Immomedien
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Die Erfindung der Vergangenheit

Der Mensch ist das einzige Lebewesen mit einem kulturellen Vergangenheitsbewusstsein, das über die eigene Lebenszeit hinausgeht. Architektonisch manifestiert sich dieses Bewusstsein in Museen. Wir leben in einer außergewöhnlichen Zeit - Corona wird unsere Gesellschaft verändert haben. Aus diesem Grund sammelt das Wien Museum derzeit Gegenstände, Fotos und andere Dokumentationen dieser Veränderung. So werden unsere Nachkommen womöglich einst Klopapierrollen bestaunen, um die in den berühmten Schlachten bei Merkur und Billa gerungen wurde, Ketten, mit denen Spielplätze und Hundewiesen verriegelt wurden. Sie werden lernen, wie die Online-Welt sich durch Ausgehverbote verändert hat, wie der Mensch die Videotelefonie in sein Leben integrierte. All das ginge natürlich auch online - aber ich stelle die These auf, dass sich das Museum als Gebäude halten wird. Warum? Der Medienwissenschaftler Walter Benjamin postulierte in seinem "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" - kurz gefasst - dass jedem Original eine Aura innewohne, die sich auch in der perfektesten Nachbildung nicht manifestieren kann. Und es ist der Glaube an diese Aura, die Menschen immer noch die physische Nähe zu kulturellen Meilensteinen wie der Venus von Willendorf oder dem Parthenon Fries suchen lassen. Würden wir uns mit physischen oder virtuellen Nachbildungen zufriedengeben, wären sämtliche Restitutionsstreitereien völlig ziellos. Aber wir wollen die Präsenz der Objekte spüren und wir sind bereit dafür zu verreisen. Das Museum als Gebäude selbst verströmt Benjamins Aura ebenso sehr wie sein Inhalt, - es ist ein gesellschaftliches Statement, vermittelt nationale Identität: in Stein gegossenes kulturelles Selbstverständnis. Das beeindruckende Gebäude des Britischen Museums stellt einen kolonialen Machtanspruch - und es wertet auch die Kulturen, deren Kunstwerke es ausstellt, im Verhältnis zu diesem Machtanspruch. Nicht zuletzt finden wir in unzähligen Museen Artefakte, die in Kriegen erbeutet wurden und damit genauso zum Dokument des eigenen Sieges werden, wie der Entwicklung der Ursprungskultur. Moderne Museen sind begehrte Verwirklichungsmöglichkeiten für Architekten, die sich in unsere kulturelle Infrastruktur einschreiben wollen, oftmals umstritten, wie das Centre Pompidou in Paris beweist. Über Museen schaffen wir uns unsere Vergangenheit selbst - damit diese uns wiederum zeigt, wer wir sind. Und das wird für Klopapier ebenso gelten, wie für die Mona Lisa.
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. Juni 2020 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


BW
AutorBarbara Wallner
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