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Die Kulturgeschichte des Immobilienfonds
10 Jahre gibt es nun den offenen Immobilienfonds in Österreich. Doch seine Wurzeln liegen Jahrhunderte zurück – und seine Geschichte liest sich wie ein Krimi.
Die Wurzeln des Investmentfonds – und verwandter Anlage- und Rechtsformen – liegen tatsächlich in der Immobilienbranche. Doch wahrscheinlich anders als man vermuten würde: Die Spurensuche führt uns ins dunkle englische Mittelalter des 12. und 13. Jahrhunderts, bis zum vielbesungenen König Richard Löwenherz und den Kreuzzügen. Mit Gott im Herzen – und garantiert ohne jedes wirtschaftliche Motiv – zog damals nämlich der (noch) tief katholische englische Adel aus, um Jerusalem den bösen Muselmanen zu entreißen.
Bei aller Gottesfürchtigkeit will aber auch so ein Kreuzzug wohl organisiert sein – vor allem die Verwaltung des zurückgelassenen Besitzes möchte der kluge Kreuzritter in guten Händen wissen. Also vertraut man Haus und Hof als „Trust“ einem verlässlichen Freund, dem „Trustee“ an, der es in Abwesenheit des Hausherren hegen und pflegen soll. Absurderweise hat aber der zurückgekehrte Kreuzzügler keinerlei rechtlichen Anspruch auf Rückgabe des Besitzes – weshalb ein Ansuchen an das königliche Gericht gestellt werden muss, das es aber ohnehin zumeist als recht und billig empfindet, dass der ursprüngliche Hausherr sein Hab und Gut wiedererhalten soll – der Ursprung der Equity Rechtssprechung.
## Das Ende der Ewigkeit
Zeitsprung: Amerika, Oktober 1929. In den „goldenen Zwanzigern“ spricht man von „ewigem Wohlstand“ an den Börsen – noch vor wenigen Tagen proklamierte der Wirtschaftsprofessor Irving Fisher: „Es sieht so aus, als ob die Aktien ein dauerhaftes Hochplateau erreicht haben.“ Doch langsam dämmert es den großen wie kleinen Anlegern, dass wohl auch die Ewigkeit ein Ende hat.
Am 24. Oktober 1929, der als „Black Thursday“ in die Geschichte eingehen wird, bricht schließlich Panik an den Börsen aus. Vom „Schwarzen Freitag“ spricht man in diesem Zusammenhang übrigens nur in Europa, da der Crash die europäischen Börsen aufgrund der Zeitverschiebung erst später erreicht. Verzweifelt versuchen Investoren ihre Aktien loszuwerden, nach Börsenschluss sind die meisten von ihnen hochverschuldet. Fast 13 Millionen Anteilsscheine sollen an diesem Tag den Besitzer gewechselt haben. Die Selbstmordrate und die Zahl der tödlichen Herzinfarkte steigt rasant an. Es ist der Beginn der großen Depression.
Auch Fonds und Trusts – den heutigen Anlageformen nur dem Namen nach gleich – treiben in der vorhergegangenen Euphorie und bar jeder gesetzlichen Regulierung die wildesten Blüten, beschreibt Dietmar Rupar, Generalsekretär der Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften (VÖIG), doch: „Diese verschiedenen Ausprägungen haben die Krise nicht überlebt.“ Der Finanzkollaps macht eines klar: es braucht Regeln. 1933, als die Krise abflaut, wird mit dem „Securities Act“ das erste Regulatorium für börsennotierte Finanzprodukte ins Leben gerufen. Im Bezug auf Trusts findet sich hier erstmals der kleine Satz: „As used in this paragraph the term ‘trust’ shall include only a trust where the interest or interests of the beneficiary or beneficiaries are evidenced by a security.“ (Wie in diesem Paragrafen gebraucht, soll der Begriff „Trust“ ausschließlich einen Trust umfassen, bei dem der Anteil oder die Anteile der Anleger durch Sicherheiten belegt sind.)
Wandern wir nun langsam in die heimischen Gefilde. Der erste Investmentfonds, der in Österreich gegründet wird, ist 1956 der „Selecta“ der ÖIG – insgesamt werden 120.000 Anteile zu jeweils 500 Schilling ausgegeben. Die dazugehörigen gesetzlichen Rahmenbedingungen werden allerdings erst 1963 geschaffen – zu diesem Zeitpunkt sind fünf Fonds und eine KAG auf dem Markt. Eine Veranlagung in Immobilien ist damals noch nicht vorgesehen – es wird noch Jahrzehnte dauern, bis der erste österreichische (offene) Immobilienfonds das Licht der Welt erblickt.
## Wer hat’s erfunden?
In anderen Ländern sieht das freilich anders aus: in echter Ricola-Manier entsteht der erste offizielle offene Immobilienfonds 1938 in der Schweiz. Fast zeitgleich mit den ersten österreichischen Investmentfonds entstehen in Deutschland die offenen Immobilienfonds: 1959 legen die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank sowie die Bayerische Vereinsbank einen ersten Fonds dieses Typs auf, der passende rechtliche Rahmen folgt 1969. Doch warum lässt sich Österreich so lange Zeit, um dem Beispiel des Nachbarn zu folgen? „Bei den Immobilienfonds sah man in der österreichischen Politik lange eine gewisse Diskrepanz zwischen Immobilien – die ja eine langfristige Anlage darstellen – und einem Fonds, der ja täglich handelbar ist. Über dieses Spannungsfeld wagte man sich lange Zeit nicht drüber.“, erklärt Dietmar Rupar. Eine Vorsicht, die sich im Nachhinein betrachtet als durchaus hilfreich erwiesen hat.
In Deutschland zeigt sich, dass offene Immobilien fonds durchaus ein Missbrauchspotential aufweisen. „Institutionelle Anleger haben viel Geld in den Offenen ,zwischengeparkt’.“, so Rupar, „Geld, mit dem die Fonds gerechnet haben und Immobilien erworben haben. Doch dieses Geld war plötzlich wieder weg.“ 2003 ringt sich die österreichische Politik – konkret die schwarzblaue Koalition, Nachfolgerin der blauschwarzen – doch dazu durch, offene Immobilienfonds in Österreich zuzulassen. Genau 40 Jahre nach dem ersten Investmentfondsgesetz entsteht nun das Immobilien-Investmentfondsgesetz. Die Gründe dafür kennt Lars Fuhrmann, Vertriebsvorstand der Immo KAG: „Die Erlassung dieses Gesetzes war eigentlich die Reaktion auf das rapide Vordringen von ausländischen Immobilienfonds unterschiedlicher Ausgestaltung und daher die Befürchtung eines massiven Kapitalabflusses ins Ausland. Mit dem ImmoInvFG sollte auch eine sichere Veranlagung, alternativ zu Immobilienaktien geschaffen werden. So benötigen die ImmoKAGs eine eingeschränkte Bankkonzession, unterliegen der Finanzmarktaufsicht und unterschiedlichen konsumentenschutzrechtlichen Bestimmungen.“
Noch im selben Jahr legen die Bank Austria Realinvest und am Beginn des nächsten Jahres die Raiffeisen KAG die ersten offenen Immobilienfonds in Österreich auf – das Startklima ist allerdings eher durchwachsen: „Der Start der Immofonds lag in der Zeit der aufstrebenden Immoaktien und war daher anfangs sehr im Schatten dieser Aktienveranlagung, wobei es sehr schwierig war, den Anlegern die doch beträchtlichen Unterschiede und Risikoszenarien dieser beiden Produkte näherzubringen.“, erzählt Fuhrmann, „Auch im Zuge des Absturzes der Immobilienaktienkurse waren die Immofonds betroffen – wenngleich auch wesentlich weniger.
So richtig emanzipieren konnten sich die Immofonds erst mit Fortdauer derKrise,alsdurchdenTrackrecord sichtbar wurde, dass es sich bei Immobilienfonds eben nicht um Aktien handelt, die den Schwankungen der Börse unterliegen, sondern sich der tägliche Rechenwert des Immofonds aus dem Wert und Erträgen der Immobilien beziehungsweise Veranlagung des Barvermögens errechnet.“ Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Peter Karl, Geschäftsführer der Erste Immobilien KAG: „Der Erste Immobilienfonds ist am 2.5.2008 gestartet. Es war der Vorabend der Finanzkrise, doch das haben wir damals natürlich nicht gewusst. In dieser ersten Phase hat der Fonds aufgrund der großen Verunsicherung der Anleger nur geringe Zuflüsse verzeichnet. Aber das Marktumfeld ändert sich rasch und die Zinsen sanken auf ein sehr niedriges Niveau. Ab dem Jahr 2010 bemerkten wir ein vermehrtes Umdenken der Kunden mit einem Trend hin zur Investitionen in Sachwerte (Grund und Boden). Der Fonds verzeichnet seitdem stabile Nettomittelzuflüsse.“
Seit 2004 entwickelt sich die Anlageform stetig nach oben, auch 2008 zeigt die Kurve nur mininal nach unten. Situationen wie in Deutschland, wo offene Fonds zeitweilig geschlossen werden mussten, bleiben in Österreich aus. Eine Zulassungsbeschränkung für institutionelle Anleger wird hierzulande zwar andiskutiert, aber nicht gesetzlich verankert. Trotzdem achtet etwa die Erste Immobilien KAG auf die anteilige Verteilung der Fonds: „Zielgruppe des Erste Immobilienfonds sind interessierte Privatanleger. Wir als Erste Immobilien KAG steuern oben genanntem Thema entgegen indem der Anteil von Großanlegern am Fonds auf maximal 10 Prozent des Fondsvolumens beschränkt ist. Im Großanlegerbereich werden auch bereits vertragliche Kündigungsfristen vereinbart. Aktuell haben wir aber den Vertrieb an institutionelle Investoren eingestellt und konzentrieren uns auf Privatanleger.“, beschreibt Peter Karl.
Über Jahrhunderte kann man also den Immobilienfonds und seine Vorgänger zurückverfolgen – wie seine Zukunft aussieht, darüber kann man freilich nur spekulieren. Tun wir auch – auf den folgenden Seiten. «
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AutorBarbara Wallner
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