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Drama, Baby

Portrait: Mikunda

Ein Portrait von Christian Mikunda, fotografiert im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien Dass die Immobilienprojektentwicklung ein rechtes Theater sein kann, gilt als hinlänglich bekannt. Dass dies aber auch ein durch und durch positiver Aspekt sein kann, ist eine neue Sichtweise. Christian Mikunda hat die Dramaturgie, wie wir sie aus Film und Fernsehen kennen, zum Erfolgsrezept für Immobilien-, Shoppingmall-, und Stadtentwicklungsvorhaben erhoben. Oder vielmehr die essentiellen Erkenntnisse aus der Inszenierung einem Dolmetscher gleich von der eine Sprache in die andere übersetzt. Beratung im Bereich der strategischen Dramaturgie mutet aufs Erste natürlich nicht besonders geläufig an. Wenn man erfährt, wo das Unternehmen von Mikunda überall seine Finger im Spiel hat, wird aber schnell klar, dass es sich hierbei um eine unbedingt zu schließende Wissenslücke handelt. Christian Mikunda und seine Frau Denise sowie seine Mitarbeiter nennen sich Psychotechniker. Sie haben es sich zum beruflichen Inhalt gemacht, als Anwälte der Konsumenten die Aufenthaltsqualität an jenen Orten zu erhöhen, wo wir uns täglich aufhalten - sei es wo wir arbeiten, wo wir einkaufen oder wo wir unsere Freizeit verbringen. Was das genau bedeutet, lässt sich nicht in einem klärenden Satz zur Einleitung wiedergeben, aber ich verspreche Ihnen: Am Ende des Artikels haben Sie eine Idee von der Tätigkeit eines Psychotechnikers und werden sich bei dem Gedanken ertappen, was Mikunda und sein Team wohl über Ort XY oder über Projekt QZ denken würden. ##Der dritte Ort Um sich der Arbeit von Mikunda inhaltlich zu nähern, sollte man zunächst wissen, was ein \"dritter Ort\" ist. Oder fangen wir besser beim \"ersten Ort\" an - der erste Ort ist die emotionale Wohnung, jener Ort, wo wir unsere Nächte und unsere Freizeit verbringen, wo wir uns zu Hause fühlen. Der \"zweite Ort\" ist in weiterer Folge der Arbeitsplatz, der seit den Fünfzigerjahren ebenfalls zu einem \"home away from home\" geworden ist. Denn seit dieser Zeit ist es in unsere Kultur übergegangen, dass wir uns auch die Arbeitsstelle mit persönlichen Gegenständen gestalten und damit emotional weiter aneignen dürfen. Daran anschließend ist der dritte Ort nun ein öffentlich zugänglicher Bereich, der nicht unbedingt vordergründig dem Konsum dient, kein \"Zuhause\" im engen Sinn darstellt, aber dennoch ein Platz für Begegnung und Freizeitgestaltung ist. Ein Beispiel: Was früher die italienische Piazza für das Gesellschaftsleben einer Ortschaft oder einer Stadt bedeutet hat, kann man in Österreich an Plätzen wie dem Donaukanal oder dem Museumsquartier in Wien emotional nachvollziehen. Viele dieser gut etablierten dritten Orte sind mittlerweile leider unter Druck geraten. Konsumzwänge und - dramaturgisch gesehen - szenische Verunstaltungen nehmen den Menschen ihr Hochgefühl bei der Nutzung von solchen Plätzen. Und um Hochgefühle geht es laut Mikunda bei dritten Orten und Immobilien. ##Die sieben Hochgefühle Aus dem Katechismus der katholischen Religion sind uns die sieben Todsünden bekannt. Geiz, Trägheit oder Hochmut stellen auch in unserer Gesellschaft abseits jeglicher Spiritualität keine Zier für einen Menschen dar. Dennoch - was diesen oder den vier weiteren Todsünden an emotionaler Grundlage innewohnt, kennt jeder von uns. Die Ausprägung ist es, auf die es ankommt und die daraus etwas Negatives und Verabscheuungswürdiges macht. Die positive Variante der tiefen emotionalen Basis dieser Todsünden übersetzt Mikunda in die sieben Hochgefühle: Glory, Joy, Power, Bravour, Desire, Intensity und Chill. Eines oder mehrere dieser Hochgefühle sollen Orte in uns auslösen können und damit sozusagen ein \"emotionales Geschenk\" für ihre Besucher bereithalten. Dazu müssen Sie - neben ihrer einzigartigen Identität - bestimmte Eigenschaften besitzen. ##Das Mantra des dritten Ortes Mikunda hat dazu ein klares Rezept. Vier Elemente müssen beachtet werden, damit dieses emotionale Geschenk sozusagen in Ruhe ausgepackt werden kann. Die Concept Line - das geheime innere Drehbuch des Ortes - muss sich wie ein roter Faden durch die Gestaltung ziehen. Ein Beispiel: Bei Mikundas Zusammenarbeit mit IG Immobilien zieht sich dieser rote Faden sogar durch alle bisherigen gemeinsam umgesetzten Projekte. Es handelt sich dabei um einen Concierge-Service, der als spezielle Geste den Kunden der IG Wohnanlagen genauso verlässlich zur Verfügung steht wie in einem anderen Mall-Projekt den Shoppingcenterbesuchern. Neben der Concept Line braucht es ein Malling System, also eine Orientierungshilfe, damit man sich an einem Ort nicht verloren fühlt. Dies kann funktional mit Hilfe von Übersichtskarten umgesetzt oder aus der Gestaltung selbst deutlich werden - etwa durch geeignete Sichtachsen oder Farbleitsysteme etc. Ein Ort muss möglichst schnell verstanden werden können, dem Besucher seine Achsen und Knotenpunkte vermitteln. \"Die räumliche Erschließung ist mitunter das Wichtigste an einem Ort - er muss so beschaffen sein, dass eine \'kognitive Landkarte\' für alle zugänglich wird. Ein perfektes Malling System hat ein Ort dann, wenn das Suchen und Finden zu einem Genuss werden\", erklärt Mikunda. Ein weiteres grundlegendes Element des dritten Ortes bildet ein Landmark - etwas, das die Identität dieses Ortes zusammenfasst und schließlich für alle gut sichtbar macht. Dies kann variantenreiche Ausprägungen haben. Das Museumsquartier in Wien ist ein gutes Beispiel dafür: \"Das MQ selber ist kein Landmark. Es ist niedrig gebaut und unscheinbar von Mauern umschlossen. Auch die Museen ducken sich in das Areal und können von außen nicht wahrgenommen werden. Demgemäß wurde es in seiner anfänglichen Phase nicht sofort als der Begegnungsort angenommen, der er heute ist. Erst als die bunten \"Enzis\" aufgestellt wurden und durch die Tore nach außen geleuchtet haben, war das MQ in der Lage, Interesse bei den Wienern abseits der Fraktion der Museasten zu wecken - sein Landmark war etabliert. Und das hat dann auch die \"coolen Kids\" ins Quartier gebracht\", erklärt Mikunda. Als viertes Element braucht es auch noch eine Core Attraction - etwas, das die Menschen anzieht und das sich gut kommunizieren lässt. Im Falle des MQ ist das die Chill-Zone, die sich durch die Nutzung der Enzis als Sitzmöbel etabliert hat. Sozusagen eine Faustregel für Landmark und Core Attraction ist, dass sie sich beide bestens für Public Relations eignen: Man kann sie fotografieren und darüber sprechen. \"Wenn das nicht möglich ist, ist der Entwurf einfach noch nicht fertig\", erklärt Mikunda. ##Zwischen Hochgefühl und Todsünde Aber zurück zum Konzept der Hochgefühle, das der Psychotechniker Mikunda in seinem jüngsten Buch \"Warum wir uns Gefühle kaufen. Die sieben Hochgefühle und wie man sie weckt\" genau unter die Lupe nimmt. Beim Versuch, diese Gefühle mittels der Beschaffenheit von Orten und Bauwerken zu wecken, sollte man nämlich nur mit Gespür vorgehen. Der Grat zwischen einem Hochgefühl und der negativen Ausprägung in Form der so genannten Todsünde ist manchmal schmal. Glory - also das Gefühl der Erhabenheit - scharf gegen Hochmut abzugrenzen, kann sich schwierig gestalten. \"Per Definition sind alle Wolkenkratzer Hochmutsinszenierungen\", so Mikunda. Dem dagegen gehalten darf und soll aber ein Ort den Besucher auf ein Podest stellen. Eine Büroimmobilie muss mit einer entsprechenden emotionalen Aufladung aufwarten: \"Es ist es wert, an diesem Ort zu arbeiten und diesen Ort zu besuchen\", soll die Botschaft sein, die sie vermittelt. Mikunda ist dabei sehr konsequent bei der Beurteilung von Projekten und gibt zu bedenken: \"Orte können auch krank machen. Wer sich im Shoppingcenter der Wiener Gasometer aufhält, hat nach 30 Minuten Grippesymptome. Eine Immobilie muss in seinen weichen Faktoren gut mit den Menschen umgehen.\" Da gibt es für den Dramaturgen keine Entschuldigung. Ein Gebäude oder ein Komplex muss nicht nur ökologisch, sondern auch ästhetisch nachhaltig sein. Er spricht vom ästhetisch-psychologischen Klima, das großen Einfluss auf die Menschen in einem Land hat. Wichtig sei es in erster Linie, sich mit diesen Aspekten in der Planung von Malls, Flagshipstores, anderen Gebäuden oder auch ganzen Stadtteilen zu befassen. \"Vieles wird natürlich unbewusst in Bauwerken umgesetzt - ob nun gut oder schlecht\", so Mikunda. Bei Beratungsprojekten ist für ihn daher der erste Schritt, dem Architekten seine eigene Handschrift zu erklären. \"Das Verdeutlichen und In-Worte-Fassen der eigenen Methoden schmeichelt selbst Stararchitekten. Danach können wir anfangen, sämtliche Fehler aufzudecken\", sagt der Psychotechniker über seine Arbeit. \"Es ist wichtig zu zeigen, dass es mehr gibt als die kalte Funktion eines Gebäudes. Es gibt immer auch eine soziale Relevanz.\" ##Vom Filmtheoretiker zum Immobiliendramaturg Christan Mikunda über seine berufliche Idee zu portraitieren, liegt wohl bei keinem anderen Experten so nahe. Das Berufsbild des Psychotechnikers hat der passionierte Theoretiker eigens für sich erschaffen und er ist auf diesem Gebiet gemeinsam mit seiner Frau und seinem Team nach wie vor konkurrenzlos. Um einen gänzlich neuen Weg zu ebnen, braucht es nicht nur eine herausragende Idee und eine nicht versiegen wollende Quelle der Hingabe, sondern auch viele Jahre der konsequenten und harten Arbeit. Mikunda hat erst über ein Jahrzehnt als Fernsehjournalist gearbeitet, bis er schließlich begonnen hat, Kollegen in der Inszenierung von Gefühlen zu schulen. Diese ersten Schritte in der Lehre haben dem promovierten Medienwissenschaftler und Psychologen eine Gastprofessur in Tübingen beschert, die Universität Wien und andere akademische Einrichtungen folgten. Bei der Immobilie war Mikunda da aber noch nicht gelandet. Eines Tages erhielt er den Auftrag, vor einer Gruppe von deutschen und schweizerischen Vertretern der Großindustrie ein Seminar über Marketing-Dramaturgie zu halten. Viele seiner Hörer aus dieser Lehrveranstaltung wurden zu Beratungskunden - unter ihnen Mercedes und BMW -, die ihn für ihre Bauprojekte wie zum Beispiel die BMW-Welt mit ins Boot geholt haben. Die Qualität seiner Arbeit hat sofort von sich reden gemacht und so kamen immer mehr Kunden aus der Immobilienbranche dazu. Projekte wie der Uniqua Tower, Siemens City sowie das bereits erwähnte Museumsquartier in Wien, Sihlcity in Zürich mit Theo Hotz, MyZeil und Die Welle in Frankfurt, die Berner West Side in Zusammenarbeit mit Daniel Liebeskind, City Ring in Bukarest oder das Sony Center in Berlin als wirklich kleine Auswahl seiner Arbeiten sprechen für sich. Daneben hat er sein Leben der Entwicklung seiner Theorie gewidmet und eine Reihe von Büchern verfasst, die seine intellektuellen Produkte für Studenten und Experten über seine Lehrstühle hinaus zugänglich machen. Insbesondere seine bereits erwähnte letzte Publikation \"Warum wir uns Gefühle kaufen\" kann Entwicklern tieferen Aufschluss über sein Konzept und wertvolle Hinweise für gelungene Projekte geben. ##Diskretion ist alles Sein Büro ist übrigens Tabuzone für Kunden und erst recht für Journalisten, seine laufenden Projekte werden wie Staatsgeheimnisse strengstens gehütet. Daher fand das Treffen mit Mikunda im MuMok statt - und zwar im Rahmen der Ausstellung \"Hippies use side doors\" von Cosima von Benin, ihres Zeichens eine Künstlerin, deren Werke ebenfalls stark auf die Inszenierung von Emotionen setzen. Die Concept Line der Ausstellung hat Mikunda schnell erkannt: Es sind die Stofftiere, die sich offen oder verdeckt in fast allen ihrer Werke tummeln. Beim Durchwandern der Museumsräumlichkeiten sind die Fotoaufnahmen des sympathischen Denkers entstanden. Auf die Frage, ob bei einer gekonnten Inszenierung nicht auch ein manipulativer Aspekt ein Thema ist - wenn wir etwa an Shoppingmalls denken -, erwidert er schlicht: \"Man muss eine gute Gestaltung eines Geschäftes einfach nur auf sich wirken lassen und genießen. Wenn man zum Beispiel Lust bekommt, jedes Kleidungsstück herauszunehmen und anzusehen und die Kinder herumzulaufen beginnen, das ist das emotionale Geschenk an uns, nehmen wir es an.\" Er selber, so verrät er, kauft mit Ausnahme von Büchern und Musik nie freiwillig irgendetwas ein. Zur Anschaffung neuer Kleidung oder Schuhe muss ihn seine Frau zwingen. Das macht Christian Mikunda und seine Intentionen nur noch glaubwürdiger.
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 10. April 2015 - zuletzt bearbeitet am 14. August 2025


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AutorBarbaba Bartosek
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