immomedien.at
/ Lesezeit 7 min
Der Ruck durch die Branche
Herwig Teufelsdorfer, COO der Buwog, beschäftigt sich schon seit Jahren mit Digitalisierung und PropTechs. Im Gespräch mit Charles Steiner prognostiziert er, dass Künstliche Intelligenz und Automatisierung die Branche aufwirbeln werden.
##Immobilien Magazin: Was veranlasst die Buwog dazu, sich mit dem Thema PropTech und Digitalisierung so auseinanderzusetzen?
Herwig Teufelsdorfer: Ich glaube, dass jetzt aktuell bzw. auf absehbarer Zeit ein Ruck durch die Immobilienbranche gehen wird, die über die Jahre und Jahrzehnte vielleicht doch ein bisschen verstaubt war und sicherlich nicht Technologieführer ist. Insofern finde ich persönlich, dass es für Immobilienunternehmen essenziell ist, zeitnahe mit dabei zu sein, sich mit den neuen Möglichkeiten, die PropTechs und die Digitalisierung generell bieten, auseinanderzusetzen und sie zu nutzen. Wir wollen in diesem Zusammenhang das Beste für uns herausholen, egal, ob wir diese Möglichkeiten einkaufen, mieten oder selbst machen.
##IM: Es gibt ja PropTechs in verschiedene Richtungen - Vermarktung, Datenablage, Planung etc. Welche Bereiche sind da für die Buwog interessant?
Teufelsdorfer: Es tut sich da an den unterschiedlichen Bereichen der Immobilienwirtschaft etwas und im Laufe der Zeit wird das alles, glaube ich, zusammenwachsen. Was wir jetzt sehen ist, dass es sehr viele Einzellösungen für verschiedene Teilbereiche gibt - in den kommenden Jahren wird sich aber nicht so sehr die Frage stellen, ob man sich auf dieses oder jenes fokussiert, da ja alles zusammenhängt. Was es aber braucht, ist ein konkretes Konzept, diese neuen Entwicklungen und Ideen ins eigene Unternehmen zu holen.
##IM: Welche dieser Entwicklungen haben Sie bereits in das Unternehmen integriert, welche wollen Sie integrieren?
Teufelsdorfer: Gerade das Thema Immobilienvermarktung ist mittlerweile sehr weit fortgeschritten. Speziell in der Vermietung und im Verkauf tut sich einiges. Wir kooperieren in diesem Zusammenhang mit einem deutschen Startup, den Wohnungshelden, und versuchen darüber hinaus mit jungen Unternehmen zusammenzuarbeiten, wenn wir der Meinung sind, dass deren Lösungen für uns nützlich sein können. Am Ende wird es darauf hinauslaufen, dass wir in diesem dicht gewebten Netz eine Basis haben, die verlässliche Daten liefert und die in der Lage ist, auch ständig diese Daten kritisch zu hinterfragen, wo wiederum künstliche Intelligenz ins Spiel kommt. Auch da sind wir mittlerweile aktiv, indem wir eine Kooperation mit Evana abgeschlossen haben, um an unserer Datenstruktur und der Verfügbarkeit von Daten zu arbeiten und gerade für unser Assetmanagement, Portfoliomanagement und für die Immobilienverwaltung künstliche Intelligenz und Machine Learning nutzbar zu machen.
##IM: Künstliche Intelligenz hat ja auch gewissermaßen mit Vertrauen zu tun. Man vertraut ja einer Maschine, die selbstständig lernt. Kann man der Maschine trauen?
Teufelsdorfer: Künstliche Intelligenz ist ja, grob gesprochen, nichts anderes, als über schnelle Rechenprozesse alle Möglichkeiten, die es in einem System gibt, mathematisch auszuloten, um die günstigste Lösung über vordefinierte Rahmenbedingungen herauszufinden. Die Verknüpfung dieser Prozesse erscheint uns ja so, als ob jemand im Hintergrund mitdenkt. Das ist aber de facto nicht so. Da wird es ganz wesentlich darauf ankommen, dass man die vielfältigen Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz zwar nutzt, aber den eigenen Hausverstand nicht außen vorlässt. Die Kombination aus der Expertise des Unternehmens mit der Technologie der Anwendungsmöglichkeiten, das macht den Reiz des Ganzen aus.
##IM: Ein börsennotiertes Unternehmen wird ja jede Menge Daten, Akten, Dokumente haben. Diese in ein System zu implementieren wird auch nicht einfach sein, oder?
Teufelsdorfer: Da hilft uns gerade die künstliche Intelligenz. Ich habe einmal bei einem Unternehmen, in dem ich zuvor tätig war, ein Assetmanagement-System eingeführt, das zwar toll funktioniert hat, die größte Herausforderung war aber, die Daten ins System zu bringen. Gerade mit unserem Kooperationspartner Evana haben wir die Möglichkeit, unter Nutzung von künstlicher Intelligenz, die Inhalte aus den zumeist in Papierform erhaltenen Informationen herauszuziehen und an den richtigen Positionen in unser ERP (Enterprise Resource Planning, Anm.) einzuspielen.
##IM: Jetzt gibt es aber doch sehr viele Unternehmen, die sich mit dem Thema Digitalisierung nicht oder nur sehr wenig befassen. Was war ausschlaggebend für die Buwog, das zu forcieren? Geht es hier um Wettbewerbsfähigkeit?
Teufelsdorfer: Mittel- bis langfristig ja. Über das eigene Interesse hinaus geht es tatsächlich um Wettbewerbsfähigkeit. Vor allem geht es darum, die Prozesse im Unternehmen bestmöglich zu definieren und dann zu nutzen. Wenn man die Unternehmensprozesse mit einem Rohrleitungssystem vergleicht, dann sind die Daten das, was darin transportiert wird. Es nützt das tollste Rohrleitungssystem nichts, wenn die Daten nicht vernünftig durchgeschickt werden können.
##IM: Also geht es auch darum, Mitarbeiterkapazitäten freizumachen?
Teufelsdorfer: Ja, aber es geht nicht darum, weniger Mitarbeiter zu benötigen. Mit dem sinnvollen Einsatz der neuen Technologien können sich unsere Mitarbeiter um jene Themen besser kümmern, die in ihre Kernkompetenz fallen. Die Kernkompetenz eines Immobilienverwalters oder Assetmanagers liegt nicht darin, Daten aus Dokumenten herauszusuchen, sondern seine Erfahrung und Ausbildung rund um die Immobilie bestmöglich zu nutzen und einzubringen. Und aus den Daten neue Informationen zu generieren.
##IM: Wie würde denn die Immobilienbranche in fünf oder zehn Jahren aussehen?
Teufelsdorfer: Ich glaube, dass es in zehn Jahren ganz normal sein wird, dass wir mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz arbeiten. Ich glaube auch, dass wir von der Struktur her, wie Informationssysteme in der Immobilienwirtschaft aufgebaut sind, etwas ganz anderes vorfinden werden, als wir heute kennen. Wir haben in der Branche viele Einzellösungen, wo wir zwanghaft versuchen, verschiedene Datenbanken miteinander zu verknüpfen - was meist sehr schwer oder gar nicht funktioniert. Das heißt, es kommt oft zu Redundanzen oder es fehlen gar Daten oder gehen verloren, womit dann auch keine neuen Informationen gewonnen werden können. Wir verfolgen da eine klare Strategie: Wir haben uns vor drei Jahren entschlossen, die gesamte Gruppe auf SAP umzustellen und sind jetzt in der Stabilisierungsphase - und wir werden SAP künftig weiter ausbauen in Richtung Business Intelligence. Das ist quasi unser Tanker, der den Kurs der Strategie fährt - unbeirrt, weil der Tanker aufgrund seiner Größe nicht in der Lage ist, kurzfristig Kursänderungen durchzuführen. Das verleiht aber, trotz der vermeintlichen Trägheit, dem Unternehmen Stabilität. Zusätzlich zu dieser Stabilität wollen wir gleichzeitig auch Flexibilität und damit die Möglichkeit, auf unterschiedliche Gegebenheiten schnell reagieren zu können. Also brauchen wir, bildlich gesprochen, zu dem Tanker auch Schnellboote. Diese Schnellboote müssen die Möglichkeit haben, am Tanker anzudocken und sich mit Wasser und Lebensmitteln zu versorgen - und Informationen. Diese Schnellboote sind aktuell etwa die neuartigen Anwendungen, die über Startups oder Proptechs generiert werden - und die probieren wir aus. Manche sinken nach sechs Monaten, manche entwickeln sich weiter und werden gar zum Begleitboot des Tankers.
##IM: Heißt das also, dass sich der Proptech-Markt mit vielen Teilnehmern bereinigen wird...?
Teufelsdorfer: Ja,davon gehen wir alle aus. Als Richtwert glauben wir, dass etwa drei Prozent der Startups überleben werden. Ich habe mich in der letzten Zeit sehr viel mit der Szene auseinandergesetzt, an die 200 bis 300 Startups gesehen. Da sind auch Lösungen dabei, wo man mit den Schultern zuckt und sagt, "Braucht die Welt das?" bis hin zu Anwendungen, wo man denkt: "Genial!" Da gibt es doch einige Beispiele, die es geschafft haben, mit Kooperationspartnern die ersten Geschäfte ins Laufen zu bringen und Geld zu verdienen.
##IM: Idee und Umsetzbarkeit reichen also nicht aus, um erfolgreich zu sein, sondern die Skalierbarkeit?
Teufelsdorfer: Diese spielt eine ganz wesentliche Rolle. Und auch die Geschwindigkeit. Gerade in der Proptech-Szene ist die Geschwindigkeit ausschlaggebend. Es fressen nicht die größeren die kleinen, sondern die schnelleren die langsamen. Wenn man ein tolles Geschäftsmodell hat, die Möglichkeit, dieses zu finanzieren und den richtigen Kooperationspartner gefunden hat, dann muss man das Produkt schnell auf die Piste bringen, bevor jemand anderer kommt von dem man geschluckt wird.
##IM: Der frühe Vogel fängt also den Wurm?
Teufelsdorfer: So ist es.
##Was wird mit jenen Unternehmen passieren, die sich mit dieser Technik gar nicht auseinandersetzen?
Teufelsdorfer: Die Digitalisierung wird wohl nicht alle Immobilienunternehmen im gleichen Ausmaß treffen. Es wird in Zukunft Segmente geben, wo der Einsatz der neuen Technologie nicht in dem Ausmaß erforderlich sein wird, wie das bei Bestandshaltern der Fall ist. Hochwertige Wohnimmobilien wird man auch in der Zukunft nicht ausschließlich über Portale vertreiben. Die persönliche Betreuung und die Professionalität des einzelnen Mitarbeiters wird immer noch eine wesentliche Rolle spielen. Am anderen Ende der Bandbreite wird der Mietmaklermarkt zunehmend von Anwendungen beeinflusst, die den klassischen Durchschnittswohnungsmakler überflüssig machen. Die klassischen 'Wohnungsaufsperrer' wird es nicht mehr geben. Wir werden unsere Mitarbeiter künftig anders einsetzen, als das jetzt der Fall ist. Ich gehe nicht davon aus, dass man wesentlich weniger Mitarbeiter braucht. Insofern sehe ich die Digitalisierung nicht als Jobkiller, sondern als Möglichkeit für mehr Professionalität, Qualität und Geschwindigkeit. Der Mensch bleibt das Maß aller Dinge. Wir bauen ja nicht Immobilien um der Immobilie willen, sondern wir liefern Raum, in dem Menschen interagieren können. Was sich aber ändern wird ist, dass die Wertschöpfungskette innerhalb der Branche immer mehr verknüpft wird. Die Digitalisierung wird die Branche auf breiter Front treffen und das Beziehungsdreieck Produkt, Standort und Kapital stark beeinflussen. Über Big Data haben wir viel mehr Daten zur Verfügung, um das passgenaue Produkt an einen Standort zu etablieren, das geht über die Produktdefinition, der Schnittstelle zum Development und Vertrieb des Produktes.
##IM: Paradigmenwechsel? Werden Immobilien durch Big Data dann durch die Menschen definiert, die die sie dann nutzen?
Teufelsdorfer: Das wird eine massive Rolle spielen. Man kann durch Big Data maßgeschneiderte Produkte bauen. Und die kann ich eins zu eins an das Bestandsmanagement weitergeben. Die Trennung zwischen Development und Nutzer wird sich aufweichen.
Registrieren. Weiterlesen. Vorteile genießen.
Egal ob Sie exklusive Artikel, ein Unternehmensprofil anlegen oder Applikationen wie unser interaktives Firmenbuch nutzen wollen. Wir haben garantiert das richtige Abo-Paket für Ihre Zwecke parat.
Ihre Vorteile
- Erstellen eines ausführlichen Personenprofils
- Testweise 3 Immobilien Magazin Printausgaben
- Lesezeichen für Artikel, Jobs und Events
- Erstellen von Pressemitteilungen, Events und Jobs
- Erstellen eines ausführlichen Firmenprofils
- Schalten Sie über unsere Abonnements weitere Funktionen frei und erhalten Sie den vollen Zugang zu allen Artikeln!
Pro Abo jährlich
120,- € / Jahr exkl. MwSt.
Unlimitierter Zugang zu allen Leistungen inkl. 5 Personen Abos
Vorteile entdeckenPremium Abo
1.200,- € / Jahr exkl. MwSt.
Erstellen Sie Ihr ausführliches Personenprofil, Zugang zum digitalen Immobilien Magazin
Vorteile entdeckenCS
AutorCharles Steiner
Tags
Wohnen
Österreich
International
Innovation
Buwog
Deutschland
Markt
Herwig Teufelsdorfer
neue Medien
Tech
Weitere Artikel