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Die Schriftstellerin und das Grätzel
Das Gründerzeitviertel El Cabanyal in Valencia sollte abgerissen werden. Eine Initiative hat das allerdings verhindern können - jetzt wird der alte Bestand saniert. Bestsellerautorin Alexandra Reinwarth kauft und revitalisiert solche Häuser.
Eigentlich sollte das Valencianer Viertel "El Cabanyal" dem Erdboden gleichgemacht werden. Die dortigen Gründerzeithäuser waren zum Teil verfallen, die Gegend galt in der Stadt als verrufen. Hohe Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Drogenhandel - vor fünf oder sechs Jahren traute sich hier niemand hin, obwohl das Grätzel direkt ans Meer angrenzt. Doch das war einmal. Mittlerweile blüht die Gegend langsam auf, einzelne Häuser werden aufwändig renoviert, die Straßen neu gepflastert. El Cabanyal soll aufgehübscht werden, damit es auch zum mondänen Valencianer Stadtbild passt. Eine, die bereits mehrere Gründerzeithäuser gekauft und auch saniert hat, ist die Schriftstellerin Alexandra Reinwarth.
Sie gehört zu jenen Autorinnen, die von ihrer Arbeit sogar sehr gut leben können. Ihr Ratgeber "Am Arsch vorbei geht auch ein Weg" aus dem Jahr 2016 hat sich rund 600.000 Mal verkauft, auch ihr Werk "Das Leben ist zu kurz für später" wanderte mehrere hunderttausend Male über die Ladentheken. Erst heuer ist "Glaub nicht alles, was du denkst" erschienen. Insgesamt hat Alexandra Reinwarth rund zwei Millionen Bücher verkauft. Und das Geld, das sie mit ihren Büchern verdient, das steckt sie in die Häuser in diesem Viertel. Und mit ihr viele andere, die den einzigartigen Charakter der Häuser in einem ehemaligen Fischerdorf erhalten wollen.
Ein Wochenende in Valencia. Strahlender Sonnenschein, Temperaturen um die 27 Grad, Badewetter am 3. November. Alexandra Reinwarth erwartet uns in einer Bar im El Cabanyal, die vom Vater ihres Sohnes Fritz geführt wird. Es gibt Meeresfrüchte und Entrecôte, liebevoll auf dem Teller drapiert. Alex, so wird Reinwarth von ihren Freunden genannt, sitzt am Tisch, neben ihr ein Glas Weißwein, dazu Wasser, eine Kellnerin mit langen, geflochtenen schwarzen Zöpfen bringt frittierte Sardinen. Sohn Fritzi flitzt in den Gassen herum, er ist sehr aufgeweckt, wird dieses Jahr in die Schule kommen.
##Stadtteil der Fischer
"Ja, weißt du", sagt Alexandra Reinwarth über ihre Beweggründe, in das ehemalige Glasscherbenviertel zu investieren, "El Cabanyal ist einfach ein besonderes Viertel. Es war ein Stadtteil der Fischer, die Häuser sind von großem historischen Wert. Die muss man natürlich schützen!" Fast wären sie der Abrissbirne zum Opfer gefallen, 1998 wollte die Stadtregierung in Valencia die Blasco-Ibanez-Allee zum Meer hin erweitern. Mehr als 1.600 der ein- bis maximal dreistöckigen Häuser mit kunstvollen Kacheln und ganz eigenen Stuckaturen sollten damals abgerissen werden. Dabei ging man nicht zimperlich vor, die Stadt kaufte Häuser auf, prozessierte die Bewohner davon. Die so verwaisten Häuser wurden dann oftmals von Drogendealern besetzt. Das sollte die Valencianer noch mehr davon überzeugen, das Viertel abzureißen.
Es gab dann eine Bürgerinitiative, Salvem el Cabanyal, die vor Gericht den einen oder anderen Sieg erstritten hatte - dennoch wollte die damalige Stadtregierung ihre Pläne mit aller Gewalt durchsetzen. So stellten sich die Bewohner auch den Bulldozern entgegen - mit Erfolg. Der Großteil des Viertels konnte erhalten werden, die Regierung hatte vor vier Jahren die Kommunalwahlen verloren, die Abrisspläne wurden verworfen. Stattdessen hat sich die neue Stadtregierung dazu entschieden, das Grätzel am Meer wiederzubeleben. Und Reinwarth hatte sich mit ihrem Verdienst einige von diesen Häuschen gekauft, sie saniert. Aktuell refurbisht Reinwarth zwei einander gegenüber liegende Häuser, in der Mitte soll ein Pool entstehen. "Das ist gar nicht so einfach, das zu renovieren, die Fassade hatte schon schwere Schäden", sagt Reinwarth. Generell brauche es für diese Arbeiten den richtigen Blick. Die Kacheln, die sie bei anderen Objekten angebracht hat, sind allesamt historisch, man müsse wissen, wo man sie herbekommt. Tragende Säulen müssen manchmal gestützt werden. Und eng ist es hier auch - durch die Seitengasse passt kein Lkw. Man braucht also den passenden Bauunternehmer und Architekten.
##Liebe zum Grätzel
Was sollte Alexandra Reinwarth auch sonst mit dem Geld tun, das sie mit ihren Büchern verdient: "Auf der Bank bringt es mir nichts - so kann ich wenigstens einen Beitrag für das schöne Viertel leisten." Die fertigen Häuser werden dann vermietet - auch an ihren Freundeskreis. Aber sie plant auch, eine der Einheiten für Airbnb zu nutzen. Alexandra Reinwarth hat da-mit ihre Liebe zu historischen Immobilien entdeckt - weitere Ankäufe schließt sie nicht aus. Im Gegenteil: Ein Objekt ist ihr bereits ins Auge gestochen. "Man muss halt auf den Einstiegspreis achten, die sind sehr unterschiedlich. Manchmal sind die Preisvorstellungen auch vollkommen überzogen", weiß Reinwarth.
Und es kehrt auch wieder Leben in El Cabanyal ein. Draußen an den Bars und den Cervecerias sitzen die Menschen, essen Tapas, garniert mit einem Cava oder einem Caña, das für Spanien typische Äquivalent zu unserem Seidel Bier. Oder sie sitzen auf Stühlen vor der Türe und genießen den warmen Abend und die vom Balearenmeer herwehende Meeresluft. Bereits vor einem Jahr hat die Stadt die Straßen aufwändig neu gepflastert und Palmen gesetzt. Auch die Kanalisation ist erneuert worden. Man könnte fast geneigt sein zu sagen: Es handelt sich bei El Cabanyal um ein Stadtquartier, das gerade erst im Kommen ist.
Damit sind auch die Preise in den vergangenen fünf Jahren - also genau zu dem Zeitpunkt, als die Abrisspläne verworfen wurden, zum Teil kräftig gestiegen. Aber es wird hier auch saniert, neben Alexandra Reinwarth gibt es noch jede Menge anderer Liebhaber, die sich hier ein Häuschen gekauft haben. Und weil das Grätzel wiederbelebt wird, eröffnen auch neue Restaurants und Lokale, zum Teil in historischer Bausubstanz, die ebenfalls geschleift werden sollte. Eines dieser Lokale ist etwa La Fábrica de Hielo, die ehemalige Eisfabrik. An den alten Gemäuern hat sich nichts verändert, drinnen sind ehemalige Schiffscontainer zu Lokaltheken geworden, es werden Burger und hippe Drinks serviert. Anzeichen dafür, dass das Image des Glasscherbenviertels erfolgreich erneuert wird. Mittlerweile kann man in El Cabanyal gefahrlos durch die Gassen spazieren - ein Wandel, den man vor fünf Jahren nicht gedacht hätte. Alexandra Reinwarth liebt jedenfalls das was sie tut, wie sie im Gespräch mit dem Immobilien Magazin betont. Penibel hat sie ihre aktuellen Baustellen im Blick, verhandelt mit Bauunternehmen und Architekten.
Man könnte fast meinen, sie hätte die Immobilienmanagerin zum zweiten Beruf gemacht. Doch das ist in der Immobilienbranche gar nicht selten: Nämlich, dass man eigentlich einen anderen Berufsweg gewählt hat und zufällig in das Immobilienbusiness stößt. Wenn das passiert, dann kommt man so schnell nicht mehr weg. Alexandra ist jedenfalls stolz: "Mir macht es einfach Spaß, Gründerzeithäuser zu revitalisieren, es ist schön, den Bauarbeiten zuzusehen und zu erkennen, wie das Haus Stück für Stück schöner wird - und damit auch der Stadtteil."
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AutorCharles Steiner
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