immomedien.at
/ Lesezeit 8 min
Der echte Wiener im dunklen Anzug
Eugen Otto, Geschäftsführer von Otto Immobilien, ist wie kaum ein anderer in der Bundeshauptstadt verwurzelt. Eine Wiener Familien- und Unternehmensgeschichte.
Wer das Bild des „echten Wieners“ vor seinem geistigen Auge mit Bierdose und Feinripp heraufbeschwört, der könnte nicht weiter danebenliegen: Denn mir gegenüber sitzt ein ebenso echter wie begeisterter Wiener im edlen dunklen Anzug am Konferenztisch. Und auch wenn ihn mit dem berühmten „16er Blech“ (alias Ottakringer Bier) so einiges verbindet, so bevorzugt er es wohl eher im Glas. Ich treffe Eugen Otto, Geschäftsführer von Otto Immobilien, in seinem Büro in der Riemergasse im ersten Bezirk – wo nicht nur seine beruflichen Wurzeln liegen.
Schon seine Kindheit hat er in der Riemergasse verbracht, erzählt Otto. Und auch das Unternehmen gab es damals schon, gegründet 1956 als Hausverwaltung von seiner Mutter, Gertrude Otto. Die Geschichte vom Familienunternehmen, das an die nächste Generation weitergegeben wird, kennt man – und doch ist es, zumindest in dieser Generation, zumeist der Vater, der es an den Sohn weitergibt. Was bedeutet es für das Familienleben von vor 35 Jahren, wenn es aber die Mutter ist?
„Unser ganzes Familienleben hat sich im Haus in der Riemergasse 8 abgespielt, es gab einen ständigen Austausch. Mein Großvater kümmerte sich viel um mich, hat mich in den Kindergarten und später zur Schule gebracht“, erzählt Otto vom Familienalltag. „Mittags kam meine Mutter den einen Stock aus dem Büro herunter und es gab ein gemeinsames Mittagessen. Mein Vater, er war Angestellter in der Erste Bank, war jeweils zum Frühstück und Abendessen da.“
Auch das Immobiliengeschäft war noch ein anderes, als Eugen Otto es kennenlernt: Er beschreibt die Hausverwalter als „Patriarchen im Unternehmen“, die hinter mächtigen Schreibtischen sitzend Hof halten und ihre Kunden wie Bittsteller empfangen. „Früher hieß es in Anzeigen oft ,Wohnung zu vergeben‘ – ich darf also gnadenhalber diese Herren Hausverwalter anrufen und wenn ich ganz artig bin und nachweisen kann, dass ich diese Wohnung auch verdiene, dann bekomme ich sie ,vergeben‘. Das war ein klares Verkennen der Situation – damals wie heute ist der Hausverwalter ein Dienstleister.“ Der Führungs- und Arbeitsstil, den Otto von seiner Mutter kennenlernt, ist ein anderer: „Meine Mutter hat dieses Unternehmen mit großer Leidenschaft und großem Enthusiasmus geführt und ich glaube, als Mutter und Frau hat sie das mit größerem Einfühlungsvermögen getan, als ich von vielen ihrer männlichen Zeitgenossen kennengelernt habe.“
Mit ungefähr 15 Jahren beginnt Otto im Sommer in der Firma zu arbeiten, liefert Mietzinsvorschreibungen aus, die damals noch per Hand ausgeführt wurden, macht Hausbegehungen mit der Mutter. In dieser Zeit entdeckt er seine Liebe und seine Faszination für Häuser als Träger von Geschichte. Wien fühlt er sich überhaupt sehr verbunden: Seit 2011 ist Otto Immobilien beispielsweise Sponsor des Burgtheaters und auch der von Eugen Otto publizierte „Wiener Zinshaus-Marktbericht“ entspringt dem Bedürfnis, sich mit Wien und seiner Geschichte auseinanderzusetzen – und in ihren Häusern und ihren Menschen findet Otto „seine“ Stadt immer wieder.
Doch auch wenn man seine Berufung gefunden hat, braucht man eine ordentliche Ausbildung, findet Otto und beginnt, Jus zu studieren. Von der praktischen Arbeit, die er doch sehr viel spannender findet, kommt er allerdings nicht ganz weg und so dauert das Studium ein wenig länger. „Ich glaube, ich habe insgesamt sieben Jahre studiert.“
Den ersten Maklerauftrag bekommt Otto durch Zufall von einer Studienkollegin vermittelt und merkt, dass ihm dies noch um einiges mehr Spaß macht als das Hausverwaltergeschäft – und mehr Geld bringt es auch. Zumindest theoretisch: „Das Maklergeschäft hat sich dann nicht ganz so angelassen, wie der kleine Eugen sich das vorgestellt hat – ich habe gelernt, dass die Kunden nicht von alleine kommen, da heißt es akquirieren, Klinken putzen.“ Nach seinem Eintritt ins mütterliche Unternehmen 1980 betreibt er zehn Jahre lang Hausverwaltung und Makelei parallel und als Gertrude Otto schließlich 1990 in Pension geht, übernimmt er die Geschäftsführung.
Das Unternehmen legt Wert auf den „Otto Stil“, wie ich bei der Vorabrecherche auf der Website erfahre. Was ist das? „Es geht darum, einen hohen Anteil an Menschlichkeit und Empathie zu leben und zu üben, sowohl gegenüber Kunden als auch Kollegen. Man wird nicht notwendigerweise damit geboren, als Dienstleister sowohl die eigenen Bedürfnisse als auch die von anderen zu erkennen und richtig darauf einzugehen. Auch Kollegialität ist ein wichtiger Wert, die Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen, auch wenn die nicht unbedingt zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil sind. Eine intensive Zusammenarbeit funktioniert nur durch Wertschätzung für den anderen und seine Interessen, egal ob derjenige im selben Zimmer oder in einem anderen Land sitzt.“
Dass das nicht immer funktioniert, hat Otto am eigenen Leib schon erfahren müssen. Diese Geschichte erzählt eine kleine Ziegelmauer, die sich unauffällig, aber doch ungewöhnlich links neben der Tür in die Ecke des Konferenzraumes drückt. Bei näherem Hinsehen erkennt man auf jedem der Steine den Namen eines Mitarbeiters. Auch Eugen Otto ist dabei, nicht hervorgehoben, sondern „inter pares“ in einer der unteren Reihen. Auf den untersten Ziegeln liest man „Vertrauen ist das Fundament“.
„Vor einigen Jahren hatten wir eine Vertrauenskrise im Unternehmen, einige Mitarbeiter haben sich nicht so verhalten wie vereinbart. Es waren nur drei oder vier, aber so etwas kann sich gravierend auswirken. Die restlichen 65 Mitarbeiter wollten zum Ausdruck bringen, dass die Firma auch weiterhin eine vertrauensvolle Gemeinschaft ist. Bei der damaligen Weihnachtsfeier kamen also alle Mitarbeiter im Gänsemarsch zu mir und überreichten mir jeder einen Ziegelstein mit dem eigenen Namen darauf.“ Gerührt von der Geste beschließt Otto, die „Vertrauensmauer“ dort aufzubauen, wo sie auch gesehen wird.
Otto ist entschlossen, der nächsten derartigen Krise vorzubeugen, indem er mediative Kompetenzen und Strategien schon präventiv einsetzt. „Einer der Gründe, warum es einige Zeit gehakt hat, war, dass wir alle nicht so recht wussten, wie man Konflikte lösungskompetent anspricht. Aber einen Konflikt aussitzen und ignorieren ist definitiv die falsche Methode. Das ist kein Schnupfen, der nach acht Tagen vergeht – wenn so etwas nicht beachtet wird, wird es mehr.“ Es brauche klare und vor allem außerhalb des üblichen Berufsalltages angesiedelte Gelegenheiten, Konflikte und diametrale Interessen in einem geschützten Rahmen anzusprechen. Ein weiteres wichtiges Signal für Otto in seiner Führungsaufgabe ist die Tatsache, dass zur damaligen Zeit einige Mitarbeiter von Burn-out bedroht waren und teils noch betroffen sind – mitunter auch ein Nebenprodukt von ungelösten Konflikten. „Die Basis einer Unternehmenskultur ist nicht nur, wie man im Sonnenschein miteinander umgeht, sondern was passiert, wenn das Wetter umschlägt.“ Es brauche Zusammenhalt, Vertrauen und Austausch „in guten wie in schlechten Zeiten.“ Eine solche Einstellung müsse gezielt unterstützt werden, auch wenn sie vielleicht nur im Laufe der Zeit verlernt wurde. „Eigentlich ist ein solches Miteinander etwas, das für jeden Menschen schon ab dem Kindergartenalter wichtig ist – und gerade Kinder besitzen diese zwischenmenschlichen Fähigkeiten auch auf eine sehr natürliche und authentische Art.“
Auch in seinem Familienleben gelten diese Prinzipien. Seit zwölf Jahren ist Otto mit Ottakringer-Vorständin Christiane Wenckheim verheiratet – der starken, erfolgreichen Mutter ist eine ebenso starke und erfolgreiche Ehefrau nachgefolgt. Und seine Unterstützung für seine Frau ist auch für den außenstehenden Beobachter mehr als offensichtlich: Wo Otto Immobilien ist, da ist auch Ottakringer Bier. Und kaum ein Interview geht zu Ende, ohne dass darin die Erfrischungskompetenzen des „kühlen Blonden“ hervorgestrichen werden. Und es passt ja auch perfekt – der leidenschaftliche Wienliebhaber und die Chefin einer Wiener Institution.
Doch auch hinter den Kulissen gilt: „Es geht um Vertrauen, Unterstützung, Ehrlichkeit. Wichtig ist, dass man gerade über die Liebe in einer Beziehung, die ja zu unterschiedlichen Zeitpunkten sehr unterschiedlich sein kann, großes Vertrauen hat. Natürlich ist man immer wieder anderer Meinung, und keiner sollte darauf verzichten seinen Standpunkt auch ganz klar zu machen – man findet dann schon eine Lösung.“
Gemeinsam haben die beiden zwei Kinder – doch wenn beide Elternteile beruflich so erfolgreich sind, wie funktioniert das mit dem Zeitmanagement? Zu Hause gibt es jemanden, der sich nachmittags um die Kinder kümmert, sonst sei das so nicht möglich, räumt Otto ein. Den Morgen und den Abend gilt es dann allerdings umso besser einzuteilen, damit man dann auch wirklich Zeit miteinander und füreinander hat – und das Wochenende ist ohnehin Tabu: „Von Freitagnachmittag bis Montagfrüh gibt es uns nur im ,Kleeblatt‘ und da entscheiden wir auch gemeinsam, was wir tun.“ Grundsätzlich wird jeden Tag gemeinsam gefrühstückt, aber Samstag und Sonntag ist es besonders wichtig. Samstag ist auch Sporttag, was bedeutet, dass Ottos sechsjähriger Sohn Fußball spielt und der Papa ihn am Spielfeldrand anfeuert, manchmal mit Unterstützung von Ehefrau und Tochter. Von strikter Trennung der Aufgabenbereiche in Mutter- und Vaterrolle halten die beiden nichts – da kommt es auch vor, dass unter den zehn Prozent Vätern bei einem Elternabend auch Eugen Otto vertreten ist. „Ich glaube, eine strenge Aufgabentrennung kann gar nicht funktionieren. Den letzten Part der Verantwortung in der Familie hat aber in gewisser Weise immer die Mutter. Ich versuche, meine Frau da bestmöglich zu unterstützen und bin immer wieder beeindruckt, wie toll sie das macht.“ Zu den Familienaktivitäten gehören auch jeweils ein Sommer- und ein Winterurlaub und auch in die Kirche geht man oft gemeinsam.
Die Religion spielt eine wichtige Rolle für Otto. Auch der erste Berufswunsch des kleinen Eugen hatte mit Immobilien wenig zu tun: „Ganz früher wollte ich eigentlich Papst werden. Später habe ich allerdings die Begleitumstände dieses Berufes erfahren und beschlossen, dass es für mich wichtiger ist, in einer offeneren und anderen Gemeinschaft zu leben als der der Kirche. Auch das Zölibat hat mich nicht wirklich überzeugt.“ Dass die Verbindung zur Religion ihm aber geblieben ist, zeigt nicht nur das kleine Holzkreuz, das neben der Eingangstür zum Büro von Otto Immobilien hängt. In seiner Schilderung klingen vielmehr auch all jene Dinge wieder, die er zuvor schon in seinem Berufs- und Familienalltag erzählt hat: „Wenn man sich die Religion ansieht, dann findet man zwar sehr viele Gebote – aber in den ,Soft Facts‘ auch sehr viele verschiedene Nuancen im respektvollen und achtsamen Umgang miteinander.“ Religion als eine der ältesten Formen des Compliance Managements eben.
Religion ist für ihn eine „unglaublich persönliche Angelegenheit“, er sehe sich auch selbst nicht als Missionar, der andere auf den „rechten Weg bringen“ solle, erzählt Otto. Für ihn sei es vielmehr eine Anregung, in der Familie, seiner Ehe und seinen Arbeitsbeziehungen achtsamer zu agieren, vielleicht manchmal nachsichtiger zu sein. Eine Anregung, die es mitzunehmen gilt.
Registrieren. Weiterlesen. Vorteile genießen.
Egal ob Sie exklusive Artikel, ein Unternehmensprofil anlegen oder Applikationen wie unser interaktives Firmenbuch nutzen wollen. Wir haben garantiert das richtige Abo-Paket für Ihre Zwecke parat.
Ihre Vorteile
- Erstellen eines ausführlichen Personenprofils
- Testweise 3 Immobilien Magazin Printausgaben
- Lesezeichen für Artikel, Jobs und Events
- Erstellen von Pressemitteilungen, Events und Jobs
- Erstellen eines ausführlichen Firmenprofils
- Schalten Sie über unsere Abonnements weitere Funktionen frei und erhalten Sie den vollen Zugang zu allen Artikeln!
Pro Abo jährlich
120,- € / Jahr exkl. MwSt.
Unlimitierter Zugang zu allen Leistungen inkl. 5 Personen Abos
Vorteile entdeckenPremium Abo
1.200,- € / Jahr exkl. MwSt.
Erstellen Sie Ihr ausführliches Personenprofil, Zugang zum digitalen Immobilien Magazin
Vorteile entdeckenBW
AutorBarbara Wallner
Tags
Makler
Eugen Otto
Portrait
Menschen
Otto Immobilien
Arbeit
Weitere Artikel