immomedien.at
/ Lesezeit 7 min
Corona konsolidiert
Das diesjährige Plattformranking mit Zahlen zeigt ein interessantes Bild: Fast alle Onlinesuchmaschinen haben an Inseraten eingebüßt. Und das, obwohl die Immobilientransaktionen sogar leicht gestiegen sind. Eine Spurensuche.
Während sich Österreich im Zuge des nunmehr 1. Jahresjubiläums der Corona-Pandemie von Lockdown zu Lockdown hantelt, jeweils in einmal härteren, dann in soften Varianten, hatten die Österreicher jede Menge Zeit, sich hinter Immobiliensuchmaschinen zu klemmen und nach ihrer Traumwohnung zu suchen. Viele Freizeitalternativen hat es ja nicht gegeben, sieht man einmal von Netflix, Spaziergängen oder Extrem-Couching ab. Oder man hat sich Waren aller Art ins Haus bestellt. Sehr viele wiederum wollten ihre Wohnsituation verbessern, suchten nach einer Immobilie mit Freifläche, manche sogar ein größeres Eigenheim als das, in dem man während des Lockdowns gefangen war. Ergo, so könnte man annehmen, müssten sich die Inserate auf den heimischen Immobilienplattformen mehr oder weniger stark vermehrt haben. Doch: In den allermeisten Fällen war eher das Gegenteil der Fall.
Betrachtet man nämlich die aktuellen Zahlen des Datamining-Experten Immounited, bei dem Inserate und Inserenten für das Jahr 2020 ausgewertet worden sind, waren bei doch den meisten der Onlinesuchmaschinen zum Teil beträchtliche Rückgänge zu verzeichnen. Wie das, wird man sich jetzt fragen? Direkte Besichtigungen waren während des ersten Lockdowns mehr oder minder unmöglich, stattdessen setzten Anbieter auf digitale Besichtigungen, deren Ergebnisse dann auf den Plattformen ausgestellt wurden. Österreichweit betrachtet ist die Anzahl der Inserate nämlich bei allen Plattformen rückläufig gewesen.
##Verbücherungen gestiegen
Wir haben nachgefragt. An der Nachfrage nach Immobilien kann es nicht liegen. Schließlich hätten die Verbücherungen im Vorjahr leicht zugelegt, sagt Andreas Millonig, COO bei Immounited. Aber durch die Corona-Pandemie hat es einen anderen Grund gegeben, wie Millonig sagt: "Es besteht die Möglichkeit, dass gewerbliche Inserenten wie Makler im Zuge von Covid-19 bestrebt waren, ihre Fixkosten zu senken. Aus diesem Grund haben sie sich unter Umständen eher auf die stärker frequentierten Plattformen fokussiert."
Das erklärt jedenfalls, warum kleinere Suchmaschinen wesentlich stärker an Inseraten verloren haben, als die Branchenriesen, wo die Einbußen nicht so dramatisch waren. Was sicherlich beschleunigt worden ist, ist die seit einigen Jahren andauernde Konsolidierungstendenz. Seit geraumer Zeit graben große Plattformen kleineren zunehmend das Wasser ab. Jetzt, wo gewerbliche Anbieter ebenfalls auf die größeren Kanäle setzen und die kleinen aus Kostengründen canceln, geht es noch schneller. Da wird wohl zu erwarten sein, dass sie entweder von größeren Plattformen geschluckt werden - oder sie über kurz oder lang vom Markt verschwinden.
Relativ stabil hingegen erweisen sich die Immobiliensuchmaschinen, die an Tageszeitungen angehängt sind. Kein Wunder, schließlich generieren Tageszeitungen ihren Traffic vornehmlich über ihre Leser. Das macht sie dann auch für Makler interessant, weil sie gerade dort Awareness schaffen können und Suchende - in dem Fall Leser - nicht auf eine eigene Plattform gehen müssen, sondern die Immobiliensuche gleich dort erledigen können, man kann sich da auch an jene Leser richten, die zunächst vielleicht nicht aktiv suchen, allerdings durch das Stöbern in ihrer Suche bestärkt werden können.
##Fast überall Verluste
Dennoch hat es auch bei den Riesen wie immowelt.at oder ImmobilienScout24 weniger Inserate als noch 2019 gegeben. Einzig willhaben.at hat zugelegt. Es muss also noch einen anderen Grund geben. Eine weitere Deutungsmöglichkeit liegt beim Abgeber selbst, besser gesagt, bei Privatleuten, die vielleicht vorgehabt hätten, ihre Immobilie zu verkaufen, aus verschiedenen Gründen. Durch die Corona-Pandemie ist allerdings die Unsicherheit bezüglich der finanziellen Auswirkungen wesentlich angestiegen, was mitunter dazu geführt haben könnte, dass allfällige Verkaufsplanungen auf Eis gelegt worden sind. Gerade jene Wohnungen, die an Dritte vermietet worden sind, sind dann gehalten worden, da so immer noch zumindest ein bisschen an passivem Einkommen in die Haushaltskassen gespült wurde. Schließlich weiß aufgrund von Massenarbeitslosigkeit und Kurzarbeit niemand die Zukunft einzuschätzen. Und wer eine Immobilie hat und sie nicht verkaufen muss, tut es auch nicht. Setzt man das mit den gesunkenen Inseraten-Zahlen und einem leichten Anstieg der Verbücherungen in einen Zusammenhang, dann wird das Bild schon stimmiger.
Wer kann, kauft, wer nicht verkaufen muss, behält. Das schlägt sich dann auch auf die Anzahl der Inserate nieder. Das und eben der Umstand, dass sich gewerbliche Makler aufgrund von Einsparungen bei den Fixkosten nunmehr eher auf reichweitenstarke Plattformen konzentrieren, bringt eben diese starke Reduktion an angebotenen Immobilien in den Suchmaschinen.
##Differenziertes Bild
Eine der Plattformen, auf der die Anzahl der Inserate sogar gestiegen ist, ist willhaben.at, wo österreichweit gegenüber 2019 rund 1.000 Immo-Angebote mehr zu finden waren. Das liegt mitunter daran, dass man über diese Suchmaschinen auch andere Produkte jenseits der Immobilie suchen kann, weswegen man schon einmal darüber Frequenzen erzeugen kann. Damit ist die Plattform auch nach wie vor österreichweit die am stärksten genutzte Suchmaschine. In den einzelnen Bundesländern ist das Bild ähnlich, bis auf einige Ausnahmen, wie Tirol, wo ImmobilienScout24 knapp darüber liegt und Vorarlberg, wo wie die Jahre zuvor Laendleimmo.at unangefochten an der Spitze steht. Daraus lässt sich schließen, dass willhaben.at seine Stärken in der Regionalität voll ausspielt.
Ähnliches gilt bei ImmobilienScout24.at, die erst im Vorjahr einen starken Markenrelaunch durchgeführt haben. Generell ist hier der Vorteil, dass die meisten Österreicher die Marke kennen und damit schon Frequenzen erzeugt werden können. Der komplette Relaunch des Logos und des Designs haben sicherlich dazu beigetragen, die Marke in den Köpfen weiter zu verankern. Das zeigt sich auch an den Zahlen, die trotz leichter Rückgänge weitestgehend stabil geblieben sind. Das gilt auch für immobilien.net, immodirekt.at und immowelt.at, die über eine ebenso starke regionale Durchdringung verfügen, was sich aus dem Bundesländer-Vergleich ganz gut ablesen lässt.
##Strategiewechsel
Bereits seit einigen Jahren etwa verfolgt FindMyHome.at eine andere Strategie. Dass die Zahlen der Inserate im Vorjahr doch empfindlich zurückgegangen sind, hat hier einen anderen Grund, wie die Gründer Bernd Gabel-Hlawa und Benedikt Gabriel auf Nachfrage betonen. Zum einen verzichtet man hier komplett auf Privatinserate, stattdessen setze man lieber auf qualitätsgeprüfte Makler und Bauträger. So biete man auch eher höher- bis hochpreisige Immobilien an, weswegen für FindMyHome der Vergleich mit anderen Plattformen nur unzureichend möglich ist.
Dazu verfolgt man auch eine eigene Strategie, nämlich, dass man Bauträger und Makler gezielt über das Qualitätsmaklersiegel anspricht und an sich bindet und dafür auch lieber in die Usability der Plattform selbst investiert, weswegen FindMyHome auch auf den ImmmoAward des Maklersoftwareherstellers Immmo verweist, den man zwei Mal in Folge verliehen bekommen hat. Hier will FindMyHome die Suchenden über mehrere Suchmöglichkeiten zum passenden Objekt verhelfen und das durch Customizing und Data Mining. Sicherlich war der erste Lockdown zunächst ein Schock, gibt man bei FindMyHome zu, jedoch habe man während dieser Zeit aus dem Homeoffice ein neues Produkt auf den Markt bringen können, nämlich die virtuelle Darstellung von Immobilien und die Möglichkeit, aufgrund von Kontaktbeschränkungen Abschlüsse ohne persönlichem Kontakt zu bewerkstelligen. Überdies kündigte FindMyHome an, in den kommenden zwei Jahren weitere Produkte auf den Markt zu bringen.
##Wie geht es weiter?
Durch den Umstand, dass einerseits weniger Private geneigt sind, ihre Immobilie zu verkaufen bzw. eine allfällige Verkaufsentscheidung auf Eis gelegt haben und gewerbliche Anbieter sich nur mehr auf reichweitenstarke Plattformen konzentrieren, wird die Konsolidierung in den kommenden Jahren wesentlich stärker spürbar werden als die Jahre zuvor. Plattformen, die wenig in die Usability des Portals und in Reichweitengenerierung investieren, werden hier über kurz oder lang das Nachsehen haben. Es ist sogar zu erwarten, dass einige Plattformen vom Markt verschwinden werden, sei es, weil sie entweder geschluckt werden (und selbst hier ist Reichweite gefragt), oder weil sie schlicht und einfach nicht mehr rentabel betrieben werden können und damit wohl abgedreht werden. Der Druck ist nämlich höher geworden: Makler sind natürlich an einer hohen Reichweite interessiert, um ihrerseits schneller zu Abschlüssen zu kommen und sehen sich die Performance der Plattformen sehr genau an. Reichweite schafft man als Onlinesuchmaschine aber nur dann, wenn man Markenpflege betreibt und sich ein Alleinstellungsmerkmal in Richtung einfache Bedienung schafft. Durch die Corona-Pandemie ist der Kampf sogar noch härter geworden. Einfach Fotos in die Plattform stellen, ohne digitale Aufbereitung ist mittlerweile zu wenig. Dadurch, dass im ersten Lockdown persönliche Besichtigungen nur stark eingeschränkt möglich waren, sind virtuelle Rundgänge von einem Nice-to-have zu einem kriegsentscheidenden Tool geworden und vom Markt entsprechend gefordert. Doch die kosten auch Geld. Und auch Makler schätzen die Möglichkeiten der virtuellen Besichtigungen, da sich dadurch die Zahl der "Besichtigungstouristen" wesentlich abmildern lässt. Diese Gruppe bringt keine Abschlüsse, die Arbeit hat der Makler aber dennoch - und muss daher leere Kilometer laufen. Durch die Onlinebesichtigungen hätten Suchende die Möglichkeit, sich bereits zu Hause mit der Wunschimmobilie auseinanderzusetzen, weswegen dann eine persönliche Besichtigung in Folge zu einer wesentlich höheren Trefferquote führt. Wer als Onlineportal auf diesen Zug nicht aufgesprungen ist, die Marke nicht pflegt und sich technisch nicht aufrüstet, wird verlieren. Denn Marktanforderungen kann man nicht einfach übergehen. Was Immobiliensuchende und Makler wollen, wird man liefern müssen - oder man ist geliefert.
Registrieren. Weiterlesen. Vorteile genießen.
Egal ob Sie exklusive Artikel, ein Unternehmensprofil anlegen oder Applikationen wie unser interaktives Firmenbuch nutzen wollen. Wir haben garantiert das richtige Abo-Paket für Ihre Zwecke parat.
Ihre Vorteile
- Erstellen eines ausführlichen Personenprofils
- Testweise 3 Immobilien Magazin Printausgaben
- Lesezeichen für Artikel, Jobs und Events
- Erstellen von Pressemitteilungen, Events und Jobs
- Erstellen eines ausführlichen Firmenprofils
- Schalten Sie über unsere Abonnements weitere Funktionen frei und erhalten Sie den vollen Zugang zu allen Artikeln!
Pro Abo jährlich
120,- € / Jahr exkl. MwSt.
Unlimitierter Zugang zu allen Leistungen inkl. 5 Personen Abos
Vorteile entdeckenPremium Abo
1.200,- € / Jahr exkl. MwSt.
Erstellen Sie Ihr ausführliches Personenprofil, Zugang zum digitalen Immobilien Magazin
Vorteile entdeckenCS
AutorCharles Steiner
Tags
Weitere Artikel