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Das Meer im Flakturm

Das Wiener Haus des Meeres - Nachnutzung einmal anders. Drei Anakondas räckeln sich gemütlich im Wasser, während eine ganze Gruppe entzückt schaudernder Schulkinder sich die Nasen an der Glaswand des Terrariums plattdrückt. Immer wieder hört man begeistertes Jauchzen, wenn sich eines der riesigen Tiere bewegt. Man kommt nicht umhin zu vermuten, dass das dicke Glas mindestens so sehr zur Sicherheit (und zur inneren Ruhe) der Anakondas beiträgt wie zu jener der Besucher. Und die gibt es reichlich: 570.000 Menschen "fluten" jährlich das Wiener Haus des Meeres - ein Aquarium, das man getrost als "einzigartig" bezeichnen kann. In einem Flakturm mitten in der Wiener Innenstadt stapeln sich auf elf Stockwerken rund 1,2 Millionen Liter Wasser. Und es sollen noch mehr werden, wie Geschäftsführer Hans Köppen stolz erzählt, als er das Immobilien Magazin hinter die Kulissen des Aqua Terra Zoo führt. Gleich nach der Besucherschranke links führt er uns in eine Baustelle, die bald zum "Atlantiktunnel" werden soll. Durch rund eine halbe Million Liter Wasser wird ein neun Meter langer Plexiglastunnel führen, der - mit Glasboden ausgestattet - eine Rundumsicht auf die Bewohner erlauben soll. Verwendet werden dafür Röhren mit zwölf Zentimeter dicker Außenwand, die nahtlos aneinander "geschweißt" werden und für deren Einbringung extra eine Öffnung in die Außenwand geschnitten wurde - bei 2,5 Meter Betonwänden mit Bewährungseisen kein leichtes Unterfangen. "Allerdings müssen wir uns hier um die Statik wirklich keine Sorgen machen", schmunzelt Köppen. Enthalten wird das neue Aquarium auch ein Sichtfenster zu einem Notstiegenhaus, das sowohl Haupstiegenhaus als auch vor allem den Lift entlasten soll. Denn dieser ist das derzeitige Sorgenkind des Hauses: "Wir haben über eine halbe Million Besucher im Jahr und einen Lift", erklärt Köppen. "Dessen Entlastung ist für uns im Moment existentiell wichtig." Aus diesem Grund wurde bereits 2008 ein Antrag eingebracht, der zwei Panoramalifte an der Außenwand des Gebäudes vorsieht. Trotz Anrainerzustimmung von 70 Prozent wurde das Anliegen bisher allerdings abgelehnt, es verändere das Erscheinungsbild zu stark. Unter Denkmalschutz steht der Flakturm übrigens seit 2003 nicht mehr. ##Aller Anfang ist schwer ... Diese Probleme hätten sich die Gründer des Aqua Terra Zoo 1957 mit Sicherheit nicht träumen lassen. Als die Gesellschaft für Meeresbiologie den Flakturm - genauer gesagt die ersten eineinhalb Stockwerke - bezieht, lagern hier Kugelschreiberminen und Feuerwerkskörper, der Lift steckt zwischen dem 5. und 6. Stock (wo er noch bis in die späten Neunziger verbleiben wird) und einzige Mitbewohnerin ist die Sternwarte. Mit Butten auf dem Rücken trägt man Bauschutt aus dem Gebäude. Den Anfang machen 40 Aquarien, für die man ausrangierte Straßenbahnfenster zweckentfremdet. Mangels entsprechender Gebäudetechnik ist auch die Auswahl an Tieren, die man ausstellen kann, sehr begrenzt. Mit einem Bus fährt man zu Fangfahrten ans Mittelmeer und die Nordsee, von wo man die Fische in großen Tanks zurücktransportiert. Die kleine Gruppe von Idealisten arbeitet ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Anfangs ist das erste Meerwasserhaus in Österreich noch eine Sensation, erzählt Köppen, doch die erste Begeisterung ebbt schnell ab und es folgen finanzielle Engpässe. In den Sechzigern und Siebzigern steht man knapp vor dem Konkurs und möchte schon an den Stadtrand umziehen, doch die Stadt Wien bietet ihre Hilfe an, damit der Flakturm genutzt bleibt. Förderungen gibt es übrigens seit 2010 keine mehr, das Haus des Meeres finanziert sich - trotz Betriebskosten zwischen 300.000 und 400.000 Euro im Monat - komplett selbst. Ein weiteres Hindernis sind die Gebäudepläne. Immerhin befindet man sich in einem Gebäude, dass zu Kriegszwecken erbaut wurde - die Pläne befinden sich in der Obhut des Verteidigungsministeriums und sind geheim (auch wenn dies in den Sechzigerjahren etwas paranoid anmutet). Und inakkurat, muss man feststellen, als man sie schließlich doch in die Finger bekommt. "Auf den Plänen war sehr viel verzeichnet, das ursprünglich geplant war, aber dann nie umgesetzt wurde", so Köppen. "Beispielsweise dachten wir, es gäbe einen Brunnen im Keller, dem war aber nicht so. 2011 haben wir durch Kernbohrungen eine alte Wasserfilteranlage entdeckt, die unter Schutt vergraben war - jetzt befindet sich darin eine Fischzucht." ##Feuer unter dem Meer Eine weitere Kuriosität, die das Haus des Meeres interessant macht, ist der Brandschutz, nicht nur weil ein großer Teil des Inhalts Wasser ist, sondern auch, weil es in dem ganzen Gebäude kaum etwas gibt, das brennt. Hauptsächliche Materialien sind Beton und Metall, auch die Hölzer in den Tropenhäusern sind so eingelassen, dass sie eigentlich nicht brennbar sind. Trotzdem gilt man als Hochhaus und unterliegt denselben Brandschutzbestimmungen. Insgesamt dürfen sich nicht mehr als 600 Besucher auf einmal im Haus aufhalten, was sich knapp ausgeht - die Kassa fertigt etwa 300 Menschen in der Stunde ab, die durchschnittliche Besuchszeit liegt bei zwei Stunden. Kamerasysteme überwachen alle Bereiche, um zu große Menschenansammlungen zu vermeiden. Einzigartig macht das Haus des Meeres wohl auch die Tatsache, dass man hier vor Feuer nach oben flüchten kann. Da gerade bei einem Flakturm wohl kaum Einsturzgefahr besteht, ist die Terrasse im neunten Stock als Fluchtterrasse zugelassen. Sein ungewöhnliches Zuhause, seine Geschichte und die vielen kleinen Kuriositäten und natürlich seine Bewohner machen das Haus des Meeres zu einer Fundgrube an faszinierenden Details, die wohl ein Buch füllen würden. Deshalb sei hier zum Abschluss nur noch eine genannt: Mit über 70 Metern beherbergt es die längste Ameisenstraße Europas. Vielleicht sogar der Welt. «
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. Oktober 2015 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


BW
AutorBarbara Wallner
Tags
Bauen
Innovation
Architektur
Haus des Meeres
nachnutzung

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