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Immobilienfirma im Kriegszustand
Sie kamen – um zu bleiben. Das oberösterreichische Immobiliendienstleistungsunternehmen Delta hat früh die Ukraine als wirtschaftliches Betätigungsfeld für sich entdeckt und ist auch jetzt dort weiter aktiv.
Wie es sich als heimisches Unternehmen in einem Land mitten im (Bürger-)Krieg lebt und warum man sich so etwas antut, verrät Wolfgang Gomernik, Managing-Partner von Delta Ukraine, exklusiv dem Immobilien Magazin.
[b]Seit wann sind Sie in der Ukraine aktiv und wie lebt und wirtschaftet es sich in einem Land, das mitten in einem Krieg steckt?[/b] Gomernik: Delta betreibt seit 2007 ein Unternehmen dort und natürlich hat sich die Situation in den letzten Jahren massiv verändert. Man darf aber nicht vergessen, dass die Ukraine ein riesiges Land ist. Nur in einem kleinen Teil des Landes herrscht Bürgerkrieg. In der Hauptstadt spürt man den Krieg an sich nur in den Emotionen der Einheimischen. Man lernt, mit der (Kriegs‑)Psychologie der Menschen hier zu leben – und zu arbeiten.
[b]Ist angesichts der instabilen politischen Situation, der diversen Bedrohungsszenarien und der Situation im Osten des Landes überhaupt noch an normales Arbeiten zu denken? Ist da nicht doch die Angst ein ständiger Begleiter?[/b] Gomernik: Wir sitzen in der Hauptstadt Kiew und betreiben von dort unsere Auftragsprojekte. Das ist sehr weit weg von den kriegerischen Auseinandersetzungen. Aber natürlich hat das alles große Auswirkungen auf das ganze Land. Die Geschäfte sind naturgemäß zurückgegangen, aber wir haben darauf reagiert und die Zahl der aktuellen Beschäftigten von 35 auf derzeit 16 reduziert. Aber mit diesem Kernteam wollen wir auch in den gegenwärtig schwachen Zeiten weiterfahren, auch wenn wir damit momentan kein Geld mehr verdienen – eher im Gegenteil.
[b]Also Augen zu und durch?[/b] Gomernik: Derzeit ja. Sollte sich allerdings der Krieg deutlich ausweiten und beispielsweise die Ukraine den Zugang zum Schwarzen Meer verlieren, dann wäre auch für uns hier Schluss. Dann würde die Situation einfach zu gefährlich und auch wirtschaftlich nicht mehr einschätzbar, dann würden wir auf die Stopp-Taste drücken.
[b]Und Sie selber, fahren Sie noch hin?[/b] Gomernik: Ja, ich bin regelmäßig alle zwei Wochen bei meinen Leuten in Kiew und so lange wir das Unternehmen hier aktiv haben, werde ich das auch weiterhin so halten. Ich habe übrigens auch private Beziehungen zu diesem Land. Insofern gebe ich die Ukraine so schnell nicht auf.
[b]Und die Bevölkerung in Kiew, wie lebt sie mit dem jetzigen Zustand?[/b] Gomernik: Natürlich ist da eine spezielle Psychologie. Beispielsweise werden derzeit viel weniger Luxusautos als sonst verkauft, dafür gibt es bei denen, die es sich leisten können, einen absoluten Boom nach SUVs. Diese stehen auch permanent mit dem Nötigsten gepackt vor vielen Häusern. Die Idee ist, wenn der Krieg doch den Westen des Landes erreichen sollte, will man schnellstmöglich und wenn nötig auch querfeldein das Land verlassen können. Das ist so gesehen schon eine spezielle Stimmung hier.
[b]Gibt es überhaupt aktuelle Projekte?[/b] Gomernik: Im kleineren Umfang durchaus. So haben wir beispielsweise erst im zurückliegenden Dezember den Auftrag für ein neues BMW-Autohaus bekommen. Hier beläuft sich das Investment doch auf einige Millionen Euro. Diesen Sommer wird Baubeginn sein.
[b]Gibt es dafür überhaupt noch Finanzierungen derzeit?[/b] Gomernik: Auf der Ebene der lokal vertretenen Banken durchaus. Diese leihen sich auch noch gegenseitig Geld. Es gibt ebenso lokale Investoren, aus dem Ausland kommen aber momentan keine neuen Investoren, das ist verständlich.
[b]Verlassen die internationalen Investoren bereits reihenweise das Land?[/b] Gomernik: Nein. Da gibt es eine Warteposition. Jene, die schon investiert haben, bleiben auch hier, haben aber vielfach auch keine andere Wahl.
[b]Gibt es neue Projekte mit österreichischen Investoren?[/b] Gomernik: Relativ neu ist ein Projekt der Uniqa in Odessa. Das hier errichtete Bürogebäude ist voll vermietet. Wir haben hier zurzeit auch einen Beratungsauftrag. Ansonsten kommen die neueren Projekte eher von lokalen Investoren, viele von ihnen finanzieren derzeit übrigens mit 100 Prozent Eigenkapital.
[b]Würden Sie sagen, dass es im Moment sehr gute Investmentchancen mit hohem Risiko gibt?[/b] Gomernik: Es gibt gegenwärtig sicher einen Markt für extrem opportunistische Projekte, beispielsweise im Logistikbereich, aber auch im Agrar- und Industriesegment. Und es gibt aktuell Filetgrundstücke zu einem historisch günstigen Preis – mit bekanntem Risiko. Risikofreudige Industrieunternehmen, die hier grade investieren wollen, sind zwar überschaubar, aber es gibt sie. Aktuell baut hier beispielsweise die Tabakfirma Reemtsa eine neue Zigarettenfabrik.
[b]Sind Sie eigentlich die letzte Bastion internationaler Immobilienfirmen vor Ort?[/b] Gomernik: Nicht ganz. Es sind noch einige kleinere internationale Unternehmen in Kiew vor Ort.
Danke für das Gespräch. «
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AutorGerhard Rodler
Tags
International
Menschen
Ukraine
Wolfgang Gomernik
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