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Das richtige richtig tun

Compliance und Ethik: Um das Richtige zu tun, gibt es zuallererst einmal Gesetze. Und die gibt es (man könnte es aus unserer Perspektive fast so sagen) schon immer. Um genau zu sein seit 2100 vor Christus. Als erste überlieferte Rechtssammlung gilt der Codex Ur-Nammu aus Mesopotamien. König Nammu wollte darin wichtige Themen wie beispielsweise Mord und Körperverletzung, Eherecht und Scheidung, aber auch Hexerei oder den vergleichsweise ordinären Diebstahl für sein Volk geregelt sehen. An der Grundidee der Gesetze hat sich seither nicht viel geändert. Ihr innerer Aufbau und der Umfang sind es, die unser Rechtssystem hauptsächlich von früheren oder von anderen unterscheidet. Gesetze beschreiben Strukturen, die sich eine Gemeinschaft gibt, um ihr Verhalten zu regeln. Je komplexer die Gesellschaft, desto komplexer auch ihr Gesetzessystem. Im Zusammenhang mit Compliance interessieren uns hauptsächlich die betriebswirtschaftliche Ebene und darüber hinaus noch weitere Auflagen, die sich ein Unternehmen gibt. Im Grunde geht es bei diesem sehr strukturiert abhandelbaren Thema rein um die Einhaltung der Gesamtheit an Regeln in einer Organisation. ##Compliance von Rechts wegen Felix Hörlsberger, Compliance-Experte von DORDA BRUGGER JORDIS erklärt sein Spezialgebiet folgendermaßen: \"Der Begriff Compliance entstammt ursprünglich der englischen Bankensprache und wurde aus der anglo-amerikanischen Terminologie übernommen. Das englische Verb \'to comply with\' wird in der juristischen Fachsprache übersetzt als \'das Verhalten in Übereinstimmung mit und das Einhalten von rechtlichen sowie regulativen Vorgaben\'. Unter Corporate Legal Compliance versteht man die Gesamtheit aller zumutbaren Maßnahmen, die das regelkonforme Verhalten eines Unternehmens, seiner Organisationsmitglieder und seiner Mitarbeiter in Hinblick auf alle gesetzlichen Ge- und Verbote begründen. Die Erfüllung bzw. Konformität umfasst staatliche Restriktionen, Regeln und Spezifikationen sowie ethische und moralische Grundsätze, aber auch Standards und Richtlinien wie zum Beispiel ISO-Standards.\" Normalerweise ergibt sich aus der gewöhnlichen Leitung eines Unternehmens die Notwendigkeit, Compliance-Maßnahmen und Kontrollen durchzuführen. Andernfalls kann es zu einer (zivilrechtlichen) Haftung des Managements kommen. Ob ein Compliance-System eingerichtet wird und in welcher Form, ist in Gesellschaften mit begrenzter Haftung eine Ermessensentscheidung der Geschäftsführung. In Kapitalgesellschaften sieht die Sache schon wieder anders aus. Dort gibt es klare Anforderungen hinsichtlich Umfang und Transparenz an das System der Compliance. Die generelle internationale Zunahme von Compliance-Programmen findet ihren Ursprung in den stetig wachsenden Anforderungen und Standards. Diese Neuerungen werden dann von den Unternehmen im Sitzstaat auf ihre im Ausland tätigen Tochtergesellschaften übertragen. Des Weiteren fordern Investoren und internationale Unternehmen von ihren Vertragspartnern oftmals die grenzüberschreitende Einhaltung der Compliance-Vorschriften aus dem Sitzstaat. Allerdings hat das System seine Grenzen, wenn es Richtung Ethik geht - denn hohe Provisionszahlungen können als sehr unethisch empfunden werden, sind aber unter gewissen Voraussetzungen legal. \"Klassische Vermittlungsprovisionen, wie sie bei Immobilienmaklern unumstritten sind, können auch in vielen anderen Bereichen und selbst für sehr hohe Beträge legal festgelegt werden, sofern genau definiert ist, für welche Leistung die Zahlung zu erfolgen hat. Nicht mehr rechtskonform wird es allerdings dann, wenn etwa einem Beamten eine Erfolgsprovision in Aussicht gestellt wird, um eine Genehmigung zu erwirken\", so Hörlsberger über die Ebene der Ethik. Und über die Zukunft der Compliance resümiert er: \"Vorangetrieben wird die Entwicklung von Compliance durch verschärfte Gesetze in Europa und den sich stets erhöhenden Druck der Öffentlichkeit. Es reicht nicht mehr aus, dass die Strafverfolgungsbehörden die Augen vor den Vergehen verschließen. Genügte es früher, dass die Führungskräfte von Verstößen ihrer Mitarbeiter nichts wussten, sind sie heute dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass geltende Gesetze auf allen Ebenen des Unternehmens eingehalten werden.\" Soweit zum System. Aber wie wird dies in den österreichischen Unternehmen gesehen und gehandhabt, die verpflichtet sind, ihre Geschäftsgänge konform und transparent auszuführen? Wir haben Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer von der Bundesimmobilien Gesellschaft BIG, Clemens Billek, verantwortlich für Beteiligungsmanagement, IR und Compliance bei conwert, Karl Bier, Vorstandsvorsitzender der UBM, und Friedrich Wachernig, Vorstand der S IMMO, im Detail dazu befragt und bedanken uns für das offene Gespräch! [b]Welche besonderen Anforderungen gilt es, im Rahmen der Compliance in Ihrem Unternehmen zu erfüllen?[/b] Bier: \"Börsennotierte Aktiengesellschaften sind gesetzlich verpflichtet, Compliance formell einzurichten. Compliance signalisiert dem Kapitalmarkt Vertrauenswürdigkeit. Und Vertrauen in ein Unternehmen ist wiederum die Basis für eine langfristig erfolgreiche Börsennotierung. Deswegen nimmt UBM die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ernst und beugt mit ihrem Compliance-System Verstößen vor. Publizität und Transparenz dienen in erster Linie dem Anlegerschutz und sollen - wie schon gesagt - Vertrauen schaffen. Wer Geld investiert und UBM-Aktien kauft, soll auch wissen, was in ,seinem\' Unternehmen passiert. Es gilt, unter allen Mitarbeitern das Bewusstsein und das persönliche Bedürfnis hervorzurufen, verantwortungsvoll mit internen Informationen und Gütern \'ihres Unternehmen\' umzugehen und diese nicht zum Zwecke der persönlichen Bereicherung rechtswidrig zu verwenden. Dies soll nicht allein durch Aufklärung über die strafrechtlichen Konsequenzen erreicht werden, sondern mehrheitlich durch Freude am verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Aufgabenbereich erfolgen.\" Billek: \"Compliance hat verschiedene Facetten. Die Kapitalmarkt-Compliance soll die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts gewährleisten und das Vertrauen von Investoren und Anleger fördern. Wesentliches Ziel sind die Hintanhaltung von Insiderhandel und die Sicherstellung der gleichmäßigen Information des Kapitalmarkts - unter anderem durch Ad-hoc- und Directors\'-Dealings-Meldungen. Business Compliance soll ein Fairplay im Umgang zwischen Unternehmen, Mitarbeitern und Geschäftspartnern und die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sicherstellen. Dazu gehören sowohl eine Bewusstseinsbildung beim Thema Korruption als auch eine Vorselektion bei Geschäftspartnern nach Sicherheitsstandards und sozialen und ökologischen Kriterien. Dabei ist nicht nur ein gutes Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern auch eine genaue Kenntnis des Unternehmens und eine entsprechende Kommunikation wichtig. Compliance lebt vom Bewusstsein und der Haltung der einzelnen Mitarbeiter zu diesem Thema.\" Weiss: \"Das Thema Compliance als Teil der Corporate Governance ist elementarer Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Allerdings unterliegt die BIG als Gesellschaft der Republik Österreich im Gegensatz zu vergleichbaren Unternehmen mit privaten Eigentümern einerseits dem Vergaberecht und darüber hinaus noch speziellen gesetzlichen Regelungen. Diese Bestimmungen sind einzuhalten.\" Wachernig: \"Die mit einer Börsennotierung verbundenen, gesetzlich vorgegebenen Anforderungen im Bereich der Kapitalmarkt-Compliance sind nicht zu unterschätzen. Insbesondere Kapitalmarktaktivitäten werden dadurch noch komplexer, was gerade für relativ kleine und schlanke Unternehmen besondere Herausforderungen mit sich bringt. Im vergangenen Jahr waren wir aufgrund einer Vielzahl von Kapitalmarkt-Maßnahmen verstärkt damit konfrontiert und sind stolz darauf, alle Anforderungen gemeistert und die Anleihen sehr erfolgreich platziert zu haben. Auch im Bereich der Finanzberichterstattung hat sich der Aufwand für Börsennotierte in den letzten Jahren massiv erhöht, hier sei als Beispiel nur die Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR) genannt. Ganz grundsätzlich lässt sich sagen, dass die S IMMO als in der Immobilienbranche tätiges Unternehmen mit einer Fülle von unterschiedlichsten Normen konfrontiert ist, die konstant zunimmt. Diese einzuhalten, ist nicht nur unsere Aufgabe, sondern auch eine Pflicht unseren Aktionären gegenüber.\" [b]Wie spiegelt sich das im Unternehmensalltag wider?[/b] Weiss: \"Jeder Mitarbeiter muss die entsprechenden Schulungen absolvieren. Gesetze können aber nicht in jedem Fall Hausverstand ersetzen. Bewusstseinsbildung ist uns daher sehr wichtig.\" Bier: \"Den Mitarbeitern wird jederzeit die Möglichkeit geboten, mit dem Complianceverantwortlichen, abseits der gesetzlichen Notwendigkeiten, den jeweils eigenen Compliancebereich, dessen Erfordernisse und Einschränkungen zu diskutieren und Maßnahmen kritisch zu hinterfragen.\" Wachernig: \"Hier sind vor allem die Besonderheiten der jeweiligen Organisationsstruktur zu beachten. Als eher kleines Unternehmen können wir Dinge oft überdurchschnittlich effizient lösen. Korruptionsrisiken lassen sich zum Beispiel aufgrund der Unternehmensgröße weitgehend vermeiden. Wir haben zudem eine exzellente Rechtsabteilung, die sämtliche Unternehmensbereiche hierzu berät und unterstützt.\" Billek: \"Durch regelmäßige Schulungen werden die Mitarbeiter für das Thema Compliance sensibilisiert und einer Verunsicherung betreffend was-darf-ich-was-darf-ich-nicht entgegengewirkt. Dabei helfen einheitliche Regeln und regelmäßige Auffrischungen, um die Awareness für Compliance zu fördern und bestehende Fragen zu klären. conwert hat beispielsweise neben einer Compliance-Richtlinie einen Verhaltenskodex für die Mitarbeiter eingeführt. Geschäftspartner haben einen Geschäftspartnerkodex zu unterfertigen, der verschiedene ethische, ökologische und soziale Kriterien enthält. Für größere Projekte - wie beispielsweise den Kauf oder Verkauf von größeren Immobilienportfolios - werden projektbezogene Vertraulichkeitsbereiche eingerichtet und die involvierten Personen auf Konsequenzen von Insiderhandelsvergehen aufmerksam gemacht.\" [b]Welche Prozesse haben Sie für die Dokumentation verankert?[/b] Weiss: \"Vor allem die Auftragsvergaben sind im BIG-Konzern akkurat über Richtlinien geregelt. Hier gibt es - über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus - exakte unternehmensinterne Vorgaben und daher auch keine Unklarheiten.\" Billek: \"Die Mitarbeiter werden regelmäßig mit Aussendungen über Sperrfristen und Änderungen der gesetzlichen und betriebsinternen Rahmenbedingungen informiert. Für die Mitarbeiter von conwert finden regelmäßig Compliance-Schulungen statt. Compliance-Meldungen können persönlich, via E-Mail oder über die eigens eingerichtete Hotline getätigt werden. Compliance-Vorfälle werden dokumentiert. Es gibt regelmäßig Stichproben im Hinblick auf Einhaltung der Compliance-Vorschriften.\" Bier: \"Alle Tätigkeiten im Rahmen der Compliance werden sowohl in einer physischen als auch durch digitale Ablage dokumentiert. Sämtliche wesentlichen compliancerelevanten Informationen werden den Mitgliedern der jeweiligen Vertrauensbereiche schriftlich übermittelt und die Kenntnisnahme von diesen ebenfalls schriftlich bestätigt. Im Rahmen von Compliance-Schulungen werden Protokolle erstellt, die von den jeweils teilnehmenden Mitarbeitern unterfertigt werden.\" Wachernig: \"Was in welchem Ausmaß und Detail zu dokumentieren ist, gestaltet sich ganz unterschiedlich. Im Bereich der Emittenten-Compliance gibt es konkrete Regelungen, die den Prozess vorgeben. Eine angemessene und sinnvolle Dokumentation wird über unsere geschulten und hochqualifizierten Mitarbeiter sichergestellt.\" [b]Was sind dabei die besonderen Herausforderungen?[/b] ­Wachernig: \"Compliance - vor allem am Kapitalmarkt - erfordert große Präzision, Disziplin sowie personelle und zeitliche Ressourcen. Außerdem ist es wichtig, verlässliche, hochqualifizierte Mitarbeiter zu haben, die in der Materie stets auf dem neuesten Stand bleiben. Compliance ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmensstrategie und als solcher nehmen wir die jeweiligen Herausforderungen gerne an.\" Weiss: \"Die Übernahme neuer Regelungen in eine Unternehmenskultur dauert immer eine gewisse Zeit. Der optimale Zugang ist ja nicht, etwas zu tun, weil es vorgeschrieben ist, sondern der Sinn dahinter erkannt wird.\" Billek: \"Zunächst ist die Komplexität des Themas Compliance hervorzuheben, das Kenntnisse in vielen verschiedenen Rechtsgebieten erfordert. Darüber hinaus ist die Vermittlung der Bedeutung von Compliance in einem größeren Konzern immer ein kommunikativer Kraftakt, um tatsächlich alle betroffenen Mitarbeiter zu erreichen und im Konzern ein Bewusstsein für Compliance zu schaffen. Dabei gilt es insbesondere, den Mehrwert von Compliance für das Unternehmen und die Mitarbeiter zu vermitteln. Eine wichtige Rolle für das Compliance-Verständnis spielt natürlich immer die Vorbildfunktion der Vorgesetzten. Die regelmäßig stattfindenden Schulungen müssen den doch oft trockenen juristischen Inhalt in einladender und eingängiger Form vermitteln, um alle Mitarbeiter zu erreichen. Dabei geht es nicht um die bloße Weitergabe von Wissen über die verschiedenen Regelwerke, sondern um die Vermittlung der Unternehmenswerte und um Bewusstseinsbildung. Nur so kann sich ein flächendeckendes Compliance-Verständnis entwickeln.\" Bier: \"Die Umsetzung der strengen Handlungsvorschriften für börsennotierte Unternehmen erfordert klare organisatorische Maßnahmen und stellt hohe Anforderung an Dokumentation und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen. Diesen Herausforderungen stellen wir uns zum Schutz unserer Anleger gerne. Sich ,compliant\' zu verhalten, ist eine Selbstverständlichkeit für uns. Dass wir den Anforderungen gewachsen sind, zeigt das tadellose Bild der UBM in der Vergangenheit.\" «
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. Juni 2015 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


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AutorBarbara Bartosek
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