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BANKHAUS MIT MEHRWERT

In das Haus am Schottentor, wo über 100 Jahre lang Bankgeschäfte abgewickelt wurden, werden schon bald ein Supermarkt, ein Fitnesscenter und Büros einziehen. Die Wiener nennen das Haus ehemalige Creditanstalt. Erbaut wurde es unter dem Namen Haus des Wiener Bank-Vereins. Der Projektentwickler Pema, der das Haus nun für eine Stiftung der Familie Koch entwickelt, nennt das Gebäude nun Haus am Schottentor. So vielfältig die Namensgebung, so divers ist auch die Geschichte des Gebäudes, das nun zum ersten Mal keine Bank beherbergen wird. Das Haus an der Ecke Schottengasse/ Schottenring wurde von 1910 bis 1912 auf Initiative der Familie Rotschild als erstes Haus des Wiener Bank-Vereins erbaut. In jener Zeit öffneten sich die Banken zum ersten Mal auch der breiten Masse. Für den dazu notwendigen Foyer-Betrieb musste die Infrastruktur der Banken neu gedacht werden. Neubauten waren deswegen eine Notwendigkeit. Im Falle des Wiener Bankvereins wurden die Architekten Ernst von Gotthilf-Miskolcz und Alexander Neumann beauftragt, ein Bankhaus im neoklassizistischen Stil zu erbauen. Für den Neubau mussten aber zuvor die erst 1861 errichteten Häuser Schottenring 2-6 und Schottenbastei 1-5 abgerissen werden. Das Gebäude mit rund 26.000 Quadratmetern auf sechs Stockwerken und drei Kellerebenen war auch einer der ersten Bauten in Wien mit einem Eisenbetondachstuhl. 1934 fusionierte der Wiener Bank-Verein mit der Creditanstalt, die wiederum 1997 von der Bank Austria übernommen wurde. 2005 schluckte schließlich der italienische Bankenkonzern UniCredit die Bank Austria. Im Jahr 2014 wurde der Verkauf der damaligen Bank-Austria- Zentrale fixiert und die Bank blieb bis zum Jahr 2018 Mieter. ##Festungsbau Steht man vor dem Haupteingang, erkennt man schnell, dass die Architekten damals nicht nur die Repräsentanz des Gebäudes im Fokus hatten. Vielmehr sollte die Architektur den Leuten auch glaubhaft machen, dass ihr Geld hier sicher ist. Der massive bronzene Eingang und die breiten Gitter darüber erinnern an einen Festungsbau. Einst hatte das Gebäude noch einen zweiten, ringseitigen Eingang, die Direktionsstiege, die den Bankdirektoren vorbehalten war und nur bis zum Dirketionsgeschoß, dem ersten Obergeschoß, führte. Doch schon damals war die öffentliche Hand kreativ, um neue Einnahmen zu lukrieren und die Stadt Wien führte 1923 eine Stiegensteuer ein, die auf die reichen Familien an der Ringstraße abzielte. Aber die Kreativität der Banken, Abgaben zu vermeiden, stand jener der öffentlichen Hand um nichts nach und so ließ die Familie Rothschild die Stiege abbauen und den Eingang entfernen. Im Rahmen des derzeitigen Umbaus wird die Seite wieder geöffnet und diesmal wird das Stiegenhaus über alle sechs Obergeschoße führen. Dadurch wird das neue Haus auch zukünftig zwei Adressen haben, eine an der Schottengasse und eine am Schottenring. An der Schottengasse wird der zentrale Eingang für das Fitnesscenter, das in den Untergeschoßen untergebracht sein wird, und für das geplante Lebensmittelgeschäft sein. Die Mitarbeiter der Büros in den oberen Stockwerken werden in erster Linie den Eingang am Ring nehmen. ##Prachtvoller Kassensaal Tritt man über die Schottengasse in das Foyer, erkennt man noch heute die volle Pracht, mit der die Bankkunden überzeugt werden sollten. Stein, Marmor und edle Hölzer wurden im Kassasaal verarbeitet. Ähnlich wie bei einem Kir-chenbau ist der Saal in ein hohes Mittelschiff und in zwei weitaus niedrigeren Seitenschiffe nunterteilt, in denen die Kassapulte untergebracht waren. Um den Saal herum fällt ein Linoleumstreifen auf, der sich vom Marmorboden optisch abhebt. Der Streifen hatte die Funktion der Wegeführung, die die Kunden auf das richtige Wegsystem geleitet hatte. Zudem war das Material einfacher auszutauschen als die Marmorfliesen und es hatte zudem Vorteile, was den Trittschall betrifft. An der Decke ist eine große Glasfläche angebracht, die einst das Licht des darüberliegenden Oktogons in den Kassasaal leitete. Die Öffnung wurde aber im Laufe der Bauhistorie geschlossen. Denkbar ist, dass das Glas zukünftig hinterleuchtet wird, um so wieder eine Tageslichtanmutung zu schaffen. Nach dem Umbau wird hier in dem Kassasaal ein Supermarkt der Spar-Gruppe einziehen. 3.500 Quadratmeter Fläche stehen dafür zur Verfügung. ##Oktogon als Hingucker In die repräsentative Direktionsebene, das 1. Obergeschoß, und in den Mezzanin werden die Co-Working-Anbieter Spaces einziehen. Im Mittelpunkt des 1. Obergeschoßes steht das angesprochene Oktogon mit seiner wunderschönen historischen Tageslichtglasdecke. Auffallend sind auch die opulenten Marmorbereiche auf den vier Hauptseiten. Ursprünglich war der Raum offen gestaltet, doch um Veranstaltungen durchführen zu können, wurde der Raum geschlossen. Früher fungierte das Oktogon als Besprechungsraum. Zukünftig sind hier mobile und temporäre Arbeitsplätze geplant. Aber auch als Veranstaltungsraum soll das Oktogon weiter genutzt werden können. In den Direktionsräumen selbst, in denen bis zum Auszug der Bank Austria Direktoren und Vorstände ihre Büros hatten, sorgen Holzvertäfelungen, Ledertapeten und eine deutlich höhere Raumhöhe für Exklusivität. Das Interieur wird nun aufwendig restauriert, bevor die Co-Working-Flächen hier einziehen. Im Eckbüro, von dem aus einst Louis Nathaniel von Rothschild seine Geschäfte führte, ist auch ein Wandtresor untergebracht. Omnipräsent in diesen Räumlichkeiten ist das WBV-Logo des Wiener Bankvereins. Die oberen Stockwerke, in die reguläre Büroräumlichkeiten einziehen werden, sind weit weniger repräsentativ und wurden in der Vergangenheit so stark manipuliert, dass diese im Innenbereich nicht als erhaltenswert gelten. Im Dachgeschoß wird weiterhin nur die Haustechnik untergebracht sein. ##Schließfächer im Fitnesscenter In den Untergeschoßen erkennt man hingegen immer noch das Erbe der Geschichte des Gebäudes als Bankhaus. Im einstigen Tresorraum sieht man tausende silberglitzernde alte Schließflächer. Im Zuge der Übernahme durch die Unicredit Bank Austria, die im vergangenen Jahr auszog, mussten alle Schließfachtresore geräumt werden. Das war sehr aufwendig, da nicht alle Eigentümer, bzw. deren Rechtsnachfolger, ausgeforscht werden konnten. Ein Großteil der Schließfächer wird in den Untergeschoßen, im geplanten Fitnesscenter, verbleiben, als Reminiszenz an die Historie des Hauses.
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. Juli 2019 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


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AutorStefan Posch
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