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Kalte Enteignung durch Denkmalschutz?

Ein drohender Denkmalschutz ist für jeden Immobilienentwickler so etwas wie der Super-GAU. Denn damit haben sich Abriss und Neubau, in aller Regel aber auch großzügige Ausbauten erledigt. Der Denkmalschutz ist jedoch auch ein essenzieller Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Erbes in Österreich. Es war ein unerwartet scharfes Urteil, dass die zwölf Gemeinderäte und den Bürgermeister von Weer in Tirol Anfang 2013 ereilt hat. Schon lange hatten die Weerer den alten Pfarrhof, das sogenannte Widum, abreißen und stattdessen dort einen neuen Kindergarten bauen wollen. Eine Integration des Widums in das Kindergartenprojekt hätte Mehrkosten von ca. 300.000 Euro verursacht. Der Bürgermeister gab schließlich im Dezember 2011 im Gemeinderat ein Papier zur Unterzeichnung durch. Inhalt: der Abriss des Widums. Am nächsten Tag sollen bereits die Bagger angerückt sein. Allerdings stand das Gebäude unter Denkmalschutz. ##Unerwartet hartes Urteil Vor Gericht wurden die 13 Angeklagten des Amtsmissbrauchs, beziehungsweise der Anstiftung zu selbigem, sowie des Verstoßes gegen den Denkmalschutz für schuldig befunden und – nicht rechtskräftig – zu bedingten Geldstrafen zwischen rund 1.000 bis 14.000 Euro verurteilt. Weiters wurde jedem Einzelnen eine Wertersatzstrafe von rund 28.500 Euro auferlegt, ebenfalls nicht rechtskräftig. So schwere Strafen werden in solchen Fällen normalerweise bei Weitem nicht verhängt. Vom Bundesdenkmalamt wurde dieser Fall als besonders starkes Signal dafür gewertet, dass Verstöße gegen den Denkmalschutz eben keine Kavaliersdelikte seien. Viele Eigentümer sind aber nicht gerade glücklich darüber, wenn ihr Objekt geschützt – und damit auch gegen viele bauliche Veränderungen immunisiert – wird. ##Dickicht Denkmalschutz „Grundsätzlich dürfen Denkmäler zwar nicht verändert werden, aber gemäß Paragraf fünf des Denkmalschutzgesetzes dürfen Veränderungen vorgenommen werden, wenn die Gründe dafür die für eine unveränderte Erhaltung des Denkmals überwiegen. Das ist im Einzelfall zu entscheiden, aber ich persönlich kenne kein Denkmal, an dem keine Veränderungen zur Erhaltung vorgenommen worden wären“, erklärt Barbara Neubauer, Präsidentin des Bundesdenkmalamts (BDA). Jedes Jahr würden beim Bundesdenkmalamt circa 2000 dem Denkmalschutzgesetz entsprechende Umbaubescheide ausgestellt, so Neubauer. Derzeit stehen in Österreich knapp über 37.000 Objekte unter Denkmalschutz. Dafür muss ein Objekt über eine geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung von öffentlichem Interesse verfügen, die den Erhalt des Objekts rechtfertigt. Ob das auf ein Objekt zutrifft, wird vom Amt per Sachverständigengutachten festgestellt. Ob eine Schutzwürdigkeit vorliegt, wird aber nicht von einer einzelnen Person bestimmt. „Das ist immer eine Gremiums­entscheidung. Diese Gutachten gehen stets durch mehrere Hände, schließlich müssen sie vor Gericht einem allfälligen Gegengutachten standhalten, wenn gegen den Bescheid Einspruch erhoben wird“, so Neubauer. Aktuell warten noch 30.000 bis 40.000 weitere Bauten auf die Begutachtung durch das Amt. Ein Umfang, der sich logistisch nur schwer bewerkstelligen lässt. Zwar würden besonders dringende Fälle vorgezogen, dafür hat das BDA ein Unterschutzstellungsprogramm nach Priorität formuliert. Aber Neubauer schätzt, dass es 50 Jahre dauern würde, bis all diese Gebäude überprüft worden sein würden. Andere rechnen mit einer noch wesentlich längeren Frist. „Wenn das BDA im jetzigen Tempo weitermacht, wird es konservativ geschätzt 130 Jahre dauern, bis dieser Bestand abgearbeitet ist“, sagt Markus Landerer, Vorstandsmitglied der Initiative Denkmalschutz, die sich österreichweit schutzwürdigen Bauten widmet. Landerer sieht im Denkmalschutz in Österreich viel Aufholbedarf. „In Deutschland und der Schweiz ist der Denkmalschutz zu einem großen Teil Länder- bzw. Kantonssache, in Österreich ist er Sache des Bundes. Die Länder übernehmen hier oft zu wenig Verantwortung“, so Landerer. In Oberösterreich zum Beispiel wurde ein Landesgesetz zum Denkmalschutz im Jahr 2000 wieder abmontiert, in Kärnten war nie eines vorhanden. Aber es gibt auch Gegenbeispiele, wie zum Beispiel in Salzburg. ##Salzburgs Selbstschutz „Salzburg hat als erstes Bundesland ein eigenes Gesetz zur Denkmalpflege erlassen. Infolge massiver Eingriffe in der Salzburger Altstadt seit den sechziger Jahren wurde 1967 das Altstadterhaltungsgesetz beschlossen. Das ist so eine Art ,Denkmalschutz Light‘. 1980 kam noch eine entscheidende Novellierung dazu, mit der auch das Innere der Gebäude der Salzburger Schutzzonen geschützt wird. Das ist im Altstadtschutz in Österreich einzigartig“, sagt Dagmar Redl-Bunia, bauhistorische Sachverständige für den Altstadtschutz in Salzburg. Mittlerweile stehen in der Altstadt rund 400 Gebäude unter Denkmalschutz, etwa 1100 unterliegen dem Altstadtschutz und die Altstadt wurde zudem 1997 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Nach diesem Vorbild haben Wien und Graz ebenfalls einen eigenen Altstadtschutz errichtet und es gibt in vielen Ländern auch lokale Initiativen, die sich einzelner Objekte annehmen. Die Denkmalpflege scheint also in Österreich – abgesehen von Ausnahmen wie dem eingangs erwähnten Fall – populär und auf festen Beinen dazustehen. Oder etwa doch nicht? ##Gegen das eigene Haus „Ich höre stets von allen Seiten, wie wichtig der Denkmalschutz ist. Das hält aber meist nur so lange, bis jemand selbst damit konfrontiert ist, ein Haus zu haben, das geschützt ist. Das bedeutet eben schon einen nicht zu unterschätzenden Eingriff ins Eigentum“, räumt Neubauer ein. Es gibt, da sind sich Landerer, Neubauer und Redl-Bunia einig, immer Eigentümer, die ihre geschützten Objekte verfallen lassen möchten oder zu beschädigen versuchen, um einen Umbau oder Abriss zu erzwingen. „Die Strafsätze für solche Vorgehensweisen sind viel zu niedrig, das bewegt sich oft im Promillebereich von dem, was sich ein Hauseigentümer an Wertsteigerung durch Umbau oder Abriss und Neubau erhofft. Rein kalkulatorisch betrachtet lässt sich hier niemand abschrecken“, sagt Redl-Bunia. Der Fall Weer ist bislang eine exotische Ausnahme. Das sei nicht das einzige Problem. „Aus dem Gesetz geht nur das Verbot der Zerstörung, aber keine Erhaltungspflicht hervor. Das gibt den Eigentümern die Möglichkeit, ihre Objekte verfallen zu lassen“, führt Landerer aus. Allerdings gilt das nur in begrenztem Rahmen. „Das Gesetz verpflichtet den Eigentümer zwar nicht zum Erhalt, aber mutwillig verfallen lassen, indem er zum Beispiel alle Fenster Tag und Nacht offen lässt oder kaputte Dachziegel nicht ersetzt, darf er sein Denkmal nicht. In so einem Fall muss ich die Bezirksverwaltungsbehörde aktivieren, die ihn auffordert, so ein Verhalten einzustellen, ansonsten kommt es zu einer Ersatzvornahme (die Behörde behebt allfällige Schäden und Missstände und hält sich am Eigentümer schadlos, Anm.)“, schränkt Neubauer ein. Trotzdem sei die Motivation, ein Gebäude zu erhalten, gering. ##Wenig Hilfe für Denkmalpfleger „Wir haben zwei Möglichkeiten, Eigentümern von geschützten Objekten zu helfen. Einerseits vergeben wir jährlich 13 Millionen Euro Förderungen, das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Andererseits gibt es die verkürzte Abschreibung bei gewerblich genutzten Objekten“, sagt Neubauer. Wenn also jemand ein Schloss hat und damit Einnahmen zum Beispiel durch Führungen erwirtschaftet, kann er das Objekt steuerlich über den verkürzten Zeitraum von nur 15 Jahren abschreiben, was die Rendite für die Investoren erhöht. Will jemand ein Gebäude aber aus persönlichem Antrieb heraus erhalten, fallen steuerliche Vergünstigungen jedoch weg. „Gemäß der österreichischen Liebhabereiverordnung kann – wieder im Gegensatz zu Deutschland – ein Denkmaleigentümer, der sein Objekt aus persönlicher Überzeugung heraus erhält, diese Maßnahmen nicht von der Steuer absetzen. Er wird also dafür bestraft, dass er in öffentlichem Interesse handelt“, ärgert sich Landerer. Auch Neubauer stimmt hier zu, besteht aber darauf, dass die Mehrheit der Eigentümer sich dennoch an die gesetzlichen Vorgaben hält: „Wir stellen jährlich 200 bis 300 Objekte unter Schutz. Nur etwa zehn Prozent der Eigentümer legen dagegen Berufung ein. Beschädigungen stellen überhaupt die Ausnahme dar, das passiert vielleicht zwei bis drei Mal im Jahr.“ Schließlich kann die Erhaltung im Originalzustand für den Eigentümer auch von Vorteil sein. Redl-Bunia weiß von so einem Beispiel aus Salzburg zu berichten: „In der Goldgasse 10 gibt es ein geschütztes Hotel, das irgendwann nicht mehr den neuesten Anforderungen entsprochen hat. Deshalb wurden in den 70er und 80er Jahren Adaptionen, vor allem im Stiegenhaus und im Lichthof, getroffen. Mittlerweile wurde das Gebäude in den alten Zustand zurückgeführt, wodurch sich die Lichtverhältnisse im gesamten Haus drastisch verbessert haben. Zudem wurden unter neuem Verputz Stuckdecken und Wandmalereien entdeckt.“ Ein derartiger Mehrwert ist natürlich nur schwer zu beziffern, aber für die kulturelle Vielfalt von großer Bedeutung. Diese kann aber nur dank jener Eigentümer erhalten werden, die im Denkmalschutz auch eine persönliche Verantwortung sehen. „Ich würde mir eine bessere öffentliche Wahrnehmung all jener Eigentümer wünschen, die sich den Aufgaben der Denkmalpflege widmen“, sagt Neubauer und fügt hinzu: „Ich hoffe, das sich unsere Arbeitsbedingungen künftig so verändern, dass wir diesen Menschen noch besser zur Seite stehen können.“ «
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. Dezember 2014 - zuletzt bearbeitet am 14. August 2025


PS
AutorPeter Stenitzer
Tags
Tax & Law
Denkmalschutz
Salzburg
Bundesdenkmalamt
Weer
Barbara Neubauer
Dagmar Redl-Bunia
Markus Landerer
Initiative Denkmalschutz
Altstadtschutz

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