Immomedien
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 / Lesezeit 2 min

Das Lavendeldach

von Thomas Rottenberg

„Urban Camping“ ist ein modisches Schlagwort – man kann es aber auch tun, ohne diesen Anglizismus zu strapazieren. Manchmal fügen sich Zufälle stimmig zu einem Bild zusammen. Das ist zwar nicht wichtig, aber irgendwie schön. Und dass meine Nachbarin gerade eben mit einem Blumenkisterl in den Lift stieg, aus dem es herauslavendelte, war halt das Tüpfelchen auf dem i – denn dass ich hier und heute die Lavendelgeschichte erzählen würde, war schon vorher klar. Den Grund dafür können Sie nachlesen: In der letzten Ausgabe des Immobilienmagazins steht irgendwo der Begriff „Urban Camping“. In einer Geschichte über ein Zwischennutzungsprojekt in einem alten Wiener Zinshaus. Dort kann man – unter anderem – auf einer Terrasse Urban Camping betreiben. Das klingt cool und hip und neu. Dabei gibt es Urban Camping sicher schon ewig. Oder so lange, wie es Flachdächer und Sommernächte gibt. Isomatte und Schlafsack – mehr braucht man dafür schließlich nicht: Vermutlich kennen die meisten Menschen, die Urban Camping betreiben, diesen Begriff gar nicht. Bei mir ist das nicht anders: Als mir die Zwischennutzer in Margareten von ihrer Urban-Camping-Terrasse erzählten, machte es bei mir „Klick“: Ich war einst ein begeisterter Urbancamper. Inmitten eines Lavendelfeldes. Das Feld stand in Wien Mariahilf. Auf dem flachen Teil des – damals unausgebauten und jedermann zugänglichen – Dachbodens meines Hauses: Eine steile, wackelige und alles andere als Vertrauen erweckende Leiter führte zu einer kleinen, morschen Holztüre. Dann stand man am Dach. Der Blick reichte vom Stephansdom über die Karlskirche hinauf zum Wienerberg – und dann bis zur Steinhofkirche und zum Wienerwald. Vor lauter In-die-Gegend-Schauen störte niemanden, dass die Teerpappe (oder was immer das Dach ursprünglich bedeckt hatte) längst von einer dichten Pflanzenschicht begraben war: Das Gras stand kniehoch. Blumen blühten. Bienen summten. Statt Bäumen wucherten Fernsehantennen. Ihre Kabel waren gut versteckte Stolperschnüre – auch darum hielt ich mich von dem rostigen Gerippe am Dachrand, das einmal ein Geländer gewesen sein dürfte, fern: Ich bin Kletterer – aber die Idee, nach so einem Relingrest zu greifen, machte mich unruhig. Am eindrucksvollsten und wirklich unvergesslich aber war hier oben der Geruch. Irgendwann dürften hier Lavendelsamen gelandet sein. Deshalb duftete das ganze Dach. Bei Tag war das nett – bei Nacht aber umwerfend. Als ich das erste Mal meine Isomatte hier ausrollte und dann im Schlafsack Sternen beim Blinken und Fledermäusen beim Jagen zusah, während die Stadtgeräusche immer weiter und weiter unter mir wegzugleiten schienen, nistete sich dieser Geruch tief ein. Jede Nacht ein bisserl tiefer und intensiver. Unauslöschlich. Ich habe dort oben viele Nächte verbracht. Ob das legal war? Keine Ahnung. Vermutlich nicht. Aber den Hausbesitzer schien es nicht zu stören. Doch irgendwann wurde das Haus verkauft. Und der Dachboden ausgebaut. Einige der Dachgeschoßbewohner luden (und laden) gern zum Grillen & Chillen auf ihre Terrassen und Dachgärten. Klar: Der Blick ist immer noch fantastisch. Und die Sterne glitzern immer noch wundervoll. Und einmal, als Blumen-Sitter während der Urlaubssaison, habe ich dann auch wieder meine Isomatte da oben ausgerollt. Keine Frage, das ist fein. Aber trotzdem fehlte etwas. Etwas Entscheidendes. Etwas, das aus einer Nacht am Dach „Urban Camping“ gemacht hätte: Der Geruch von Lavendel. «
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 28. August 2013 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


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AutorThomas Rottenberg
Tags
Wien
Urlaub
Meinung
Kolumne
Zinshaus
Urban Camping

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