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Das Ende der Shoppingcenter
Shoppingcenter gehören, zumindest in Europa, zu einer aussterbenden Art. Auf der diesjährigen Mapic in Cannes suchten diese Dinosaurier der Neuzeit nach Auswegen und Überlebensstrategien. Und mit ihnen die spezialisierten Developer und Investoren.
Zuversicht kommt auf den europäischen Retail-Märkten dauerhaft zurück.“ RetailWeek Property, eine der angesehensten Fachpublikationen Europas, wenn es um Handelsimmobilien geht, bemüht sich ernsthaft, die Teilnehmer der diesjährigen Mapic, der größten Fachveranstaltung rund um Einzelhandelsimmobilien und Hotels, positiv einzustimmen.
Allein, dieses Bemühen scheitert kläglich. Es muss auch kläglich scheitern, denn das Umfeld ist in diesem Jahr eben nicht rosarot. Im Grunde ist die diesjährige Veranstaltung im fast noch spätsommerlichen Cannes so etwas wie eine offensichtlich gewordene Trendwende; eine Sinnsuche. Zu groß sind die sich abzeichnenden Probleme, die drohenden Umwälzungen.
Noch sind die Online-Umsätze in der Praxis in Wahrheit recht überschaubar. Sogar in Großbritannien, in Europa einer der führenden Märkte für Online-Einzelhandel, sind es gerade einmal 400 Euro, die im Schnitt jeder Konsument online im Einzelhandel umsetzt – kaum wahrnehmbar. Und dennoch: Die Wachstumsraten im Online-Handel sind höher zweistellig, im niedergelassenen Handel dagegen stagnieren die Umsätze. Bestenfalls. Für die vielbeschworene Konvergenz zwischen Online- und stationärem Handel hat man in der Praxis noch kein wirklich taugliches Mittel gefunden.
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die: Im Großen und Ganzen ist Europa fertig gebaut – und mehr als das. Nach der Assetklasse Büro gilt das zwischenzeitig auch für den Einzelhandelsbereich. So wie es bekanntermaßen in Österreich auf absehbare Zeit keine weiteren größeren Shoppingcenter geben wird (das bislang letzte war das G3 in Gerasdorf und wie man hört ist es nicht gerade so, dass sich die interessierten Investoren darum prügeln), so trifft dies in Wahrheit auf ganz Westeuropa zu – mit zwei, drei Dutzend Ausnahmen; wenn überhaupt. Und in Südeuropa gibt es ohnedies schon jetzt mehr Einzelhandelsflächen, als es die Kaufkraft zulässt.
Letzteres trifft in gewisser Weise auch auf Osteuropa, ja auch auf Polen zu, auch wenn die Kennzahl Quadratmeter Einzelhandelsfläche pro Einwohner da ein anderes Bild vorgaukelt. Umgelegt auf die Kaufkraft ist auch in Polen in Wahrheit kaum noch Platz für neue Shoppingcenter. Denn dort, wo das Einzugsgebiet bezogen auf die Bevölkerung interessant ist, gibt es schon mehr als genug Flächen und im weniger dicht besiedelten Raum fehlt es schlichtweg an der Einwohnerzahl.
Was also tun, wenn man auf die Entwicklung von Retailimmobilien spezialisiert ist? Als Hoffnungsmärkte werden hier auf der Mapic quasi einhellig Brasilien, China, Indien und doch auch noch Russland genannt.
Die neuen Projekte werden flächenmäßig nicht kleiner. Deutlich weniger Einzelhandelsfläche pro Projekt gibt es aber dennoch. Die Shoppingcenter der Zukunft sind, so ein klarer Trend auf der diesjährigen Mapic, riesige Entertainment-Center mit integrierten Einkaufsmöglichkeiten. Die Kooperation der Hollywood-Firma Warner Bros. mit einem russischen Shoppingcenter-Entwickler ist hier sicher beispielgebend. Kung Fu Panda und Co. belegen ein gutes Drittel der Gesamtfläche, ein weiterer nicht unerheblicher Teil der Fläche ist für Gastronomie reserviert. Für den klassischen Einzelhandel bleibt deutlich weniger als die Hälfte der Gesamtfläche.
Dass derartigen multiversellen Entertainment- / Retailcenterkonzepten die Zukunft gehört, ist sowieso unbestritten. Die Frage ist nur: Welche Art von Unterhaltung kann hier geboten werden? Die Handvoll Hollywood-Firmen mit ihren drei oder vier Dutzend dafür geeigneten Filmmarken alleine reichen nicht aus, um tausende Standorte in Europa neu zu belegen.
Dass es derzeit an genau diesen Entertainment-Alternativen fehlt (Eislaufplätze, Kletterhallen und Indoor-Familycenter sind schon ein alter Hut), macht die Verunsicherung der Projektentwickler, Finanzierer und auch der Investoren aus.
Diese Verunsicherung zeigt sich auch an einem interessanten Nebenaspekt. Während die diesjährige Mapic bei der Ausstellungsfläche durchaus „Mut zur Lücke“ bewiesen hatte beziehungsweise beweisen musste und beispielsweise die ursprüngliche Hauptausstellungsfläche im Untergeschoß nur mehr zu einem relativ kleinen Teil als Ausstellungsfläche verkauft werden konnte, ist die Zahl der Mapic-Teilnehmer insgesamt gestiegen. 3.600 Unternehmen (plus sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr) und immerhin 730 ausstellende Firmen (sogar plus acht Prozent) wurden in diesem Jahr registriert. Insgesamt gab es immerhin 8.200 Teilnehmer, darunter 2.400 Einzelhandels-Vertreter, also Nutzer der Handelsimmobilien.
Sie alle waren auf der Jagd nach dem Goldenen Gral der Retailer: Nach Lösungen, wie man Shoppingcenter dauerhaft zukunftssicher machen kann. Übrigens: Laut aufgeschrieben, er habe einen solchen gefunden, hat niemand. Aber vielleicht wird das ja als Geschäftsgeheimnis gehütet – wie der heilige Gral.
Und noch eine Nachbemerkung von der diesjährigen Mapic in Cannes, auf der sich aus Österreich übrigens bereits zum zweiten Mal die Immofinanz mit einem repräsentativen Stand größer und besser als auf der MIPIM hervorgetan hat: Kinocenter gibt es ja schon seit Jahren hier nicht mehr. Mittlerweile sind aber auch die Hotelprojekte praktisch gänzlich verschwunden, ebenso wie das noch vor Jahren so bunt schillernde und unüberhörbar laute Dubai, das hier praktisch nicht mehr wahrgenommen wurde. «
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AutorGerhard Rodler aus Cannes
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