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Der ewige Retter, der nicht immer kam
Portrait | Mohamed Bin Issa Al Jaber
Er agierte meist wie ein Retter – und hinterließ auch schon mal Trümmer. Der austro-saudische Milliardär Mohamed Bin Issa Al Jaber trat in Österreich mit großen Versprechen auf. Rettung für die AUA, Kneissl-Ski, Backhausen. Was blieb, sind Negativschlagzeilen. Und ein Mann, der sich selbst nie infrage stellte. Auf den Spuren eines Investors, dessen Macht vor allem in seiner Geschichte liegt.
Eigentlich hätte es ihm zu denken geben sollen, sofern diese Legende stimmt: Damals, im November 1984, als ein gewisser Herr Hofbauer aus Wien 400.000 Schilling von einem saudischen Geldgeber für ein paar Rolex-Uhren kassierte – und diese nie lieferte. Kein Gold, keine Uhr, kein Geld zurück. Hofbauer behauptete, selbst getäuscht worden zu sein. Der angeklagte Betrug landete vor Gericht, das Geld war verloren. Der Geschädigte? Ein damals weitgehend unbekannter Mann mit großem Namen: Mohamed Bin Issa Al Jaber.
Große Pläne
Ein halbes Leben später steht der Name Al Jaber in Österreich für große Pläne, noch größere Schlagzeilen – und eine Spur auch schon mal geplatzter Versprechen, Diskussionen um gelegentlich offene Rechnungen und Prozesse, die sich über Jahrzehnte zogen. Und doch: Der Mann besitzt das Grand Hotel Wien, war Eigentümer der Skifirma Kneissl, wollte einst die AUA retten und träumte von einem Luxushotel im Palais Schwarzenberg und auch dem Hotel The Ring. Ein Mann zwischen Glanz und Gläubigerschutz.
Geboren 1959 in Dschidda, stammt Al Jaber aus einer wohlhabenden Familie mit jemenitischen Wurzeln. Früh zieht es ihn nach London zum BWL-Studium. Er ist clever, eloquent, und bald gelingt ihm der Einstieg ins internationale Geschäft. Seine Firmengruppe MBI International umfasst heute Beteiligungen in der Hotellerie, im Lebensmittelhandel, im Immobiliensektor und sogar in der Erdölwirtschaft. Doch während er in Frankreich, Portugal oder Saudi-Arabien als Hotelier punktet, bleibt sein Kapitel Österreich das widersprüchlichste. Denn seine unternehmerische Bilanz hierzulande liest sich abwechslungsreich. In Österreich wurde Al Jaber zur Projektionsfläche für Hoffnungen. Kneissl, Backhausen, AUA, Palais Schwarzenberg, Hotelprojekt Kärntnerstraße – für Al Jaber lief das alles nicht so gut.
Liebe zu Österreich
In Interviews betont er seine Liebe zu Österreich, seine Bewunderung für europäische Traditionen, seine Rolle als Brückenbauer zwischen Kulturen. Freilich: Es gab auch Zahlungszusagen, die nicht eingehalten worden sein sollen. Klagen, die ausufernd wurden. Projekte, die sang- und klanglos endeten. Was Al Jaber von anderen Investoren unterscheidet, ist seine Fähigkeit zur Re-Inszenierung. Scheitert ein Projekt, wird nicht abgetaucht, sondern ein neues eröffnet. Strukturreform? Gescheiterte Beteiligungen? Wohl auch, aber seit Jahrzehnten bleibt er trotz aller Turbulenzen im Spiel.
Philanthrop
International ist sein Ruf differenzierter. Im arabischen Raum ist er als diskreter Philanthrop bekannt. Seine MBI Al Jaber Foundation fördert seit Jahren Bildungsprogramme im Nahen Osten. In der Golfregion besitzt er Immobilien, Hotels, beteiligt sich an Infrastruktur und Ernährungssicherung. Die AJWA Group etwa gehört zu den größten Reis- und Speiseölproduzenten der Region. Die Öffentlichkeit dort nimmt ihn als wohlhabenden Patriarchen mit kosmopolitischem Flair wahr – nicht als ausländischen Investor mit Liquiditätsproblemen. Und so wie es aussieht, wird dort auch tatsächlich Geld verdient.
Die Unterschiede in der Wahrnehmung sind frappierend: Während man ihn in Wien misstrauisch beäugt, gilt er in Riad als honoriger Geschäftsmann mit internationalen Ambitionen. Dieser Bruch ist nicht zufällig – er ist Ergebnis eines wirtschaftlichen wie kulturellen Missverständnisses. In Österreich zählt die pünktlich bezahlte Rechnung, nicht die angekündigte Vision. In der Golfregion zählt der persönliche Ruf, nicht das Liquiditätsrating. Al Jaber bewegt sich zwischen diesen beiden Welten – und manchmal scheinen sie unvereinbar. In Wien kommt hinzu: Er ist einer der wenigen arabischen Investoren mit österreichischem Pass. Er ist also kein Fremder im klassischen Sinn. Und doch wurde er über Jahre hinweg wie ein solcher behandelt. Das hat seine Verteidigungshaltung verstärkt. Immer wieder ließ er über seine Anwälte erklären, man wolle ihm bewusst schaden. Und dann ist da noch das Grand Hotel bzw. die Ringstrassen-Gallerien. Für viele ist es das sichtbarste Symbol für Al Jabers Wirken in Österreich. Ein historischer Prachtbau, zentral gelegen, voller Geschichte. Über das Vermögen der Erste Wiener Hotel AG, Eigentümerin eines Teils des ehemaligen Ringstraßengalerien-Komplexes in Wien, ist ein Konkursverfahren eröffnet worden. Das Grand Hotel am Kärntner Ring selbst, das einer Tochtergesellschaft der Erste Wiener Hotel AG gehört, sei von der Insolvenz nicht betroffen, betonte Al Jaber rasch. Vielleicht ist genau das der Kern von Al Jabers Geschichte: Sie steht exemplarisch für eine Art von Globalisierung, die an ihren eigenen Versprechungen zu scheitern droht. Investoren wie er kamen einst mit der Aura des Unbegrenzten, der Mittel und Möglichkeiten. Doch in der Wirklichkeit europäischer Wirtschaftssysteme gelten andere Regeln. Und so sind viele Projekte, die als Brückenschläge gedacht waren, zu Stolpersteinen geworden. Al Jaber ist vielleicht kein klassischer Investor. Eher: Visionär und Verwalter, Politiker und Kapitalist, Repräsentant und Rückzieher. Aber auch einer, der immer wieder mit neuen Projekten zurück kommt. Und immer wieder mit der gleich starken, neuen Energie.
Mann mit vielen Gesichtern
Neben seiner ökonomischen Biografie bleibt auch die private Figur Al Jaber faszinierend. Vieles bleibt im Unklaren. Interviews über seine Familie, seine Kinder oder seine Wohnorte sind selten und vage. Gesichert scheint: Er besitzt mehrere Immobilien in Europa, pendelt zwischen Paris, Wien, Jeddah und Lissabon. Seine Tochter Mashael wurde mehrfach als künftige Nachfolgerin ins Spiel gebracht – doch ihr öffentlicher Auftritt ist kaum mehr als symbolisch. Die Familie sucht das Rampenlicht nicht. Was auch auffällt: Trotz all der Rückschläge in Österreich hat sich Al Jaber nie vollständig zurückgezogen. Im Gegenteil. Selbst nach dem Rückzug aus dem Projekt Palais Schwarzenberg, selbst nach den Turbulenzen mit Backhausen und Kneissl, selbst nach seinem Scheitern mit der AUA – immer wieder war er bereit, erneut Kapital in die Hand zu nehmen, erneut Gespräche zu führen, erneut Hoffnung zu schüren. Die Frage nach dem Warum ist wohl nicht so einfach zu beantworten.
Vielleicht ist es das Zusammenspiel mehrerer Motive, das ihn antreibt. Eitelkeit kann es bei einem, der im arabischen Raum so hoch angesehen ist, wohl kaum sein, warum jemand über Jahrzehnte hinweg in einem Land investiert, das ihn regelmäßig vor Gericht zitiert. Überzeugung allein kann nicht erklären, warum zentrale Versprechen nicht eingehalten werden. Prinzipientreue allein reicht nicht aus, um die Vielzahl von Rückzügen, Neuanfängen und Strategieänderungen zu verstehen. Al Jaber ist ein Widerspruch auf zwei Beinen – und genau das macht ihn so schwer greifbar und jedenfalls faszinierend.
Politische Verbindungen
Neben seinen wirtschaftlichen Aktivitäten verstand es Al Jaber wie kaum ein anderer, politische Kontakte zu nutzen – nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Europa. Eine seiner bemerkenswertesten Rollen spielte er 2012 bei der Auslieferung von Abdullah al-Senussi, dem ehemaligen libyschen Geheimdienstchef unter Muammar al-Gaddafi. Al Jaber vermittelte hinter den Kulissen zwischen mauretanischen und libyschen Stellen. Dass ein österreichisch-saudischer Investor in eine der heikelsten diplomatischen Operationen jener Zeit involviert war, zeigt: Dieser Mann operiert nicht nur mit Kapital, sondern mit Beziehungen, die weit über den üblichen Horizont hinausgehen.
Sein Netzwerk reicht tief in politische Eliten: nach Paris, nach Riad, nach Tripolis. Er hat bzw. seine Stiftungen haben Kontakte zu europäischen Adelshäusern, er selbst ist auf hochrangigen Konferenzen präsent, wo andere noch um Einladungen kämpfen. Doch mit zunehmender Dauer seiner öffentlichen Präsenz verändert sich auch das Bild: Aus dem geschätzten Investor wird ein strategischer Netzwerker, aus dem philanthropischen Gastgeber ein stiller Machtspieler. Seit Jahren investieren Akteure aus dem arabischen Raum in europäische Immobilien, Fußballvereine und Luxusmarken. Katar, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate – sie alle haben Milliarden in Europa platziert. Doch Al Jaber unterscheidet sich von diesem Typus. Er ist kein Staatsfonds-Manager, kein königlicher Beauftragter, kein Ölprinz mit PR-Beratern. Er ist ein Selfmademan mit diplomatischer Schulung, ein Einzelunternehmer mit imperialem Anspruch.Diese Unabhängigkeit ist sein Kapital – aber auch seine Schwäche. Während saudische Fonds bei Zahlungsausfällen nie in Erklärungsnot geraten, trifft Al Jaber jeder mediale Rückschlag persönlich. Er agiert nicht als Teil eines Systems, sondern als Einzelakteur. In Österreich führte genau das zu einem gewissen Reputationsverlust.
Symbolfigur eines Wirtschaftskonflikts
Wenn man das Kapitel Al Jaber in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte einordnet, dann nicht nur als Einzelfall. Er steht vielmehr stellvertretend für einen Kulturkonflikt zwischen zwei Wirtschaftslogiken: der mitteleuropäischen Ordnungsliebe und der arabischen Flexibilität, dem Papiervertrag und dem Handschlag, der schriftlich fixierten Zusage und dem mündlich zugesagten Vertrauensbeweis. Dieser Konflikt wurde nie offen verhandelt – aber er war stets präsent. Bei der AUA, bei Kneissl, bei Backhausen, beim Grand Hotel. In jedem dieser Fälle ging es nicht nur ums Geld, sondern auch um das Verständnis von Verlässlichkeit, Ehre, Tempo und Kommunikation. Al Jaber versuchte, mit einer Form von Souveränität zu operieren, die im Wiener Geschäftsleben auf Unverständnis stieß. Und so scheiterte nicht nur der Unternehmer, sondern auch das System, das er mitbrachte.
Heute – zwei Jahrzehnte nach seinem ersten Auftreten – ist Al Jaber ein Fallbeispiel in Wirtschaftsjournalismus und Investmentanalysen. Seine Geschichte taucht in Studien über Investitionskultur auf, wird in Vorträgen zitiert, in Lehrbüchern erwähnt. Vielleicht liegt darin seine späte Relevanz: Er hat nicht nur investiert – er hat Wirtschaft sichtbar gemacht. Als Bühne. Als Konflikt. Als Symbol.
Die stille Macht
Ein wesentliches Puzzlestück in der Geschichte Al Jabers ist seine Firmengruppe MBI International. Gegründet in den frühen 1990er-Jahren, umfasst sie heute ein weitverzweigtes Konglomerat aus Hotellerie, Immobilien, Agrarwirtschaft, Bildung und Energie. Die bekannteste Tochtergesellschaft betreibt Luxushäuser in Frankreich, Großbritannien, Österreich und Portugal. Daneben agieren Firmen für die Lebensmittelproduktion im Nahen Osten und Continentoil im Öl- und Gasgeschäft. Der Aufbau dieses Imperiums erfolgte nicht linear, sondern in Wellen. Viele Beteiligungen wurden nach der Jahrtausendwende eingekauft, andere kamen über notleidende Firmen in sein Portfolio. Gerade in Österreich nutzte Al Jaber wiederholt Situationen, in denen Traditionsunternehmen in Schieflage gerieten – Kneissl, Backhausen, Grand Hotel. Immer war die Hoffnung groß, er könne mit Kapital und internationalem Netzwerk retten, was sonst keiner konnte. Das indessen gelang eben nicht immer. Wie aber finanzierte Al Jaber diese teuren Vorhaben? Hat er Milliardenreserven in bar? Oder sind es Kredite, gestützt durch andere Sicherheiten? Die Antwort ist: beides – und noch mehr. Laut öffentlich zugänglichen Dokumenten betrugen die globalen Verbindlichkeiten seiner Gruppe im Jahr 2012 rund 1,8 Milliarden Euro. Bis Ende 2013 wurde dieser Schuldenstand auf 300 Millionen reduziert – laut eigener Angabe durch Rückführungen und Umschuldungen. Allein in Österreich sank das Bankenobligo von 190 auf 85 Millionen Euro.
Auffällig ist, dass Al Jaber auch nach öffentlich gewordenen Zahlungsausfällen weiterhin Kredite erhielt – nicht nur von Privatbanken, sondern auch von Landesbanken. Warum? Hier kommt das Immobilienportfolio ins Spiel. Neben Hotels besitzt Al Jaber auch lukrative Liegenschaften an der Wiener Ringstraße oder Resortflächen in Portugal. Diese Objekte dienten offenbar immer wieder als Sicherheit für neue Finanzierungen. Doch es gibt noch eine weitere Erklärung: Vertrauen. So widersprüchlich es klingen mag – trotz vieler angeblich gebrochener Zusagen vertrauten Banken und Geschäftspartner seinem Wort oft mehr als vertraglichen Fristen. Man setzte auf seinen Namen, seine Kontakte, seine Rolle als Mittler zwischen den Welten. Auch seine politische Sichtbarkeit – etwa in der libyschen Auslieferungsaffäre – trug zu diesem Nimbus bei. Wer mit Staatschefs verhandelt, dem traut man auch die Rettung einer Skifirma zu.
Diese Strategie war riskant – und funktionierte auch nicht immer. So soll es zu verspäteten Zahlungen bei Backhausen und Kneissl gekommen sein. Bei der AUA platzte der ganze Deal. Und alle drei sind nicht mehr in seinem Besitz oder waren es nie. Dennoch ließ sich Al Jaber davon nie beirren. Vielmehr wandelte er wirtschaftliche Rückschläge in Erzählungen über politische Widerstände und Missverständnisse um. Seine Firmenstruktur ist bis heute komplex, mit Holdings in Wien, London und auf Offshore-Standorten. Transparenz war nie seine Stärke.
Heute gilt MBI International als schlanker, aber stabil. Der operative Fokus liegt auf Hotels, Immobilien und wenigen strategischen Beteiligungen. Die ganz großen Übernahmen bleiben aus, doch ein Rückzug ist nicht zu erkennen. Al Jaber hat gelernt, kleiner zu denken – aber weiterhin global zu handeln. Sein Imperium ist keine Erfolgsgeschichte im klassischen Sinn, eher eine Sammlung von Lektionen. Aber gerade darin liegt seine Wirkung.
Große Pläne
Ein halbes Leben später steht der Name Al Jaber in Österreich für große Pläne, noch größere Schlagzeilen – und eine Spur auch schon mal geplatzter Versprechen, Diskussionen um gelegentlich offene Rechnungen und Prozesse, die sich über Jahrzehnte zogen. Und doch: Der Mann besitzt das Grand Hotel Wien, war Eigentümer der Skifirma Kneissl, wollte einst die AUA retten und träumte von einem Luxushotel im Palais Schwarzenberg und auch dem Hotel The Ring. Ein Mann zwischen Glanz und Gläubigerschutz.
Geboren 1959 in Dschidda, stammt Al Jaber aus einer wohlhabenden Familie mit jemenitischen Wurzeln. Früh zieht es ihn nach London zum BWL-Studium. Er ist clever, eloquent, und bald gelingt ihm der Einstieg ins internationale Geschäft. Seine Firmengruppe MBI International umfasst heute Beteiligungen in der Hotellerie, im Lebensmittelhandel, im Immobiliensektor und sogar in der Erdölwirtschaft. Doch während er in Frankreich, Portugal oder Saudi-Arabien als Hotelier punktet, bleibt sein Kapitel Österreich das widersprüchlichste. Denn seine unternehmerische Bilanz hierzulande liest sich abwechslungsreich. In Österreich wurde Al Jaber zur Projektionsfläche für Hoffnungen. Kneissl, Backhausen, AUA, Palais Schwarzenberg, Hotelprojekt Kärntnerstraße – für Al Jaber lief das alles nicht so gut.
Liebe zu Österreich
In Interviews betont er seine Liebe zu Österreich, seine Bewunderung für europäische Traditionen, seine Rolle als Brückenbauer zwischen Kulturen. Freilich: Es gab auch Zahlungszusagen, die nicht eingehalten worden sein sollen. Klagen, die ausufernd wurden. Projekte, die sang- und klanglos endeten. Was Al Jaber von anderen Investoren unterscheidet, ist seine Fähigkeit zur Re-Inszenierung. Scheitert ein Projekt, wird nicht abgetaucht, sondern ein neues eröffnet. Strukturreform? Gescheiterte Beteiligungen? Wohl auch, aber seit Jahrzehnten bleibt er trotz aller Turbulenzen im Spiel.
Philanthrop
International ist sein Ruf differenzierter. Im arabischen Raum ist er als diskreter Philanthrop bekannt. Seine MBI Al Jaber Foundation fördert seit Jahren Bildungsprogramme im Nahen Osten. In der Golfregion besitzt er Immobilien, Hotels, beteiligt sich an Infrastruktur und Ernährungssicherung. Die AJWA Group etwa gehört zu den größten Reis- und Speiseölproduzenten der Region. Die Öffentlichkeit dort nimmt ihn als wohlhabenden Patriarchen mit kosmopolitischem Flair wahr – nicht als ausländischen Investor mit Liquiditätsproblemen. Und so wie es aussieht, wird dort auch tatsächlich Geld verdient.
Die Unterschiede in der Wahrnehmung sind frappierend: Während man ihn in Wien misstrauisch beäugt, gilt er in Riad als honoriger Geschäftsmann mit internationalen Ambitionen. Dieser Bruch ist nicht zufällig – er ist Ergebnis eines wirtschaftlichen wie kulturellen Missverständnisses. In Österreich zählt die pünktlich bezahlte Rechnung, nicht die angekündigte Vision. In der Golfregion zählt der persönliche Ruf, nicht das Liquiditätsrating. Al Jaber bewegt sich zwischen diesen beiden Welten – und manchmal scheinen sie unvereinbar. In Wien kommt hinzu: Er ist einer der wenigen arabischen Investoren mit österreichischem Pass. Er ist also kein Fremder im klassischen Sinn. Und doch wurde er über Jahre hinweg wie ein solcher behandelt. Das hat seine Verteidigungshaltung verstärkt. Immer wieder ließ er über seine Anwälte erklären, man wolle ihm bewusst schaden. Und dann ist da noch das Grand Hotel bzw. die Ringstrassen-Gallerien. Für viele ist es das sichtbarste Symbol für Al Jabers Wirken in Österreich. Ein historischer Prachtbau, zentral gelegen, voller Geschichte. Über das Vermögen der Erste Wiener Hotel AG, Eigentümerin eines Teils des ehemaligen Ringstraßengalerien-Komplexes in Wien, ist ein Konkursverfahren eröffnet worden. Das Grand Hotel am Kärntner Ring selbst, das einer Tochtergesellschaft der Erste Wiener Hotel AG gehört, sei von der Insolvenz nicht betroffen, betonte Al Jaber rasch. Vielleicht ist genau das der Kern von Al Jabers Geschichte: Sie steht exemplarisch für eine Art von Globalisierung, die an ihren eigenen Versprechungen zu scheitern droht. Investoren wie er kamen einst mit der Aura des Unbegrenzten, der Mittel und Möglichkeiten. Doch in der Wirklichkeit europäischer Wirtschaftssysteme gelten andere Regeln. Und so sind viele Projekte, die als Brückenschläge gedacht waren, zu Stolpersteinen geworden. Al Jaber ist vielleicht kein klassischer Investor. Eher: Visionär und Verwalter, Politiker und Kapitalist, Repräsentant und Rückzieher. Aber auch einer, der immer wieder mit neuen Projekten zurück kommt. Und immer wieder mit der gleich starken, neuen Energie.
Mann mit vielen Gesichtern
Neben seiner ökonomischen Biografie bleibt auch die private Figur Al Jaber faszinierend. Vieles bleibt im Unklaren. Interviews über seine Familie, seine Kinder oder seine Wohnorte sind selten und vage. Gesichert scheint: Er besitzt mehrere Immobilien in Europa, pendelt zwischen Paris, Wien, Jeddah und Lissabon. Seine Tochter Mashael wurde mehrfach als künftige Nachfolgerin ins Spiel gebracht – doch ihr öffentlicher Auftritt ist kaum mehr als symbolisch. Die Familie sucht das Rampenlicht nicht. Was auch auffällt: Trotz all der Rückschläge in Österreich hat sich Al Jaber nie vollständig zurückgezogen. Im Gegenteil. Selbst nach dem Rückzug aus dem Projekt Palais Schwarzenberg, selbst nach den Turbulenzen mit Backhausen und Kneissl, selbst nach seinem Scheitern mit der AUA – immer wieder war er bereit, erneut Kapital in die Hand zu nehmen, erneut Gespräche zu führen, erneut Hoffnung zu schüren. Die Frage nach dem Warum ist wohl nicht so einfach zu beantworten.
Vielleicht ist es das Zusammenspiel mehrerer Motive, das ihn antreibt. Eitelkeit kann es bei einem, der im arabischen Raum so hoch angesehen ist, wohl kaum sein, warum jemand über Jahrzehnte hinweg in einem Land investiert, das ihn regelmäßig vor Gericht zitiert. Überzeugung allein kann nicht erklären, warum zentrale Versprechen nicht eingehalten werden. Prinzipientreue allein reicht nicht aus, um die Vielzahl von Rückzügen, Neuanfängen und Strategieänderungen zu verstehen. Al Jaber ist ein Widerspruch auf zwei Beinen – und genau das macht ihn so schwer greifbar und jedenfalls faszinierend.
Politische Verbindungen
Neben seinen wirtschaftlichen Aktivitäten verstand es Al Jaber wie kaum ein anderer, politische Kontakte zu nutzen – nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Europa. Eine seiner bemerkenswertesten Rollen spielte er 2012 bei der Auslieferung von Abdullah al-Senussi, dem ehemaligen libyschen Geheimdienstchef unter Muammar al-Gaddafi. Al Jaber vermittelte hinter den Kulissen zwischen mauretanischen und libyschen Stellen. Dass ein österreichisch-saudischer Investor in eine der heikelsten diplomatischen Operationen jener Zeit involviert war, zeigt: Dieser Mann operiert nicht nur mit Kapital, sondern mit Beziehungen, die weit über den üblichen Horizont hinausgehen.
Sein Netzwerk reicht tief in politische Eliten: nach Paris, nach Riad, nach Tripolis. Er hat bzw. seine Stiftungen haben Kontakte zu europäischen Adelshäusern, er selbst ist auf hochrangigen Konferenzen präsent, wo andere noch um Einladungen kämpfen. Doch mit zunehmender Dauer seiner öffentlichen Präsenz verändert sich auch das Bild: Aus dem geschätzten Investor wird ein strategischer Netzwerker, aus dem philanthropischen Gastgeber ein stiller Machtspieler. Seit Jahren investieren Akteure aus dem arabischen Raum in europäische Immobilien, Fußballvereine und Luxusmarken. Katar, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate – sie alle haben Milliarden in Europa platziert. Doch Al Jaber unterscheidet sich von diesem Typus. Er ist kein Staatsfonds-Manager, kein königlicher Beauftragter, kein Ölprinz mit PR-Beratern. Er ist ein Selfmademan mit diplomatischer Schulung, ein Einzelunternehmer mit imperialem Anspruch.Diese Unabhängigkeit ist sein Kapital – aber auch seine Schwäche. Während saudische Fonds bei Zahlungsausfällen nie in Erklärungsnot geraten, trifft Al Jaber jeder mediale Rückschlag persönlich. Er agiert nicht als Teil eines Systems, sondern als Einzelakteur. In Österreich führte genau das zu einem gewissen Reputationsverlust.
Symbolfigur eines Wirtschaftskonflikts
Wenn man das Kapitel Al Jaber in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte einordnet, dann nicht nur als Einzelfall. Er steht vielmehr stellvertretend für einen Kulturkonflikt zwischen zwei Wirtschaftslogiken: der mitteleuropäischen Ordnungsliebe und der arabischen Flexibilität, dem Papiervertrag und dem Handschlag, der schriftlich fixierten Zusage und dem mündlich zugesagten Vertrauensbeweis. Dieser Konflikt wurde nie offen verhandelt – aber er war stets präsent. Bei der AUA, bei Kneissl, bei Backhausen, beim Grand Hotel. In jedem dieser Fälle ging es nicht nur ums Geld, sondern auch um das Verständnis von Verlässlichkeit, Ehre, Tempo und Kommunikation. Al Jaber versuchte, mit einer Form von Souveränität zu operieren, die im Wiener Geschäftsleben auf Unverständnis stieß. Und so scheiterte nicht nur der Unternehmer, sondern auch das System, das er mitbrachte.
Heute – zwei Jahrzehnte nach seinem ersten Auftreten – ist Al Jaber ein Fallbeispiel in Wirtschaftsjournalismus und Investmentanalysen. Seine Geschichte taucht in Studien über Investitionskultur auf, wird in Vorträgen zitiert, in Lehrbüchern erwähnt. Vielleicht liegt darin seine späte Relevanz: Er hat nicht nur investiert – er hat Wirtschaft sichtbar gemacht. Als Bühne. Als Konflikt. Als Symbol.
Die stille Macht
Ein wesentliches Puzzlestück in der Geschichte Al Jabers ist seine Firmengruppe MBI International. Gegründet in den frühen 1990er-Jahren, umfasst sie heute ein weitverzweigtes Konglomerat aus Hotellerie, Immobilien, Agrarwirtschaft, Bildung und Energie. Die bekannteste Tochtergesellschaft betreibt Luxushäuser in Frankreich, Großbritannien, Österreich und Portugal. Daneben agieren Firmen für die Lebensmittelproduktion im Nahen Osten und Continentoil im Öl- und Gasgeschäft. Der Aufbau dieses Imperiums erfolgte nicht linear, sondern in Wellen. Viele Beteiligungen wurden nach der Jahrtausendwende eingekauft, andere kamen über notleidende Firmen in sein Portfolio. Gerade in Österreich nutzte Al Jaber wiederholt Situationen, in denen Traditionsunternehmen in Schieflage gerieten – Kneissl, Backhausen, Grand Hotel. Immer war die Hoffnung groß, er könne mit Kapital und internationalem Netzwerk retten, was sonst keiner konnte. Das indessen gelang eben nicht immer. Wie aber finanzierte Al Jaber diese teuren Vorhaben? Hat er Milliardenreserven in bar? Oder sind es Kredite, gestützt durch andere Sicherheiten? Die Antwort ist: beides – und noch mehr. Laut öffentlich zugänglichen Dokumenten betrugen die globalen Verbindlichkeiten seiner Gruppe im Jahr 2012 rund 1,8 Milliarden Euro. Bis Ende 2013 wurde dieser Schuldenstand auf 300 Millionen reduziert – laut eigener Angabe durch Rückführungen und Umschuldungen. Allein in Österreich sank das Bankenobligo von 190 auf 85 Millionen Euro.
Auffällig ist, dass Al Jaber auch nach öffentlich gewordenen Zahlungsausfällen weiterhin Kredite erhielt – nicht nur von Privatbanken, sondern auch von Landesbanken. Warum? Hier kommt das Immobilienportfolio ins Spiel. Neben Hotels besitzt Al Jaber auch lukrative Liegenschaften an der Wiener Ringstraße oder Resortflächen in Portugal. Diese Objekte dienten offenbar immer wieder als Sicherheit für neue Finanzierungen. Doch es gibt noch eine weitere Erklärung: Vertrauen. So widersprüchlich es klingen mag – trotz vieler angeblich gebrochener Zusagen vertrauten Banken und Geschäftspartner seinem Wort oft mehr als vertraglichen Fristen. Man setzte auf seinen Namen, seine Kontakte, seine Rolle als Mittler zwischen den Welten. Auch seine politische Sichtbarkeit – etwa in der libyschen Auslieferungsaffäre – trug zu diesem Nimbus bei. Wer mit Staatschefs verhandelt, dem traut man auch die Rettung einer Skifirma zu.
Diese Strategie war riskant – und funktionierte auch nicht immer. So soll es zu verspäteten Zahlungen bei Backhausen und Kneissl gekommen sein. Bei der AUA platzte der ganze Deal. Und alle drei sind nicht mehr in seinem Besitz oder waren es nie. Dennoch ließ sich Al Jaber davon nie beirren. Vielmehr wandelte er wirtschaftliche Rückschläge in Erzählungen über politische Widerstände und Missverständnisse um. Seine Firmenstruktur ist bis heute komplex, mit Holdings in Wien, London und auf Offshore-Standorten. Transparenz war nie seine Stärke.
Heute gilt MBI International als schlanker, aber stabil. Der operative Fokus liegt auf Hotels, Immobilien und wenigen strategischen Beteiligungen. Die ganz großen Übernahmen bleiben aus, doch ein Rückzug ist nicht zu erkennen. Al Jaber hat gelernt, kleiner zu denken – aber weiterhin global zu handeln. Sein Imperium ist keine Erfolgsgeschichte im klassischen Sinn, eher eine Sammlung von Lektionen. Aber gerade darin liegt seine Wirkung.
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AutorGerhard Rodler
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