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Das Schweinchen im Passivhaus
Back to basics ist auch in der Baubranche kein unbekanntes Konzept. Jetzt widmet sich auch eine Forschungsgruppe der Kombination von alt und neu: Passivhaus mit Naturdämmung.
Ein altbekanntes Märchen neu erzählt: Es waren einmal drei kleine Schweinchen. Alle drei waren in der Baubranche tätig und auf der Suche nach soliden Baustoffen und effizienten Dämmmaterialien. Während die anderen beiden Schweinchen mit Holz und Stein versuchten, den Passivhausstandard zu erreichen, setzte das dritte Schweinchen auf einen ganz anderen Dämmstoff: Stroh. Die anderen Schweinchen lachten es aus und sagten: „Warte nur! Der BauaufsichtsWolf wird kommen und dann wird er husten und pusten – und dein Haus wird keinen Tag überstehen.“ Doch das Schweinchen ließ sich nicht beirren. Und der Wolf kam. Er hustete und pustete – und bescheinigte dem Strohhaus schließlich Passivhausstandard. Und wenn das kleine Schweinchen nicht gestorben ist, dann erfreut es sich noch heute am angenehmen Raumklima.
## Strohballen-Passivhaus und Lehrbaustelle in Böheimkirchen
Dass Märchen wie dieses tatsächlich wahr werden können, dafür hat eine Lehrbaustelle der GrAT – Gruppe Angepasste Technologie – in Böheimkirchen den Beweis angetreten. Dort erprobt der Verein der TU Wien die Verwendung von Naturmaterialen wie Stroh, Schilf oder Lehm bei thermischen Sanierungen im Rahmen des Projektes Renew Building. Zielsetzung sei vor allem Weiterbildung, erklärt Projektkoordinator Stefan Prokupek: „Wir zielen vor allem darauf ab, bestimmte Zielgruppen wie Planer, Architekten, aber auch ausführende Unternehmen im Bereich des ökologischen Dämmens mit diesen Materialien bekannt zu machen.“ Die Vorteile solcher Naturmaterialien lägen vor allem im Bereich der grauen Energie und der Entsorgungsszenarien, da sie ökologisch abbaubar seien.
Auf derselben Lehrbaustelle entstand 2006 auch eine Neuerrichtung, an der nachhaltiges Bauen erprobt wurde: das S-House, ein Strohballen-Passivhaus, in dem zu Demonstrations- und Forschungszwecken verschiedene nachhaltige Konstruktionsweisen angewandt wurden. Die gesamte Konstruktion enthält fast keine metallischen oder fossilen KunststoffKomponenten. Eine modulare Massivholz-Strohballen-Konstruktion bildet die Außenhülle, das gesamte Gebäude (auch Decken und Bodenelemente) ist in den Naturdämmstoff eingepackt. Das S-House steht auf Punktfundamenten, die für einen erleichterten Rückbau in Folie eingegossen sind. Der Aushub wird wiederum für die außenliegende Lehmputzschicht auf den Strohballen verwendet. Diese dient zur Verbesserung des Brandschutzes und hilft beim Abtransport von Feuchte aus dem Stroh. Der Putz wird direkt auf die Strohballen gespritzt, wo er auf der unebenen Oberfläche leichter Halt findet, den Abschluss der Fassade bildet eine Holzverschalung. Das Dach ist mit einer Kautschukmembran gedeckt und begrünt. Zu Forschungszwecken wurden neben den Strohballenwänden auch Wandaufbauten aus anderen „Nawaros“ – nachwachsenden Rohstoffen – eingesetzt: Dämmstoffe aus Hanf, Flachs, Schafwolle, Schilfrohr und Zellulose. Unterschiedliche Oberflächenmaterialien wie Putze, Holzverschalungen und Textilien können fachgerecht verbaut auf der Lehrbaustelle sowie innerhalb der Materialausstellung im S-HOUSE besichtigt werden. Für das – im Passivhaus so essentielle – regulierte Raumklima sorgt ein mechanisches Be- und Entlüftungssystem mit einer Innenoberfläche aus Zirbenholz, das sich durch seine Resistenz gegen Bakterien auszeichnet.
## Kein Strohfeuer
Wer an das Strohhaus denk, dem wird bald auch das „Strohfeuer“ in den Sinn kommen – sind doch die getrockneten Getreidehalme nicht gerade für ihre Feuerfestigkeit bekannt. Doch ganz so schlimm ist es nicht: „Strohballen, die zur Dämmung eingesetzt werden – mit einer Dichte von mindestens 100 Kilogramm pro Kubikmeter –, sind Baustoffklasse B2 (oder E nach dem neuen Eurocode), also normal brennbar“, erklärt Stefan Prokupek. Das könne man im Rahmen eines einfachen Entflammbarkeitstests nachweisen: „Ein Prüfkörper, der vom Aufbau her einem Dämmballen entspricht, wird für eine gewisse Zeit mit einem Bunsenbrenner beflammt. Dabei kommt es zu einer oberflächlichen Verkohlung, die das Innere des Ballens vor weiterer Verbrennung schützt.“ Auch bräuchten Strohballen keine weiteren Zusatzstoffe, wenn sie dicht genug gepresst seien, da aufgrund der hohen Dichte die wenigen Lufteinschlüsse dem Feuer „nicht genug Nahrung“ bieten.
Preislich könne die ökologische Variante mit konventionellen Konstruktionsweisen durchaus mithalten, so Prokupek. So seien zwar die Materi- alkosten für die Naturmaterialien sehr günstig, Verarbeitung und Einbringung seien aber (noch) aufwendig und daher teuer – wiederum abhängig von der Konstruktionsweise, weshalb man keine genauen Zahlen nennen möchte.
Eine Zukunftsperspektive stellt das Strohballen-Passivhaus laut Prokupek also durchaus dar: „Mit einer Strohballen Dämmung wie im S-House können wir den Passivhaus-Standard auf ökologische Weise sehr gut realisieren, was für die Bauindustrie durchaus ein interessantes Modell darstellt“, so der Wissenschaftler. „Im Sanierungsbereich ist es zwar so, dass die bauphysikalischen Vorteile groß sind, wir erleben aber, dass noch sehr wenig Akzeptanz bei Planern und Ausführern vorhanden ist.“ Es bleibt also abzuwarten, ob auch die Baubranche irgendwann dem innovativen Schweinchen folgen und dem hustenden, pustenden Wolf mit Stroh trotzen wird. «
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AutorBarbara Wallner
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