konzept durchaus revolutionär. Mit einem mitgelieferten Inbus war es möglich, sich alle seine Möbel selbst zusammenzubauen. Kein Hammer, keine Bohrmaschine, kein Schraubenzieher war vonnöten. Damit haben sich auch handwerklich völlig Unbegabte als Heimwerker fühlen können. Mit diesem kleinen, zweimal rechtwinklig gebogenen Metall-Schlüssel und Möbeln mit nordisch klingenden Namen konnte Ikea-Gründer Ingvar Kamprad ein globales Milliardenimperium aus dem Boden stampfen. Die bewährte Kombination von Ikea-Läden: Großes Angebot, hyggeliges Design in einem riesigen blauen Block, zumeist am Stadtrand.
##Wien als Pilotprojekt
Nun startet ein Pilotprojekt, für das die Schweden Wien auserkoren haben. Mit der Ikeafiliale am Wiener Westbahnhof, die gerade anstelle des abgerissenen Blauen Hauses hochgezogen wird, will der schwedische Möbelriese jetzt neue Wege beschreiten. Nicht nur, dass der Bau mitten in der Innenstadt, gleich direkt gegenüber einer der wichtigsten Einkaufsstraßen errichtet wird. Man will sich damit ein Stückchen neu erfinden. Und dennoch folgt man gewissermaßen einem blaugelben Faden, der sich vom Plan der Immobilie bis zum zukünftigen Retailkonzept zieht. Nicht nur, dass das vom Wiener Architekturbüro querkraft architekten entworfene Konzept das veränderte Einkaufs- und Mobilitätsverhalten abbilden will. Man will daraus einen Treffpunkt für alle Wiener machen - und das bereits schon vor der Fertigstellung. "Das innovativste und außergewöhnlichste Haus, das Ikea jemals geplant hat", soll es werden. Und alle sollen zuschauen können, wie es gebaut wird. Denn, anders als bei vielen anderen Baustellen, gibt es statt des konventionellen Sichtschutzes Bullaugen, durch welche die Besucher den Baufortschritt jederzeit beobachten können. Was sich Ikea davon verspricht? "Mit dem IKEA am Westbahnhof wollen wir im 15. Bezirk heimisch werden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass AnrainerInnen, aber auch interessierte IKEA KundInnen, laufend über den Baufortschritt informiert werden und somit von Anfang an einen ganz anderen Zugang zum Projekt erhalten. Die Bullaugen dienen zur Info für AnrainerInnen, damit sie die Baustelle besichtigen können", heißt es da von einer Sprecherin. Man will sich mit der Nachbarschaft also gut stellen, macht regelmäßige Anrainerveranstaltungen, hat eine eigene Infoseite mit allen relevanten Informationen und Kontaktdaten.
##Retail neu gedacht
Spätestens im Herbst sollen die Bauarbeiten für die Immobilie fertiggestellt sein. Damit will Ikea auch den neuesten Trends im Einzelhandel Rechnung tragen, stationäre Flächen mit Online kombinieren, die Menschen sollen die Waren physisch ausprobieren, mit allen Sinnen erfahren können - und die Möbel dann bestellen und innerhalb 24 Stunden geliefert bekommen. Dass man die Möbel direkt mitnimmt, ist nicht fortgesehen. Anders als in all den anderen Ikea-Filialen sind hier nämlich keine Parkplätze vorgesehen, sie ist nur öffentlich oder zu Fuß erreichbar. Geliefert wird vom Logistikzentrum Strebersdorf aus. Nur kleine Artikel, von Servietten und Badtextilien bis hin zu all den anderen Deko-Materialien, für die Ikea bekannt ist, können direkt mitgenommen werden. Statt Parkflächen gibt es aber Bäume - an allen Fassadenseiten und insgesamt 160 an der Zahl. Von den Lkw, die Waren zuliefern, soll man ebenfalls nichts mitbekommen, die Warenanlieferung erfolgt unterirdisch. Eine Drehscheibe im Inneren des Gebäudes richtet die Transporter aus - sie werden positioniert, be- und entladen, und können dann wieder ausfahren. Das soll Lärm vermeiden.
Auch will man mit der neuen Ikea-Filiale, die in ihrer Erscheinung stilecht wie ein Regal aussehen wird, eine soziale Funktion erfüllen. Das Einkaufen selbst wird eher zur Nebensächlichkeit, vielmehr soll hier geplant, getestet, gesehen, gerochen, gefühlt werden - ohne Konsumzwang, wie Ikea Österreich betont. Die Markenbindung erfolgt hier anders, mehr unterbewusst, dafür aber effektiver. Dazu soll eine öffentlich zugängliche Terrasse auf dem Dach des siebenstöckigen Gebäudes dienen, mit Blick auf die Dächer Wiens und ansprechendem Gastroangebot. Die Idee dahinter scheint zu sein: Wenn man einmal Möbel braucht, wird man sich an den Flair des innerstädtischen Ikea erinnern, sie vielleicht dort aussuchen, bestellen - und einen Tag später in Empfang nehmen. Somit sind langwierige Anfahrten an den Stadtrand obsolet. Obwohl es sich um eine vollwertige Filiale handeln wird, an der rund 250 Mitarbeiter den Kunden mit Rat und Tat zur Seite stehen werden: Das neuartige architektonische Konzept ohne Parkplätze soll eine ganz neue Form der Sortimentspräsentation erlauben. Mit Sound, Licht und Food-Angeboten.
##Volle Flexibilität
Auch die Immobilie selbst soll flexibel sein, nachhaltig und umweltfreundlich. Die Architektur lehnt sich an einen Rahmen, "Grid" genannt, der einem Regal nachempfunden wurde der vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zulassen soll. Denn niemand - auch Ikea selbst nicht - weiß genau, was die Zukunft bringen wird, daher setzt man bei dieser Bauweise auf völlige Nutzungsfreiheit im Inneren. Zentrale Rolltreppen werden die fünf Ebenen verbinden, und verknüpfen Ikea und die erstmals in Österreich gelaunchte Accor-Hostel-Marke Jo&Jpe offen und unkompliziert, heißt es. Auch der Zugang zur Dachterrasse ist sehr einfach. Die Kunden sollen selbst entscheiden, wie schnell sie sich durch das Haus bewegen.
Auch die begrünte Fassade selbst wird eine besondere Rolle erfüllen. Es soll Raum an der Front geschaffen werden, die das Haus lebendig und auch das Dach gut nutzbar machen, u. a. für eine Photovoltaikanlage und für die Beschattung. "Extensions", die mit ihren Glasflächen die Außenseite der Fassade begrenzen, sorgen für Besonderheit, Flexibilität, Sichtbarkeit und Transparenz. Die Tatsache, dass durch den "Grid" die Fassade an der Mariahilferstraße um mehrere Meter zurückrückt, schafft eine luftige Arkade, wo weitere Einzelhändler nach der Fertigstellung hier einziehen werden.
Ein bisschen erinnert das schon an ein US-amerikanisches Mega-Store-Konzept mit einem riesigen Ankermieter und mehreren kleinere Mietern, die den Mix komplettieren sollen. Halt eben ohne Parkplätze. Jetzt wird das Haus in die Höhe gezogen, etwa alle drei Wochen kommt ein Stockwerk dazu. Pro Stockwerk ergibt das ca. 590 m³ Beton, bis dann Mitte bis Ende 2021 ein siebengeschossiges Einrichtungshaus mit begrünten Fassaden und viel Raum für die Menschen steht. Shoppst Du noch oder erlebst du schon?
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AutorCharles Steiner
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