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Das Portfolio auf Schiene

Seit Mai leitet Claudia Brey mit Erich Pirkl die Geschäfte der Immobiliengesellschaft der ÖBB. Damit verantwortet die 43-jährige den zweitgrößten Immobilienbesitz Österreichs. Wir haben mit der neuen Chefin gesprochen. Zuvor leitete die gebürtige Amstettnerin unter anderem die Abteilung Asset Management Retail Russia bei der Immofinanz AG, bis sie von 2018 bis 2020 die Geschäfte der Generali Real Estate dirigierte. Jetzt ist die 43-Jährige an der bisher bedeutsamsten Station ihrer Karriere angekommen: Gemeinsam mit ihrem Kollegen Erich Pirkl hat sie nun rund 800 MitarbeiterInnen unter sich und verantwortet damit - als Mutter einer 1,5 Jahre alten Tochter - den zweitgrößten Immobilienbesitz des Landes. Im Herbst 2019 wurde sie zur Geschäftsführerin nominiert - und kurz nach dem ersten Lockdown löste Claudia Brey ihren Vorgänger Johannes Karner an der Spitze der Immobiliengesellschaft der Bundesbahnen ab. "Es war zum richtigen Zeitpunkt, als die Mitarbeiter nach und nach wieder ins Büro zurückgekommen waren. Der Einstieg wurde mir damit für die aktuellen Verhältnisse leichtgemacht", erinnert sich Claudia Brey, als sie das Chefbüro der Zentrale der ÖBB Immobilien am Praterstern 3 im Frühjahr bezog. ##Größte Hausverwaltung der Republik In der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH gehen nun alle Agenden in den Bereichen Recht, Liegenschaftsentwicklung und Transaktionen über den Schreibtisch der zielstrebigen Neo-Chefin. Damit hat sie wohl ihre Berufung gefunden, schließlich hat die Absolventin der internationalen BWL bereits ihre Dissertation ihrem Steckenpferd - der Finanzierung von Logistikimmobilien - gewidmet und sich schon vor Jahren in dieses Spezialthema vertieft. Breys Co-Geschäftsführer Erich Pirkl verwaltet an ihrer Seite in der Chefetage die Bestandsobjekte - und mit ihrem Portfolio, unter anderem bestehend aus Wohnungen, Häusern, Technikgebäuden, Bahnhofshäuschen, Remisen, Kraftwerken, Photovoltaikanlagen, Baurechtsgründen und Bahnhöfen auf 193 Millionen Quadratmetern, bezeichnet sich die ÖBBImmobilienmanagement GmbH nicht umsonst als "flächenmäßig größte Hausverwaltung Österreichs". "Natürlich ist der Bestand nicht mit jenem einer herkömmlichen Hausverwaltung vergleichbar, da die Flächen historisch bedingt meist größer sind und es auf unseren Bahnhöfen sehr stark um Sicherheit geht", erklärt Claudia Brey. ##Projekte und Transaktionen im Groß-Format Im Führungs-Duo verantwortet Brey nun konkret das Management jener Immobilien, die für die Eisenbahn nicht mehr betriebsnotwendig sind - flächenmäßig sind das etwa ein Prozent des Gesamtbestandes. Ihre Kernaufgaben sind unter anderem Transaktionen sowie die komplette Projektentwicklung der mitunter überdimensionalen Liegenschaften, die mittlerweile zu ganzen Stadtquartieren werden. "Ich gebe auch Empfehlungen für Neu-Nutzungen bestehender Liegenschaften ab, wobei wir sehr eng mit den Städten und Gemeinden zusammenarbeiten", erläutert Brey. "Aus dem Portfolio aus etwa nicht genutzten Dienstwohnungen, Baurechtsgründen, aufgelassenen Bahnhöfen undd dazugehörigen Arealen entwickeln wir bei Bedarf Projekte für interne oder neue Nutzungen", so Brey. Zu den aktuellsten und bedeutendsten zählen derzeit ganze Stadtentwicklungsprojekte wie zum Beispiel die Flächen rund um den Hauptbahnhof Wien, die beiden Wiener Areale am Nordbahnhof und am Nordwestbahnhof und das Neue Landgut sowie das neuartige Quartier A in Amstetten, das auf einer ehemaligen Remise errichtet wird. "Dieses außergewöhnliche Portfolio ist einzigartig in Österreich und es gibt mir die Möglichkeit, wirklich Einfluss auf das Leben der Menschen zu nehmen und den Alltag einer großen Bevölkerungszahl positiv zu gestalten", schildert Claudia Brey ihre persönliche Motivation in der neuen Funktion. ##Relaunch der Immobilienstrategie für 2021 Wie sich Corona auf die Mobilität und weitere Planung auswirken wird, ist noch nicht bekannt - dazu braucht es noch einige Jahre, um die tatsächlichen Folgen abzusehen. "Klar ist allerdings, dass die seit 2019 neu aufgesetzte Immobilienstrategie des Unternehmens auch in den kommenden Monaten operationalisiert werden wird", sagt Brey, "Die Details dazu befinden sich noch in Ausarbeitung. Grundsätzlich wird es weiter darum gehen, mehr langfristige Erträge als Einmalerträge zu erzielen." Bis der Weg gegangen ist, werde es noch mehrere Monate dauern. Unter anderem werde derzeit evaluiert, inwieweit PPP-Modelle Teil der neuen Strategie sein werden. "Die ÖBB arbeiten daran, die Services an ihren Bahnhöfen weiter auszubauen. Dabei werden auch die Themen Gesundheit, die Einbindung von Bahnhofsgreißlern sowie Paket-Abholboxen große Themen sein." ##Vom Baurecht zu den Prunkobjekten Auch die Grundstücksvergabe im Baurecht wird in den strategischen Überlegungen stark in den Fokus rücken, blickt Claudia Brey voraus. "Wir werden im Individualfall prüfen, ob es sinnvoll ist und wenn ja, werden wir uns im Sinne der Werterhaltung dafür entscheiden." Auch Verkäufe aus dem Portfolio werde es weiterhin geben: Zuletzt wurde etwa das "Blaue Haus", am Westbahnhof einem neuen Besitzer übergeben: Nach seinem Abriss wird das ehemalige Bürohaus, in dem vorübergehend auch Flüchtlinge Unterkunft fanden, ein neuer IKEA-Hotspot auf der Shoppingmeile Mariahilferstraße werden. Über den Kaufpreis des Objekts, das an den schwedischen Möbelriesen ging, hält man sich allerdings bedeckt, "da wir allen unseren Käufern zur Verschwiegenheit verpflichtet sind", sagt Brey. Nicht zu vergessen sind strategische Planungen über die Zukunft jener Prunkobjekte, die sich noch im Eigentum der ÖBB befinden: Darunter das Palais in der Wiener Elisabethstraße als einstige ÖBB-Zentrale. "Angedacht ist, sie nicht zu verkaufen, sondern anderweitig zu verwerten", sagt Claudia Brey, "Aufgrund von Corona hat sich dieser Zeitplan allerdings verschoben. Wir evaluieren laufend, wie sich die Corona-Situation weiterentwickelt und passen unsere nächsten Schritte dementsprechend an." Das Wohn-Portfolio der ÖBB umfasst 539 Häuser und somit 6.000 Wohnungen in Österreich, die als Dienstwohnungen den MitarbeiterInnen als Asset dienen. Im Sinne der Nachhaltigkeit soll davon voraussichtlich rund ein Drittel zum Verkauf gelangen, um mit dem Erlös bestehende Wohnungen zu sanieren. Der grundsätzliche Bedarf an Dienstwohnungen bleibt stabil: In den kommenden Jahren will die Bahn rund 10.000 neue MitarbeiterInnen österreichweit einstellen - eine leistbare Wohnung wird Teil des Employer Brandings sein. ##6.500 neue Wohnungen am Wiener Nordwestbahnhof Das derzeit bedeutendste Areal, das bei Brey mit dem Gesamt-Portfolio zur Entwicklung auf der Agenda steht, ist der Wiener Nordwestbahnhof - ein ehemaliger innerstädtischer Güterterminal im 20. Bezirk in der Nähe des Augartens. Er wurde an den südlichen Stadtrand von Wien verlegt. Mit einer Fläche von 44 Hektar handelt es sich um das größte noch verbliebene Entwicklungsgebiet in der Stadt, das gemeinsam mit der ÖBB, der Stadt Wien, den Bauträgern und Investoren entwickelt wird. "Wir starten im Jänner mit dem Umweltverträglichkeitsverfahren und danach können die Abbrucharbeiten beginnen", sagt Brey. Bis zum Jahr 2033 sollen in Tranchen 6.500 Wohnungen - sowohl gefördert als auch freifinanziert - entstehen. "Vor allem der Klimaschutz und soziale Themen sollen bei diesem Vorhaben im Zentrum stehen", sagt Brey. Ein herausragender Pluspunkt für die Entwicklung des Gebiets ist die Übertragung eines zentral gelegenen, rund zehn Hektar großen Naturstreifens als "Grüne Mitte" an die Stadt Wien: "Angestrebt wird auch die Erhaltung des bestehenden Eisenbahntragwerkes über die Hellwagstraße und die Stromstraße, womit mit einer knapp zwei Kilometer langen 'High Line' eine direkte Fuß- und Fahrradverbindung vom Augarten bis zur Donau entsteht", so Brey. Die grob geschätzten Kosten für die Errichtung der städtischen Infrastruktur belaufen sich für die Stadt auf rund 220 Millionen Euro, wobei sich die ÖBB dazu verpflichtet haben, wie auch bei anderen Bahnarealen einen wesentlichen finanziellen Anteil zu übernehmen. "Dieses zukunftsweisende Gebiet wird uns mittelfristig intensiv beschäftigen - ebenso wie das Neue Landgut beim Hauptbahnhof." ##Neues Landgut: Aufwind für den 10. Bezirk Am Neuen Landgut im zehnten Bezirk nahe dem Hauptbahnhof soll bis 2025/26 ebenso ein neuer Stadtteil aus dem Boden wachsen. Zwischen der Landgutgasse, der Laxenburger Straße und den Bahntrassen soll das Neue Landgut zum neuen "Favoritner Grätzel" werden, das unter anderem die Favoritenstraße bis zum Columbusplatz aufwerten soll und im Süden mit dem Waldmüllerpark die Grenze bildet. Durch die ÖBB werden 1.500 Wohnungen zu überwiegend leistbaren Preisen, Kultureinrichtungen, Büros und ein neuer Bildungscampus für 1.300 Kinder und Jugendliche ermöglicht. Das soll den neuen Stadtteil zum Leben erwecken und die Verbindung zum Sonnwendviertel beim Hauptbahnhof schaffen. Der Flächenwidmungsplan sieht vor, dass am Neuen Landgut acht Baufelder und eine 10.000 Quadratmeter große Erholungsfläche entstehen. ##Sonnwendviertel ganz verkauft Der Hauptbahnhof selbst entstand, nachdem der Süd- und Ostbahnhof aus Effizienzgründen wie auch einige kleinere Bahnhöfe in ganz Österreich zusammengelegt worden waren. Er belegt eine Gesamtfläche von 109 Hektar, davon 50 Hektar für die Bahninfrastruktur und 59 Hektar für die Stadtentwicklung. Auf 20.000 Quadratmetern wurde im Bahnhofsgebäude ein Handels- und Dienstleistungszentrum mit etwa 90 Shops und Gastronomiebetrieben errichtet. Auf der 59 Hektar großen Fläche entlang des Gürtels, sowie am ehemaligen Süd-/Ostbahnhof und am Frachtenbahnhof entlang der Sonnwendgasse wurden rund um den neuen Helmut-Zilk-Park, Baugruppen, Quartiershäuser sowie geförderte und freifinanzierte Wohnbauten verwirklicht. "Insgesamt entstanden 5.000 Wohnungen, ein Schulcampus, zahlreiche Hotels und Büros", erläutert Brey. Rund 30.000 Menschen arbeiten da. "Alle Projekte dort wurden bereits verkauft oder es wurden Baurechte vergeben", sagt Brey. ##Neuer Stadtteil für Amstetten Ein proportional für die Stadt vergleichbares Projekt wie der Nordwestbahnhof wird derzeit auch in Amstetten rund um den Bahnhof als Verbindungshub zwischen Wien und Linz realisiert. Am Areal der Remise, wo früher Triebfahrzeuge repariert und abgestellt wurden, wird neben unterschiedlichen Wohnformen auf einer Fläche von rund 90.000 Quadratmetern ein Netzwerk aus Unternehmen und Gründern zusammenfinden, darunter soll dort ein attraktiver Mix aus Bildungsstätten, Gastronomie und Gesundheitseinrichtungen beheimatet sein. "Der Verkauf an ein Konsortium aus der Stadt Amstetten, den Umlandgemeinden sowie Ecoplus ist im Dezember geplant", sagt Brey, der das Projekt besonders am Herzen liegt, da sie selbst gebürtige Amstettnerin ist. Mittelfristig sind ähnliche Projekte in weiteren Städten geplant. ##Viele kleinere Vorhaben in den Bundesländern In den letzten Jahren wurden hauptsächlich die großen Areale in Wien entwickelt und verwertet. Ein großes Potential sehen die ÖBB auch in den Bundesländern. So gibt es rund um den Grazer Hauptbahnhof oder etwa am Grazer Ostbahnhof Flächen, die einer neuen Nutzung zugeführt werden könnten. Für Flächen neben dem Grazer Ostbahnhof wird im Jahr 2021 ein städtebauliches Wettbewerbsverfahren gestartet. Ein ähnliches Projekt gibt es in Villach. Da wurde heuer ein EUROPAN-Wettbewerbsverfahren abgeschlossen. Jetzt geht es darum, gemeinsam mit der Stadt Villach einen Masterplan zu erarbeiten. Auch in Linz gibt es zwei Vorhaben: Die künftige Bebauung entlang der Wiener Straße und das Vorhaben in der Reuchlinstraße. "All diese Projekte sind derzeit in Entwicklung, womit es noch vieler Abstimmungsgespräche mit Partnern und Gemeinden bedarf", stellt Claudia Brey in Aussicht. ##Top-Karriere als Mutter Chancengleichheit ist für die Top-Managerin eine gelebte Philosophie. So zeigt die Mutter einer 1,5 Jahre alten Tochter, dass Karriere auch mit familiärer Erfüllung möglich ist. "Ein Netzwerk aus guten Unterstützern ist dabei das Um und Auf", so Claudia Brey, die ihren persönlichen Ausgleich sowohl bei der Familie als auch mit ihrem Pferd beim Reiten finden kann. Im Unternehmen selbst setzt sie bewusst auf Chancengleichheit, denn die MitarbeiterInnen sind ihr Potenzial. "Ich fördere Frauen genauso wie Männer - für mich gibt es hier keinen Unterschied." Das glaubt man ihr aufs Wort - sie lebt es schließlich vor.
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. Dezember 2020 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


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AutorSusanne Prosser
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