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Compliance Management – Die neue Handschlagqualität?
Seit einigen Jahren hat der Terminus Compliance auch in Europa Fuß gefasst. Die Auffassungen über den diffusen Begriff variieren selbst unter Experten, doch alle sind sich einig, dass dieses Modewort nachhaltige Wettbewerbsvorteile verspricht.
Was soll ich tun? Diese Frage beschäftigt Ethiker seit Jahrtausenden. Die Antworten darauf sind mannigfaltig und müssen immer wieder neu ausdifferenziert werden. Gerade in der Wirtschaft gewinnt die Frage nach dem richtigen Handeln wieder an Bedeutung. Besonders seit dem Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 haben auch hierzulande zahlreiche Skandale verschiedene Firmen in Verruf gebracht. Zwar stehen immer nur einzelne Personen vor Gericht, trotzdem leidet das Ansehen des ganzen Unternehmens, in dem diese Verdächtigen beschäftigt waren. Und es können auch rechtliche Konsequenzen für die Firma folgen.
##Mitgefangen, mitgehangen
Aufgrund des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG) kann für die Straftaten von Mitarbeitern auch der Arbeitgeber zur Verantwortung gezogen werden. Wörtlich heißt es im dazu veröffentlichten Dokument des Innenministeriums: „Ein Verband ist dann strafrechtlich verantwortlich, wenn prinzipiell Straftaten im Namen dieses Verbandes begangen werden, und zwar aus seinem Organisationsbereich heraus, und diese Straftaten nicht im ausschließlichen Eigeninteresse von Einzelpersonen begangen wurden.“ Trifft also beispielsweise ein Prokurist eines Unternehmens illegale Preisabsprachen mit der Konkurrenz, kann nicht nur er vor Gericht verurteilt werden, sondern auch das Unternehmen, in dessen Namen er gehandelt hat. Das ist davon unabhängig, ob er im Unternehmen den Auftrag zu den Preisabsprachen erhalten hat, oder nicht. Deshalb sollten Firmen schon im Voraus Strategien entwickeln, um gesetzeskonformes, ethisches Handeln im Unternehmen zu gewährleisten. An diesem Punkt setzt Compliance-Management an.
##Fairplay gewährleisten
Compliance-Manager entwickeln und überwachen Compliance-Management-Systeme (CMS), die gewährleisten sollen, dass sowohl Gesetze als auch interne Verhaltensregeln eingehalten werden. Sollte ein Mitarbeiter im Rahmen seiner Arbeit straffällig werden, kann ein Unternehmen mit solidem CMS oft damit rechnen, straffrei zu bleiben oder zumindest eine Strafmilderung zugesprochen zu bekommen. Grundlage für jedes CMS bildet eine Analyse der Compliance-Risiken der Firma. Ein CMS wird also individuell an ein Unternehmen angepasst. Deshalb definiert jeder Compliance-Manager den Begriff Compliance ein bisschen anders. Gerald Beck, MRICS Managing Director bei Raiffeisen Evolution, bietet eine knappe, präzise Definition an: „Für mich bedeutet Compliance die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien beziehungsweise Regelungen in Unternehmen.“ Friedrich Wachernig, Vorstand bei der S IMMO AG, beschreibt Compliance hingegen wie folgt: „Für mich ist Compliance nicht nur das Einhalten von rechtlichen Regelungen und ein wichtiges Werkzeug der Unternehmenskontrolle, sondern bedeutet vor allem Transparenz und Nachhaltigkeit als Basis unserer täglichen Arbeit.“ Martin Sabelko, Managing Director CEE, EMEA Management Board Member und Head of Sustainability EMEA der CBRE Global Investors, legt noch breiter an: „Compliance oder auch Regelüberwachung bedeutet für mich die Gesamtheit aller zumutbaren Maßnahmen, die das regelkonforme Verhalten eines Unternehmens, seiner Organisationsmitglieder und seiner Mitarbeiter im Hinblick auf alle gesetzlichen Ge- und Verbote begründen. Und darüber hinaus, dass die Übereinstimmung des unternehmerischen Geschäftsgebarens auch mit gesellschaftlichen Richtlinien und Wertvorstellungen, mit Moral und Ethik gewährleistet wird.“
In dieser Definition steckt ein besonders wichtiger Terminus: Was bedeuten „zumutbare Maßnahmen“?
##Verpflichtung vs. Verantwortung
„Das hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich ist es jedem zumutbar, sich an Gesetze zu halten. Voraussetzung einer Strafbarkeit ist aber, dass man das jeweilige Gesetz auch kennt, sonst liegt ein sogenannter ,Verbotsirrtum‘ vor, der, sofern er nicht vorwerfbar ist, den Vorsatz ausschließt“, sagt Klara Jaros, Anwältin bei der Schönherr Rechtsanwälte GmbH, und führt weiter aus: „Zu beachten ist aber, dass wohl nur in den wenigsten, komplexesten Fällen ein Verbotsirrtum nicht vorwerfbar sein wird, da jeder verpflichtet ist, sich die für seinen Beruf oder seine Beschäftigung notwendige Rechtskenntnis zu beschaffen. Wenn Sie aber zum Beispiel einen potenziellen Geschäftspartner zum Essen einladen und nicht wissen, dass dieser aufgrund irgendeiner Sonderregelung der Rechnungshofkontrolle unterliegt, weil er zum Beispiel im letzten Jahr eine Förderung bekommen hat und damit Amtsträger im Sinne des StGB ist, wird zu prüfen sein, ob Ihnen diese Einladung zum Vorwurf gemacht werden kann. Dies hängt zunächst vom Wert der Einladung ab und davon, was Sie mit der Einladung bewirken wollten. Weiters wird zu prüfen sein, ob Ihnen vorwerfbar ist, dass Sie nicht wussten, dass Ihr Geschäftspartner Amtsträger ist. Meines Erachtens ist es ohne konkrete Anhaltspunkte nicht zumutbar, hier stundenlang zu recherchieren. Aber Sie haben keine Garantie, dass das ein Gericht auch so sieht.“
Wann hat ein Unternehmen mit seinem CMS objektiv genug getan, um korrektes Verhalten seiner Mitarbeiter so gut wie möglich zu gewährleisten? Einhelliger Tenor unter Experten ist lediglich, dass es hierbei sowohl um die Forcierung von gesetzlichen Vorschriften als auch um das Einhalten selbst auferlegter Regeln geht.
##Mehr des Gleichen?
Das ist natürlich eine Binsenweisheit. Unter diesem Gesichtspunkt wirkt Compliance Management wie eine Sammlung althergebrachter Ideen in einer neuen Verpackung. „All diese Bereiche haben verschiedenste Überschneidungen. Wohlverhalten kann nur bedingt mit einem Maßnahmenkatalog verordnet werden, sondern ist ein Thema der Bewusstseinsbildung“, erklärt Ernst Eichinger, Pressesprecher der Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. Wenn sich diese Themen ohnehin alle überschneiden und nur bedingt verordnet werden können, ist dann Compliance Management überflüssig? „Das kommt immer darauf an, ob und wie ein Unternehmen diese Vorgaben lebt oder nicht, und auch darauf, inwieweit die in- und externe Kontrolle hier funktioniert und im Notfall sanktioniert“, sagt dazu Florian Nowotny, CFO bei CA Immo und dort unter anderem für den Bereich Recht und Corporate Governance zuständig.
Wenn aber sämtliche auf Ethik und Moral beruhende Systeme in einem Unternehmen miteinander verknüpft sind, sollte es doch auch möglich sein, einheitliche Regeln für den Aufbau von CMS zu erstellen.
##Internationale Compliance-Blaupausen
Am 11. Juli 2014 wurde der Schlussentwurf zur ISO 19600 „Compliance Management Systems – Guidelines“ von einem Expertengremium der Internationalen Organisation für Normung (ISO) in Wien verabschiedet. Dieser ISO-Standard soll Ende 2014 bis Anfang 2015 erscheinen. „Die Arbeiten am Entwurf haben im April 2013 begonnen. Es ist für so einen Prozess außergewöhnlich schnell, innerhalb von drei Sitzungen in eineinhalb Jahren den Text so weit zu bringen, dass er verabschiedungsreif ist“, sagt Peter Jonas, Director Certification von Austrian Standards. Immerhin waren Spezialisten aus elf Ländern an der Erarbeitung des Standards beteiligt, weitere 20 hatten Beobachtungsfunktion. Diese Länder repräsentieren gemeinsam rund ein Drittel der Weltbevölkerung. Martin Tolar, Managing Director des Governance Risk Compliance Institute in Australien, war von Anfang an maßgeblich an der Entstehung der Norm beteiligt, die er wie folgt beschreibt: „Der Standard sagt einer Firma nicht, wie sie ein Compliance-Management-System aufbauen soll. Aber er hilft, auf potenzielle Risiken aufmerksam zu machen, und bietet dann Werkzeuge an, mit denen ein effektives CMS erstellt werden kann. Im Standard stecken quasi die Blaupausen für ein CMS.“ Jonas verweist noch auf einen weiteren Nutzen: „Der Standard bietet auch eine Unterstützung für die Rechtsprechung, wenn die Frage auftaucht, ob ein Unternehmen wirklich genug unternommen hat, um seine Mitarbeiter von Fehlverhalten abzubringen. Der Standard repräsentiert in diesem Zusammenhang also so etwas wie den ,Stand der Technik‘.“
##Theorie und Praxis
Anwältin Jaros dazu: „Die ISO-Norm ist zwar interessant, aber es gibt noch keine Literatur oder Judikatur zur Frage, ob die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht bei der Prüfung der Verbandsverantwortlichkeit die Meinung vertritt, ich habe alle zumutbare Sorgfalt walten lassen, wenn ich das ISO-Zertifikat habe. Zudem ist die Zertifizierung für kleinere Unternehmen sehr teuer.“
Dieser Annahme entgegnet Jonas: „Es wird hoffentlich nicht überraschen, dass ein Betrieb mit hundert Mitarbeitern und einem Standort hier in Wien günstiger wegkommen wird als ein Welt-Konzern wie zum Beispiel die Voest. Wenn wir aber seriös über die Kosten für eine Zertifizierung sprechen wollen, bewegen wir uns in einem fünfstelligen Bereich. Bei den jährlichen Überwachungsaudits rechnet man üblicherweise etwa mit der Hälfte der Kosten der Erstzertifizierung.“ Die Preise für die Prüfung sind noch nicht festgelegt Die Höchststrafe im Fall einer Verurteilung nach dem VbVG liegt bei einem Tagessatz von 10.000 Euro und bei maximal 180 Tagessätzen. Im schlimmsten Fall kostet so eine Verurteilung ein Unternehmen also 1,8 Millionen Euro. In den meisten Fällen wird die Strafe aber wahrscheinlich niedriger ausfallen. Zudem gibt es bislang zum VbVG noch keine höchstgerichtliche Entscheidung. Dementsprechend wäre es möglich, dass auch große Unternehmen sich zumindest so lange nicht zertifizieren lassen, bis abzusehen ist, was günstiger kommt: Zertifizierung oder Gerichtsurteil. Allerdings hat eine Verurteilung nach dem VbVG noch andere Konsequenzen.
##Folgen eines Urteils
Ein Unternehmen ist nach so einem Urteil gemäß § 68 des Bundesvergabegesetzes grundsätzlich von der Teilnahme an Vergabeverfahren auszuschließen, sofern die Verurteilung wegen eines wirtschaftsbezogenen Delikts erfolgte. Ein Auftraggeber kann ein Unternehmen sogar ohne entsprechendes Urteil dann vom Vergabeverfahren ausschließen, wenn er nachweisen kann, dass dem Unternehmen oder dessen Entscheidungsträgern schwere berufliche Verfehlung vorzuwerfen ist, wie z. B. schwere Verwaltungsübertretungen. Unter diesem Aspekt lohnt es sich wahrscheinlich doch, in ein CMS zu investieren.
Der ISO-Leitfaden selbst kostet nur zwischen 40 und 50 Euro. Und es sei jedem Unternehmen zu empfehlen, sein Compliance Management selbst kritisch unter die Lupe zu nehmen, so Jonas: „Es ist ja nicht nur eine Frage der Gerichtsbarkeit, wie die ISO-Norm aufgenommen wird. Es ist abzusehen, dass der Markt hier einen Druck auf Unternehmen erzeugt, also beispielsweise Auftraggeber oder Lieferanten vom Unternehmen verlangen, einen Nachweis über ihr CMS in Form eines Zertifikates zu erbringen.“ Letztlich bleibt auch der beste Standard nur totes Papier, wenn er nicht von Unternehmen vorgelebt und forciert wird. Egal ob Regeln im Gesetz, in der Wirtschaftsethik, einem Code of Conduct oder in einem internationalen Compliance-Standard festgelegt sind, richtiges moralisches Handeln ist immer eine Frage der freiwilligen Selbstkontrolle.
Oder wie Sabelko formuliert: „Wer Code of Conduct nicht verstanden hat, wird auch Compliance nicht mehr lernen – aber hoffentlich die Folgen für diese Ignoranz spüren.“
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AutorPeter Stenitzer
Tags
Menschen
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