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Gleinstätten – Plötzlich war es laut

Bisweilen steckt das Verkehrskonzept Shared Space noch in den Kinderschuhen, die aber – einmal ausgelatscht – auch rasch wieder ausgetauscht werden können, siehe Gleinstätten. Frau Maria, eine Anrainerin – die „kernige“ ältere Dame verbrachte ihr ganzes Leben in der Marktgemeinde, erinnert sich: „… und dann wars laut“; und ihr Nachbar, der hierorts liebevoll „da Straßen-Wirt“ genannt wird, ergänzt: „… und a Gschäft hamma a neama gmacht.“ Blieben zuerst noch viele „motorisierte Laufkunden“ extra stehen, um den ersten Shared Space Österreichs zu bewundern – dabei kehrten sie (hoffentlich antialkoholisch) im Wirtshaus ein –, hieß es später nur noch „nichts wie weg“: die Fahrbahn war sogar den „Durchzüglern“ zu laut! Das steirische Gleinstätten (8443, politischer Bezirk Leibniz) mit seinen rund 1.500 Einwohnern gruppiert sich – wie so viele österreichische Kommunen – um eine Durchzugsstraße. So eine Besiedelung in „Angerform“ hat in der Steiermark, mindestens genauso wie in Ober- und Niederösterreich sowie im Burgenland, bäuerliche Tradition. Heute noch wird das Gleinstättner Umland intensiv landwirtschaftlich genutzt – der Anbau von Mais dominiert –, dennoch gibt es ein zartes, touristisches Pflänzchen: Gleinstätten im Naturpark „Südsteirisches Weinland“ präsentiert sich als „Badeteich-Gemeinde“, ja als „Zentrum des Kernöls“. Die ortsansässige Tondach Gleinstätten AG ist – nebenbei gesagt – einer jener vielgerühmten, zu Unrecht aber (relativ) unbekannten österreichischen Hidden Champions: Die Firma gehört zu den Marktführern in der Dachziegelerzeugung (und expandiert schon seit Anfang der 90er-Jahre stark nach Südosteuropa). Gleinstätten war jedenfalls Vorreiter für Graz und Velden, die gleichfalls Shared Space wagen. Wie hielt aber der Shared Space Einzug in Gleinstätten? ##Spekulation Shared Space Shared Space ist eine jüngere Planungsphilosophie zur Aufwertung des öffentlichen Straßenraums, der in erster Linie sicherer werden soll – dies möchte man ausgerechnet durch den Verzicht von Verkehrszeichen, Signalanlagen und Fahrbahnmarkierungen erreichen: Rücksicht ist im „gemeinsam genutzten Raum“ oberstes Gebot; die Verkehrsteilnehmer sollen nunmehr vollständig gleichberechtigt sein (wobei die Vorfahrtsregel weiterhin Gültigkeit behält). Vergleichsprojekte in Dänemark und in den Niederlanden zeigen, dass die Verkehrsteilnehmer durch einen Shared Space tatsächlich zur gegenseitigen Rücksichtnahme angehalten werden, Unfälle gingen mitunter rapide zurück. Allerdings: Österreich ist (noch) keine Nation der Radfahrer – politische Versuche hierzulande in diese Richtung dürfen zumindest als nicht mehr so zaghaft wie ehedem bezeichnet werden. Zurück zu Gleinstätten. Die damalige Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP) war federführend in der Shared-Space-Entscheidung. Dieses Projekt wurde schließlich auch vom Land Steiermark finanziert, im September 2010 war die feierliche Eröffnung. In der Bevölkerung herrschten anfangs Bedenken, das Vorzeigeprojekt verlief aber wider Erwarten zufriedenstellend: Die Tempo-30-Beschränkung wurde angenommen, es kam zu keinen Unfällen. Doch im Frühjahr des Vorjahres war klar: Eine Generalsanierung ist unumgänglich – in der Zwischenzeit waren bauliche Gebrechen aufgetreten, die Feinstaubbelastung war hoch, auch der zunehmende Lärm schrie nach Sofortmaßnahmen. ##Sanierung Shared Space Gottfried Schober, verbindlich im Auftreten und dabei hochgewachsen und sportlich aussehend, ist Direktor und Lehrer der Polytechnischen Schule mit derzeit drei Klassen mit insgesamt 72 Schülern. Als Bürgermeister (ÖVP) einer zu zwei Dritteln „schwarzen Gemeinde“ verantwortet er auch das Mobilitätsprogramm Gleinstättens; auch musste er die Bürger in den Abwärtsphasen des SP-Projektes – von Tür zu Tür gehend – beschwichtigen wie auch die medialen Aufschreie kalmieren. „Probleme bereitete vor allem die bautechnisch mangelhafte Ausführung der Pflasterflächen in der Hauptfahrbahn“, so Schober. „Diese Mängel mussten von der bauausführenden Firma aufgrund der vertraglich vereinbarten Garantie- und Gewährleistungsbedingungen saniert werden. Zusätzliche Kosten für die Marktgemeinde Gleinstätten beziehungsweise für das Land Steiermark fielen dadurch keine an.“ Die Pflasterflächen wurden von der Granit GmbH durch eine in der entsprechenden Farbe eingefärbte Betonfahrbahn ersetzt. Die erfolgreiche Sanierung zeige, so Schober, dass die Fahrbahn in ihrer jetzigen Ausführung den Beanspruchungen offensichtlich Stand halte, so dass auch in absehbarer Zukunft mit keinen neuerlichen bautechnischen Mängeln zu rechnen sei. Evaluierungen durch das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) haben gezeigt, dass sich die Durchschnittsgeschwindigkeit, mit der die Ortsdurchfahrt befahren wird, merklich reduziert hat. Zuletzt unterstreicht Bürgermeister Schober: „Verkehrstechnische Probleme durch Shared Space gab es ohne­dies nie.“ ##Was die Zukunft bringt Aktuell ist an den Stammtischen viel von Gemeindezusammenlegungen die Rede (mehr zu diesem und zum Thema „Föderalismus“ in der kommenden Ausgabe der Kommunal Wirtschaft). Auch Gleinstätten ist davon betroffen. Im Rahmen der steiermärkischen Gemeindestrukturreform soll es bis zum Jahr 2015 mit der Nachbargemeinde Pistorf fusioniert werden. Der Bürgermeister: „Wir wollen die größer werdende Gemeinde zum wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum zwischen den beiden Bezirkshauptstädten Leibnitz und Deutschlandsberg im Hinblick auf Dienstleistung, Nahversorgung, Wohnen, Kultur- und Freizeitaktivitäten weiterentwickeln.“ Dies sei freilich die sehr optimistische Sichtweise eines „strukturreformfreudigen“ Bürgermeisters. „Jetzt is neama so laut“, freut sich Frau Maria wie der „Straßen-Wirt“: „… und die Gäste kumman ah wieda!“ „Gleinstätten am Shared Space“: Zukunftsmusik der hiesigen Touristiker? Jedenfalls ist die verkehrsberuhigte Zone nach der Sanierung wieder eine kleine Attraktion geworden. Ein Ausflug ins steirische Gleinstätten lohnt im Übrigen auch wegen dem Kernöl, dem Mais und dem Wein (als Fahrer freilich nicht im Wirtshaus, sondern zu Hause genossen). Und Häuslbauer decken sich in Gleinstätten mit Dachziegeln ein. «
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 05. Mai 2014 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


RP
AutorRudolf Preyer
Tags
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