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Der Grenzfall
Geografisch und ethisch.
Auch in Monaco kann es schon einmal grau, kalt, nass und windig sein. Dann wirken auch in der Millionärs-Fluchtdestination Baustellen als das, was sie sind: schmutzig und wenig einladend. Das ist auch bei der aktuell größten Baustelle des Fürstentums so. Immerhin wird auf engstem Raum der höchste Wohnturm des Stadtstaates gebaut. Das macht ordentlich Schmutz. Auch im übertragenen Sinn.
Es ist schon ein seltsames Gefühl. Umrankt von niedrigen, sich eng wie südfranzösische Liebespärchen aneinanderschmiegenden ein- bis höchstens dreistöckigen Häusern, ragt der Turm angsteinflößend in den Himmel. Und passt damit so gar nicht in die Idylle eines vergessenen \"Piratenstädtchens\", den dieser verschlafene, wenig glamouröse, dafür aber romantische Teil von Monaco bisher verströmt hatte.
Eine italienische Baudynastie, die Familie Marzocco, zeichnet für das Projekt verantwortlich, das sich in den Himmel erstreckt wie kein anderer Bau in Südfrankreich. Der Turm ist in vielerlei Hinsicht aber auch ein Grenzfall - nicht nur, weil noch nie jemand auch nur annährend so hoch hier gebaut hat. Nicht einmal für monegassische Verhältnisse, wo man für Hochhäuser auf allerengstem Raum aufgrund der notorischen Platznot an sich Verständnis hat.
Der Turm mit dem klingenden Namen Tour Odéon steht nämlich auch noch exakt an der Grenze des Steuerparadieses. Die zugehörigen Freiflächen, rund 4000 Quadratmeter umfassend, sind schon auf französischem Gebiet. Dass dies überhaupt möglich wurde, ist schon dem Goodwill vieler Entscheidungsträger zu verdanken. Allen voran dem damaligen Bürgermeister der betreffenden Nachbargemeinde, Gérard Spinelli, der sich wohlwollend zeigte. Und dann mitten während des Projektes wegen Korruptionsverdacht verhaftet worden war. Es ging dem Vernehmen nach um 60.000 Euro, die er via Zwischenhändler erhalten haben soll. Genaues weiß man freilich nicht. Außer, dass er - politisch wie privat - in einen Abgrund stürzte. Der Familie Marzocco ist übrigens nichts passiert.
Es ist ein Megaprojekt: 70.000 Quadratmeter Wohnfläche, 30.000 Quadratmeter Parkplätze auf zehn Etagen und ein Investitionsvolumen von 700 Millionen Euro, das klingt schon nach Superlative. Klar, dass es bei diesem Turm nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Tiefe geht, 70 Meter hat die Baugrube zu Beginn ausgemacht. Das hat übrigens neben dem nötigen Platz für die künftigen Luxuskarossen, die sich hier wohl einparken werden, auch ganz profane, der Technik geschuldete Ursachen. Der größte technische Feind des Wolkenkratzers ist nämlich nicht die Tektonik. Erdbebensicher ist ein Wolkenkratzer bald einmal. Die größte Gefahr lauert im Wind respektive Sturm, der sich vor allem in den Wintermonaten über dem Meer aufbaut und mit weit über 100 km/h auf den Turm trifft. Dass der Turm dabei ganz oben dabei eine Schwankungsbreite im Meterbereich haben kann, sagt man bei den Verkaufsgesprächen dann lieber doch nicht. So oder - sicher, auch sturmsicher ist der Turm sogar bei weitaus höhere Windstärken. Und wer drinnen sitzt, merkt das Schwanken maximal an den Gardinen.
Woher das Wohlwollen der Fürstenfamilie für das Projekt gekommen ist, ist schon eher transparent. Immerhin wurde dem monegassischen Staat das Recht eingeräumt, 150 Wohnungen für einen Quadratmeterpreis v on 23.800 Euro für Bürger des Fürstentumes zu erwerben. Ein Schnäppchen im Vergleich zu den im Schnitt 65.000 Euro, die sonst pro Quadratmeter verlangt und wohl auch bezahlt werden. Keine Frage, der Tour Odeon ist ein Hort der Millionäre. Es gibt so gut wie keine Wohnung hier im Freiverkauf unter 15 Millionen Euro. Und das Penthouse zählt seinen 3800 Quadratmetern zu den größten der Welt. Und wohl auch zu den teuersten: 500 Millionen Euro (in Worten fünfhundert Millionen) steht am Preiszettel. Dafür wird hier um 49. Und obersten Stockwerk auch einiges geboten, beispielsweise ein Masters-Bedroom mit 600 Quadratmetern, ein
Angeblich ist das Luxusstück aber noch nicht verkauft. Angeblich deshalb, weil \"die Russen\" mittlerweile das Geld auch nicht mehr so locker sitzen haben, wie noch vor ein paar Jahren.
Egal, teuer geht es auch sonst zu im - laut Eigendarstellung von Bauherr Claudio Marzocco -\"luxuriösesten Wolkenkratzer Europas\" zu. Die frei verfügbaren Appartements gibt es immerhin erst ab rund 15 Millionen Euro, die teureren können dann schon mal bis zu 300 Millionen Euro kosten. Gut 30, vielleicht auch bald schon 40 sind schon verkauft, heißt es.
Irgendwann noch in diesem Sommer, sollen die ersten Eigentümer hier schon einziehen können. Beim Lokalaugenschein im Frühjahr wurde jedenfalls auch am Wochenende gearbeitet. Längstens im Herbst wird das neue Wahrzeichen Monacos jedenfalls fertig sein. Dann wird dieses letzte verschlafene Viertel Monacos endgültig aus seinem Dornröschenschlaf gerissen und die Schönen - und vor allem - die Reichen hier hoch über der Stadt residieren können. Es darf irgendwie als ausgleichende Gerechtigkeit verstanden wissen, dass die ganz und gar nicht so betuchten Anrainer auf französischer Seite - im Dorf Beausoleils dank der Geographie auf die Bewohner des Tour Odéon herabblicken. Ihr Dorf erstreckt sich nämlich über den Hügel, der oberhalb liegt. Aber das ist eine andere Geschichte.
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AutorGerhard Rodler aus Monaco
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