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Generation Why

Neue Bürowelten wandeln Reibungswärme eines Großraumbüros in Nestwärme um.
Neue Bürokonzepte verlangen Office-Entwicklern und Bestandshaltern viel ab. Doch ist das Büro nur ein Abbild seiner Zeit? Gibt es das perfekte Büro? Und was ist, wenn die Generation Z dann doch andere Bedürfnisse hat? Der Mensch ist ein divergentes Wesen. Er vereint viele gegensätzliche Eigenschaften in sich. Er sucht die Gemeinschaft gleichermaßen wie die Einsamkeit. Er ist strebsam, geht aber auch den Weg des geringsten Widerstands. Er definiert sich über die Arbeit, erlaubt es sich aber auch hin und wieder Dolce far niente, das süße Nichtstun. Der Homo Sapiens oszilliert immer zwischen zwei Extremen, Dunkel und Hell, Geselligkeit und Rückzug. Innerhalb dieser Spannungsfelder ist er fähig, Großartiges zu vollbringen, erstaunliche Leistungen. Wie diese Leistungen aus Mitarbeitern herauszukitzeln sind, darüber zerbrechen sich Unternehmen schon so lange den Kopf, wie es Unternehmen gibt. Die gemeinsame Klammer zwischen Unternehmen und Mitarbeitern: Der Arbeitsplatz. In diesem Falle, das Büro. ##Gebaute Kultur So wie sich die Menschheit entwickelt hat, hat sich auch der Arbeitsplatz verändert - wie die Arbeitsbedingungen selbst auch. Leibeigenschaft gibt es nicht mehr, 12 Stunden in Fabriken schuften, wie während der industriellen Revolution auch nicht. Unternehmen haben erst langsam erkannt: Mit Zwang verheizt man Menschen, man kommt zwar sehr schnell sehr weit, was Produktionsmargen betrifft, Weiterentwicklungen werden so von den Mitarbeitern aber nicht kommen. Und irgendwer muss die Produkte ja auch kaufen. Eine Veränderung ist im Gange. Das wesentlich deutlichere Beispiel für den Change-Management-Prozess von Arbeitgebern, den es eigentlich immer schon gegeben hat, ist das Büro. "Das Büro ist gebaute Kultur, die Summe kollektiv gelebter Werte", sagt Andreas Gnesda, Geschäftsführer von teamgnesda. Ein Abbild jener Generationen, die darin arbeiten. Nur: Werte verändern sich, in letzter Zeit sogar schneller als in den Jahrhunderten zuvor. So schnell, dass es für die einzelnen Generationen eigene Namen gibt. Boomer, Generation X, Generation Y, hierauf die Generation Z. Die Boomer gehen langsam in Pension, Generation X und Y stehen mitten im Arbeitsleben, die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern. So, wie man sie an den Werten auseinanderhalten könnte, so wäre das auch bei Büros möglich. Großraumbüro, Gruppenbüro, Einzelbüros, Shared Offices, Co-Working-Spaces, Gemeinschaftsplätze - das alles sind Abbilder einer Zeit und Werte, wie sie die betreffende Generation vertreten. Die Generation Y und Z, die hat ganz andere Vorstellungen als Boomer. "Für die Generation Z hat Sinnerfüllung und Verwirklichung einen ganz anderen Stellenwert", sagt Gnesda. Arbeiten kann man - dank Internet und Smartphone - überall, man muss nicht ins Büro. "Damit wird das Büro zum Ort der Gemeinschaft, der Kommunikation." Der Arbeitsplatz ist damit ein Lebensraum. Das war er zwar immer schon - aber erst jetzt wird er auch als solcher betrachtet. ##Viele Stellschrauben Für Büroimmobilienentwickler und Bestandshalter - wie auch für Architekten - keine einfache Aufgabe, alles unter einen Hut zu bekommen. Der Lebenszyklus einer Immobilie währt in der Regel länger als die Arbeitszeit einer Generation - und damit den Werten, die sie vertreten. In den letzten 20, 30 Jahren hat sich zudem die (Gebäude)-Technik rasant weiterentwickelt. Denn wenn das Büro der Ort der Kommunikation und der Gemeinschaft sein soll, muss der Mitarbeiter auch gerne hingehen. Raumkonditionierung ist aber nur ein kleiner Punkt in der schier endlosen Kette an Anforderungen, um den Mitarbeiter dazu zu bewegen. Viel wesentlicher ist einmal die Grundsubstanz, die Immobilie an sich. Man fragte also bei Architekten nach, die diese konzipieren. Und landete bei HNP Architects, die den Office Park 4 am Wiener Flughafen geplant hatten - bei einer angenehmen Diskussionsrunde mit Heinz Neumann, Oliver Oszwald und Florian Rode. Schließlich saßen da zwei Generationen von Architekten am Tisch, passend, um über sich wandelnde Bürowelten zu reden. Etwa, dass man mit neuen Bürowelten die Reibungswärme eines Großraumbüros in Nestwärme umzuwandeln versucht hatte. Dass letztendlich der Flächenschlüssel für die Immobilie immer radikaler geworden ist, weniger Quadratmeter für Mitarbeiter zur Verfügung stünden - und man daher kombiniert. Was insofern zur Entwicklung passt, da durch die Digitalisierung der fix zugewiesene Büroplatz nicht zwingend notwendig sei - arbeiten kann man mittlerweile von überall aus, selbst von zu Hause. Das Büro, das ist der Ort, wo man sich zugehörig fühlt, aus dem Alltag ausbricht, aber dennoch kreativ und produktiv ist. Der Rest - die Einrichtung - ist Bühnenarchitektur, die diese Gefühle auslösen - und gleichzeitig den Flächenschlüssel kompensieren soll. Das Büro ist mehr zum Kommunikations-Hub geworden, eine Produktivitätssteigerung durch Reize. Bis Heinz Neumann dann sagt: "Nie haben Architekten ein Großraumbüro entwickelt. Das ist eine Auflage des Bauherren. Unsere Aufgabe als Architekt ist, das so umzusetzen, dass man darin leben kann." Weswegen, so Oliver Oszwald, man so flexibel bauen muss, dass man auch alle möglichen Büro-Organisationsformen ohne viel technischen Aufwand abbilden kann. Architektur ist als Spiegelbild der Gesellschaft zu verstehen. Denn, fügt Florian Rode hinzu: Innenarchitektur ist ebenfalls eine gesellschaftliche Entwicklung, eine Wellenbewegung. Jetzt sind Büros mit Entertainment hip. Wenn die Mitarbeiter davon genug haben, bildet sich das wieder zurück. Deshalb muss flexibel geplant werden. ##Verschwinden Büros? Die offenen Bürokonzepte, wo Arbeitszeit und Freizeit miteinander verschwimmen, wo man Mitarbeiter dazu bringen will, gerne ins Büro zu kommen und vor allem im Unternehmen zu bleiben, schließen noch eine andere Klammer. Nämlich: Man muss technisch gesehen nicht ins Büro, um arbeiten zu können. Die digitale Kommunikation macht die Arbeit von so ziemlich jedem Fleck der Erde aus machbar, man ist flexibel und ortsungebunden. Ewald Stückler, Geschäftsführer von T.O.C., sieht das Büro wie einen Bienenstock: "Dort wird der Blütenstaub abgeladen, der außerhalb des Bienenstocks gesammelt wird. Er ist das zentrale Kommunikationselement des Bienenvolks. Die eigentliche Arbeit wird aber außerhalb verrichtet." Irgendwie passend, hat doch vor einiger Zeit die Immofinanz ihre Büromarke Myhive, zu deutsch "Meine Wabe", gelauncht. Das Ziel: Neben mehr Flexibilität für Unternehmen und Nutzer auch eine Community zu etablieren, die Büromitarbeiter sollen sich dabei als Teil eines exklusiven Clubs fühlen, sich untereinander ungezwungen vernetzen können. Wie man hier die Zukunft sieht? Dietmar Reindl, COO bei der Immofinanz, sieht diese ganz klar in Richtung noch mehr Flexibilität, Kombinierbarkeit, wie er bei einer 5 o'clock-Livesendung erklärte. Heißt: Jederzeit austauschbare Glastrennwände und eine flexibel organisierbare Haustechnik und in weiterer Folge Büroflächen ab zwei Mitarbeitern bei einer Laufzeit von einem Monat. So sollen Unternehmen, je nach wirtschaftlicher Lage, im Bürogebäude atmen können, ohne durch starre Mietverträge gebunden zu sein. ##Rudelgefühle Die Klammer ist die, dass Büros die Gruppendynamik fördern, ein Rudelgefühl ausdrücken, eine Zugehörigkeit. Dinge, die tief in der menschlichen DNA eingeprägt sind. Wie auch die Bequemlichkeit, weswegen noch ein anderes Phänomen hinzukommt, wie Ewald Stückler anmerkt: Nämlich - früher sei die Shoppingmall ein Ort der Begegnung gewesen, jetzt ist das digitale Bestellen für viele einfacher geworden. Das Gleichnis ließe sich auch auf Büros übertragen, nämlich, wenn sich die Qualität der digitalen Kommunikation weiterentwickelt. Dann stellt sich irgendwann die Frage, ob dieses Zusammengehörigkeitsgefühl nicht auch ohne den Weg zum Büro machbar ist. "Wenn es dann etwa virtuelle Meetingräume gibt, dann muss man sich auch nicht mehr physisch treffen", so Stückler. Wie er sich das Bürohaus der Zukunft vorstellt? "Die Frage ist mehr, ob es ein Bürohaus der Zukunft überhaupt in der Form geben wird." Aber es könnte zu einem anderen Trend kommen, wie aus einer aktuellen Studie des Büroflächenanbieters Regus hervorgeht: Die Gegenden außerhalb der Ballungsräume. Flexible Büros können nämlich auch außerhalb der Ballungszentren gebaut werden - und das kann für einen Drive in den Regionen führen, so eine sozioökonomische Studie über flexible Arbeitsplatzlösungen. Ein einziger Standort, der solche Arbeitsplatzlösungen anbietet, könne durchschnittlich 9,72 Millionen Euro pro Jahr für die lokale Wirtschaft generieren. Das hat auch seine Gründe - und die liegen mitunter bei den Pendlern. Diese müssten so nicht in die Ballungszentren fahren, sie können vor Ort arbeiten. Damit sind die Zahlen, die Regus liefert, auch nachvollziehbar - denn der Pendler erspart sich durch einen solchen Standort einerseits Zeit und Geld, andererseits generiert er für das Unternehmen Wertschöpfung - und die gibt er dann vornehmlich im Ort aus. Regus geht jedenfalls davon aus, dass sich der Trend in den kommenden zehn Jahren erheblich verstärken wird. So könnten in Gemeinden außerhalb der Ballungszentren über 20.000 Büroarbeitsplätze generiert werden. Mark Dixon, CEO von IWG, Muttergesellschaft von Regus, sagt: "Wenn Menschen in Großstädte pendeln, pendeln ihre Geldbörsen mit ihnen. Was diese Studie zeigt, ist, dass die Bereitstellung von mehr Möglichkeiten für Menschen, näher am Wohnort zu arbeiten, eine enorme Wirkung haben kann, nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf ihre lokale Umgebung."
Flexible Büros können auch zur Wertschöpfung im ländlichen Raum beitragen.

© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 01. Februar 2020 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


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AutorCharles Steiner
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