immomedien.at
/ Lesezeit 8 min
Die gewissenhafte Baumeisterin
Vielfältige Interessen machten es Caroline Palfy nicht leicht, nach ihrer AHS Matura einen beruflichen Weg zu wählen.
Heute spielen genau diese weiteren Interessen ebenfalls eine große Rolle für ihr berufliches Selbstverständnis, aber vor rund 16 Jahren ging es für die junge, alleinerziehende Mutter von Zwillingen erstmal um den Erhalt ihrer Familie. "Unter diesen Umständen - ohne Berufserfahrung und als Frau mit zwei Kleinkindern - war es besonders schwierig, einen Job zu finden. Nach über hundert Bewerbungen hatte ich aber Glück und wurde als technische Zeichnerin in einem Architekturbüro in Weigelsdorf aufgenommen." Für den langen Arbeitsweg und die Kosten für die Kinderbetreuung musste anfangs beinahe das ganze Gehalt investiert werden, aber die Ausübung ihres Berufes stand für Palfy im Vordergrund. Ihre gewissenhafte Arbeitsweise hat sie dabei auch sehr schnell weitergebracht. Ein Dachbodenausbau, der von der conwert beauftragt worden war, bot der jungen Planerin dann die Gelegenheit mit genau dieser Herangehensweise auf sich aufmerksam zu machen. Es folgte ein Jobangebot, dass auch trotz Einschränkungen wie der Wunsch nach Teilzeit und der alleinigen Obsorge für Zwillinge aufrecht blieb. "Der Grund für das Angebot war, dass der Projektverantwortliche seitens der conwert mir glaubhaft versicherte, dass er bei Auftragnehmern noch nie auf so großes Verständnis gestoßen ist und so schnell das bekommen hat, was er wollte", erzählt Palfy. Daher waren dann auch ihre Bedingungen und Begleitumstände kein Problem.
##Chancen erhalten
Das Einstellungsgespräch mit dem damaligen Vorstand, Günter Kerbler, verlief ebenfalls für die junge Technikerin erstaunlich: "Aus Wr. Neustadt und mit zwei Kindern? Wenn du das schaffst, soll's mir recht sein" resümierte er pragmatisch und so kam es, dass Palfy 2004 Teil der gerade im Aufbau befindlichen conwert wurde. Das Aufgabengebiet präsentierte sich beim neuen Arbeitgeber zwar zuerst, als technische Assistentin, weniger verantwortungsvoll, dafür aber viel breiter gefächert und mit der deutlichen Chance, bald an großen und interessanten Projekten arbeiten zu dürfen.
Und der - sowohl inhaltliche als auch formelle - Aufstieg ließ nicht lange auf sich warten. "Ich bin jemand, der sich Arbeit sucht und immer mehr leistet als erwartet wird. Es geht mir dabei nicht um Berufstitel oder Gehälter, sondern um die Sache. Natürlich muss der Lebensunterhalt für eine Familie erst einmal verdient werden, aber wenn man einmal finanziell halbwegs etabliert ist, kann man sich den Luxus gönnen, geistige Herausforderungen mit Zukunftscharakter in Angriff zu nehmen." Palfy hat sich ja bereits bei ihrer Ausbildung intuitiv ein Thema ausgesucht, dass auf ihre heutige Herzensangelegenheit, der Nachhaltigkeit, eingeht: den Erhalt von Bestand durch Restauration. Bei der conwert fand sie die idealen Betätigungsfelder und konnte sich entwickeln. Die Abteilungsleitung wurde ihr ausgerechnet dann angeboten, als sie sich gerade - neben den täglichen Herausforderungen einer Alleinerzieherin - einerseits dem eigenen Hausbau und andererseits der Vorbereitung auf die Baumeisterprüfung widmete. Sie nahm an, brachte alles irgendwie zuwege und wurde schließlich sogar Prokuristin in der conwert, die zu diesem Zeitpunkt bereits an der Börse notierte.
##Komfortzonen verlassen
2012 war dann dieser Weg zu Ende. Die neue Unternehmensführung schlug andere Kurse ein, die Palfy als wenig zukunftsorientiert bewertete und damit wurde es auch für sie Zeit für neue Aufgaben. Diese suchte sie sich erst - praktisch als Rückkehr zu ihren beruflichen Wurzeln - in einem Architekturbüro in Wien. Es dauerte aber nicht lange, da tat sich eine größere Chance auf: Kerbler bot ihr an, ein gemeinsames Unternehmen für die Entwicklung von, wortwörtlich, "coolen Projekten" zu gründen. Gesagt, getan. Für Palfy die perfekte Basis, um alle ihre Wissensgebiete zum Einsatz bringen zu können: Bau, Immobilie und Architektur. Und schließlich auch mehr und mehr ihr viertes Herzensthema, die Nachhaltigkeit. "Ich hatte schon so viel erreicht in meinem Job, es ging und geht mir nun immer mehr darum, dass wir umweltschonendes Bauen noch weiterdenken. Vor acht Jahren habe ich begonnen, mich in der Baubranche um resourcenschonende Lösungen umzusehen und darüber nachzudenken, wie wir in Zukunft unsere Herausforderungen hinsichtlich der Rohstoffe und Materialalternativen lösen werden. Im Moment sind wir in der Branche beim Errichten neuer Bauwerke nach wie vor richtige 'Ferkerln'. Bei der Restauration sind wir viel weiter." Generell bezeichnet sich Palfy als große Verfechterin von Erhaltungsmaßnahmen. "Die thermische Sanierung, die zu wenig hinterfragt in Mode gekommen ist, hat einfach ihre Kehrseiten. Kastenfenster werden eliminiert, anstatt sie auf Vordermann zu bringen - dann vielleicht auch noch eine Dämmung aus Erdölprodukten und das Gebäude kann überhaupt nicht mehr atmen. Man muss für eine Beurteilung des ökologischen Wertes von Maßnahmen immer alle involvierten Produktzyklen bis hin zur Entsorgung der alten Massen betrachten. Natürlich dürfen wir in unserer Entwicklung nicht stehenbleiben, aber sich selbst belügen und Fortschrittsmaßnahmen als Selbstzweck setzen, ist nicht der richtige Weg. Wir müssen uns vom Schwarz-Weiß-Denken befreien."
##Das HoHo Wien
Und derart über den Tellerrand gedacht, kam es auch zur Umsetzung des Projektes "HoHo Wien", dem ersten Holzhochhaus in Wien. "Ausgeführt ist es als Hybrid, also nicht als reiner Holzbau. Das war für mich zu diesem Zeitpunkt die sinnvollste Art und Weise ökologischer aber auch ökonomisch zu bauen zu bauen. Ich bin auf dieses Gebäude sehr stolz, auch wenn ich heute vielleicht einiges anders machen würde. Es gab nicht nur Befürworter, leider bin ich dafür auch oft angefeindet worden", erklärt die Unternehmerin. Ein Umstand, der für sie erstaunlich bleibt, denn es seien für die Errichtung keinerlei Steuergelder verwendet worden - alleiniger Investor war Günter Kerbler. Das Duo Palfy-Kerbler folgt seither beharrlich den Weg der eigenen Ideen. Das Vertrauen ist auf beiden Seiten groß - und genauso der Mut. Den braucht es manchmal, um auch fest vorgezeichnete Pläne wieder umzuwerfen, damit etwas Besseres entstehen kann. "Wir arbeiten immer nach bestem Wissenstand. Wenn nach einiger Zeit eine wertvollere Idee, eine idealere Lösung für die Nutzung eines Grundstückes aufkommt, muss man auch imstande sein, frühere Trampelpfade zu verlassen. Ich habe mit Günter Kerbler dafür genau den richtigen Rückhalt."
##Ideen für die Seestadt
Begonnen hat alles mit dem Erwerb von vier Grundstücken in der Seestadt. Diese wurden damals noch mehr oder weniger im Alleingang von Caroline Palfy entwickelt. Heute zählt das Unternehmen 13 Mitarbeiter und deckt von Planung, Kostenermittlung, Projektsteuerung und Bauleitung, bis hin zur Bauausführung als Totalunternehmen und der anschließenden Verwertung den gesamten Zyklus einer Immobilie ab. Die Gründe in Aspern mögen polarisieren, für Palfy sind sie nicht nur der perfekte Start für ihr Engagement gewesen, sondern prägen auch heute noch sehr ihren Zugang zu zukünftigen Aufgaben: "Die Seestadt ist einmalig, was Innovationen angeht. Dort dürfen Busse ohne Fahrer fahren, im Wirtschaftscampus kann geforscht werden, logistische Systeme werden ausprobiert, etc. Das ist durch und durch positiv zu sehen. Da reihen sich unsere Holz-Hybrid-Bauten perfekt ein. Ich habe großes Glück, mit so einem gleichgesinnten Investor zusammenzuarbeiten. Kerbler ist von Grund auf sehr holzaffin und ich wusste, was dieser Rohstoff alles kann. Mit einer 'Task-Force' aus Experten haben wir uns ein paar Monate intensiv mit dem Thema Holz und Hochhaus auseinandergesetzt, bis wir dann schließlich in die Umsetzung gegangen sind. Das einschlägige Know-how dafür haben wir nämlich schon lange in Österreich, nur wurde diese Art von Leistung bislang ausschließlich exportiert - nach Neuseeland, nach England. Nun gibt es endlich auch Beispiele für diese Dimension der Holznutzung auch im eigenen Land, wenn auch nach wie vor wenige auf den Zug aufgesprungen sind." Palfy ist davon überzeugt, dass wir beginnen müssen, dort Alternativen einzusetzen, wo es möglich ist - und dabei spielt Holz als Werkstoff eine wichtige Rolle. Sie gibt zu bedenken: "Die Immobranche hat einen sehr starken sozialen, zukunftsgerichteten Aspekt. Dem müssen wir gerecht werden, indem wir etwa sicherstellen, dass auch noch für mehrere Generationen Beton für jene Bereiche zur Verfügung steht, wo er ersatzlos benötigt wird - wie zum Beispiel im Tunnelbau."
##Weiter auf Kurs
Abgesehen von ihrer obersten Priorität, ihre Kinder immer gut versorgt zu wissen, definierten sich Palfys Ziele immer streng entlang ihrer Projekte. Das hat sich bis heute nicht geändert, aber es sind für sie noch weitere Ziele dazu gekommen: "Da ich schon viel erreicht habe, sehe ich mich nun in der Verantwortung, ein Sprachrohr zu sein und die Gesellschaft von meinen Kenntnissen profitieren zu lassen. Heute werde ich als Expertin angehört und diese Möglichkeit will ich nutzen, um für Nachhaltigkeit einzutreten. Meine Erfahrungen haben viele Facetten. Ich kann Politikern sowohl ein fachliches Feedback sowie Feedback aus der Bevölkerung heraus geben - mit dem starken sozialen Aspekt, den Background einer alleinerziehenden Mutter mitzubringen. Ich werde nie vergessen, dass es mir finanziell einmal gar nicht gut gegangen ist und wie es für mich war, das Leben in dieser schwierigen Situation zu meistern. Aus dieser Erfahrung heraus habe ich großes Verständnis für die Lebenswelten unterschiedlicher sozialer Schichten entwickelt." Die Nachhaltigkeitsexpertin sieht aus diesem Grund auch die Uniformität der Anforderungskataloge für Wohnbau kritisch. "Wieso muss jedes Wohngebäude barrierefrei sein? Um kostengünstig zu bauen, kann man auch einmal auf den Lift verzichten. Es ist viel wichtiger, auch jungen Leuten leistbare Alternativen anbieten zu können. Irgendwo muss man doch sparen - weshalb müssen die Errichtungskosten in die immer gleichen Standards fließen?"
##Chancen geben
Die Vordenkerin hat also noch einiges vor sich. In der Zwischenzeit konnte sie sich ein starkes Netzwerk zu ihren Themen aufbauen und sie bleibt auch ohne viel Recherchetätigkeit immer up-to-date. Gleichzeitig möchte sie nun auch anderen jungen Menschen eine Chance geben, um neue Ideen im Bereich der Nachhaltigkeit verwirklichen zu können. Sie sucht dazu Kreative mit "frischen Ideen", fördert sie und prüft, ob im Rahmen ihrer Projekte etwas von den Inputs umsetzbar ist. Der Erfolg gibt ihr in vielen Dingen Recht. Auf der anderen Seite, so sagt die Unternehmerin, ist sie auch stets bereit, ihre aktuellen Schritte in Zukunft auch wieder als überholt oder falsch anzusehen. "Heute denke ich mir etwa, dass ich vor sieben Jahren wahnsinnig gewesen sein muss, mich mit meiner privaten Verantwortung so überstürzt selbstständig gemacht zu haben. Aber ich überlege grundsätzlich nie lange, auch nicht bei so wichtigen Schritten, sondern folge immer meinem Herzen." Diese authentische Art und Weise, mit der Palfy für alle ihre Ideen brennt, ist letztes Jahr auch mit einer ganz besonderen Auszeichnung geehrt worden: Sie wurde in der Kategorie "Future Living" "Woman of the Year". Bestimmt wird die Immobilienbranche auch in Zukunft noch viele wichtige Impulse von der engagierten Technikerin erhalten.
Registrieren. Weiterlesen. Vorteile genießen.
Egal ob Sie exklusive Artikel, ein Unternehmensprofil anlegen oder Applikationen wie unser interaktives Firmenbuch nutzen wollen. Wir haben garantiert das richtige Abo-Paket für Ihre Zwecke parat.
Ihre Vorteile
- Erstellen eines ausführlichen Personenprofils
- Testweise 3 Immobilien Magazin Printausgaben
- Lesezeichen für Artikel, Jobs und Events
- Erstellen von Pressemitteilungen, Events und Jobs
- Erstellen eines ausführlichen Firmenprofils
- Schalten Sie über unsere Abonnements weitere Funktionen frei und erhalten Sie den vollen Zugang zu allen Artikeln!
Pro Abo
120,- € / Jahr exkl. MwSt.
Unlimitierter Zugang zu allen Leistungen inkl. 5 Personen Abos
Vorteile entdeckenPremium Abo
1.200,- € / Jahr exkl. MwSt.
Erstellen Sie Ihr ausführliches Personenprofil, Zugang zum digitalen Immobilien Magazin
Vorteile entdeckenBB
AutorBarbara Bartosek
Tags
Weitere Artikel