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ESG, Green Lease und Right to Plug
Klima- und Umweltschutzthemen verändern die Immobilienwirtschaft. Wir fassen gesetzliche Rahmenbedingungen, Faktoren für die Neuausrichtung und Aussichten zusammen.
Die im Rahmen des Klimaschutzabkommens von Paris eingegangene Verpflichtung seitens der Europäischen Union sieht eine Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um zumindest 40% im Vergleich zu 1990 vor.
Österreich hat 2020 eine Treibhausgas-Emissionsreduktion um 16% gegenüber 2005 zu erreichen. Immobilien gehören zu den größten CO² Emittenten im Wirtschaftskreislauf. In Österreich ist der Sektor Gebäude gemäß Klimaschutzbericht des Umweltbundesamts 2019 mit einem Anteil von rund 10% der drittgrößte Verursacher der Treibhausgas- Emissionen, der Bausektor ist größter Energieverbraucher Europas.
##Künftige Kapitalumschichtung
In der Welt institutioneller Anleger führen ökologische, soziale und Governance-, kurz ESG-Faktoren, zu einer Neubewertung von Risiken und Vermögensbewertungen. Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock, der erheblich in deutsche Immobilienunternehmen investiert, hat Nachhaltigkeit zu seinem neuen Investment-Standard erklärt. Firmenchef Larry Fink schreibt in seinem diesjährigen Brief an CEOs, dass aus dem Klimawandel resultierende Anlagerisiken eine erhebliche Kapitalumschichtung in Gang setzen werden. Die Beachtung von ESG-Faktoren sei essenziell, um ein nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten.
##Folgen für den Immobiliensektor
Unter diesen Bedingungen ist die Umstellung hin zu mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche unumgänglich. Diese soll unter anderem durch die Steigerung der Energieeffizienz (Niedrigstenergiegebäude, energetische Sanierung) erzielt werden.
##Aktuelle Maßnahmen und Entwicklungen
Grüne Zertifizierungsstandards sind aktuell bereits zum wichtigen Bestandteil bei Immobilientransaktionen geworden. Institutionelle Investoren setzen diese regelmäßig voraus und zahlen für die Erreichung besserer Zertifikate höhere Kaufpreise. Die ÖGNI zertifiziert in Österreich nachhaltige Gebäude nach dem europäischen Qualitätszertifikat DGNB. Daneben haben sich Zertifizierungssysteme BREEAM und LEED etabliert und das Umweltministerium bietet mit "klimaaktiv" eine eigene Zertifizierung an. Die österreichischen Regelungen, Gesetze und Verordnungen zum nachhaltigen Wirtschaften im Bausektor sind überwiegend Umsetzungen europäischer Vorgaben. Bund und Länder haben mit einer gemeinsamen Vereinbarung zur Umsetzung der Gebäuderichtlinie der EU Maßnahmen zur Einsparung von CO² sowie Mindestanforderungen für den Neubau von Gebäuden festgelegt.
Die neu überarbeitete EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ist Mitte 2018 in Kraft getreten und umfasst Maßnahmen zu Gebäudesanierungen und der Verbesserung der Energieeffizienz neuer Gebäude.
In Umsetzung der RL wurde vom Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) die neue OIB-Richtlinie 6 erstellt. Nach dieser sind ab 2021 alle Neubauten und ab 2019 alle öffentlichen Gebäude als "nearly zero-energy buildings" auszuführen. Der geringe Energiebedarf soll zum wesentlichen Teil aus erneuerbarer Energie gedeckt werden. Neben den Bauvorschriften setzt die Wohnbauförderung in Österreich Anreize zugunsten energiesparender Maßnahmen und des Einsatzes erneuerbarer Energieträger.
##Green Lease
Derzeit sind Green Leases, also auf nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung von Immobilien gerichtete Mietverträge, hierzulande noch mehr Ausnahme als Norm. Mieter sollen zur möglichst nachhaltigen Nutzung, Vermieter zur Bewirtschaftung des Mietobjekts veranlasst werden. Dabei geht es mieterseitig beispielsweise um die Reduzierung von Abfällen, Verbrauch und Emissionen sowie vermieterseitig um die ökologische Durchführung von Erhaltungs- und sonstigen Baumaßnahmen. Aus der nachhaltigen Bewirtschaftung entstehen regelmäßig Kostenreduktionen, daneben bietet sie einen Vermarktungsvorteil. Wir erwarten, dass sich diese Vorteile auf Attraktivität und Wert von Immobilien auswirken und damit Green Leases zukünftig zunehmende Bedeutung erlangen werden. Eine Vorstufe in der Praxis ist die Implementierung einzelner, individuell angepasster "grüner" Mietvertragsklauseln.
##Intelligente Gebäude
Neben baulichen Maßnahmen kann die Automation und Vernetzung von Gebäudefunktionen und Bestandteilen wie Fassade und HKLS-Systemen die Energiebilanz bei der Nutzung verbessern. Sensoren können Betriebs- und Nutzerdaten messen, intelligente Systeme diese samt Wetterprognosen in die effizienteste Steuerung der Gebäudetechnik einbeziehen. Bei Licht, Heizung, Kühlung und Facility Management kann damit erheblich Energie eingespart werden.
##Vorhaben neuer Regierung
Anfang 2020 wurde das Regierungsprogramm der neuen ÖVP/Grünen Bundesregierung vorgestellt. Unter den geplanten Umweltmaßnahmen finden sich Investitionsanreize für Sanierungen und Neubau. Für eine Bauweise unter höchsten ökologischen Aspekten soll eine Erhöhung bzw. Schaffung neuer Abschreibungsmöglichkeiten möglich sein. Die Vergabe von Wohnbaufördermitteln soll zwingend an umweltschonendes Bauen geknüpft werden. Im Schwerpunkt "Wohnrecht" soll als Zielsetzung ein "Right to Plug" - also "das Recht zum (Auf)laden" verankert werden, um E-Mobilität zu fördern. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, sollen die Bundesländer ebenfalls klimarelevante Maßnahmen in den Bauordnungen implementieren.
##Beratungspraxis
All diese Rahmenbedingungen sind juristisch bei der Begleitung von Transaktionen, bei Akquisitionen und Bauprojekten bis hin zu Management- und Mietverträgen künftig stärker mit einzubeziehen. Im Sinne eines "Know Your Client"-Ansatzes müssen sich Immobilienberater mit den Auswirkungen der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzen.
##Fazit
Der Megatrend Ökologie hat als gesellschaftlicher Veränderungsprozess auch die Immobilienwelt erfasst. Das zeigt die zunehmende Berücksichtigung von Kriterien wie ESG-Faktoren bis zum Aufkommen von Green Leases und dem Fokus politischer Zielvorgaben und Zertifizierungen in Richtung Nachhaltigkeit. Auf dem Weg hin zu einer ressourceneffizienten, nachhaltigen Bauwirtschaft und Immobiliennutzung müssen gesetzlicher Rahmen und Investitionsstrategien zusammen eingesetzt werden, um im Sinne eines gesamtheitlichen Systems den Bedürfnissen der Umwelt und der Menschen zu dienen und nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten.
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AutorKARL KOLLER, Partner PwC Legal Österreich & ELIAS PRESSLER, Senior Consultant PwC Legal Österreich
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