Liebe Leserin, Lieber Leser!

Nein, ich hab es nicht "eh schon immer" gewusst. Vielleicht bin ich der Letzte meiner Art, der sich in der einen oder anderen Art schon irgendwie als Brancheninsider versteht und es dennoch SO nicht erwartet hatte. Im Herzen eigentlich bis Mitte des eben zurückliegenden Oktobers nicht. Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics und Ex-Immofinanz-Aufsichtsratschef Helmut Schwager müssen wahrscheinlich noch heuer ins Gefängnis. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die vom Erstgericht verhängten mehrjährigen Haftstrafen wegen Untreue gegen die beiden Manager bestätigt. Lediglich die bedingte Freiheitsstrafe für den Ex-Prokuristen Christian Thornton wurde geringfügig herabgesetzt. Zu sechs Jahren unbedingter Haft wurde Karl Petrikovics und zu immerhin vier Jahren dessen Aufsichtsrat Schwager verurteilt. Selbst wenn bei zu erwartender mustergültig guter Führung ein Teil der Haft bedingt erlassen werden dürfte, Haft bleibt Haft. Denn die Fußfessel gibt es derzeit nur bis maximal zwölf Monaten Haftstrafe - und das geht sich wohl bei beiden nicht aus. Und zum Drüberstreuen müssen die beiden Verurteilten auch noch mehr als vier Millionen (Schwager) beziehungsweise sogar mehr als sieben Millionen Euro (Petrikovics) an Schadenersatz an die beiden Firmen aus dem früheren Immofinanz-Konzerngeflecht zahlen. Nach der schriftlichen Ausfertigung des OGH-Urteils geht der Akt zurück ans Erstgericht, das Wiener Straflandesgericht. Das wird voraussichtlich ein paar Wochen dauern. Das Gericht wird dann Petrikovics und Schwager eine Aufforderung zum Haftantritt zustellen lassen, der sie binnen einem Monat Folge leisten müssen. Wenn es blöd hergeht, wäre das sogar noch vor Weihnachten. Und auch wenn Herr Petrikovics mich und mein Medium nachhaltig klagen wollte, weil ich zu Beginn des Skandals eine möglicherweise drohende Haft in Aussicht gestellt hatte: Vielleicht dieses Strafausmaß, aber die aktuelle "Nachrede" hat Herr Petrikovics nicht verdient. Denn bei aller Fehlleistungen, die einerseits Managementfehlern in Kombination mit maßloser Selbstüberschätzung und andererseits einfach schrankenloser Gier (in eigener Sache) geschuldet waren, bleibt es eine Tatsache, dass Petrikovics unstrittig einer der Väter der heutigen, europaweit überdurchschnittlich erfolgreichen österreichischen Immobilienwirtschaft ist. Er hat die Vorsorgewohnungen als Konzept miterfunden und als Vorsorgeinstrument für Durchschnittsverdiener populär gemacht. Er hat den Grundstein zur (heute wieder erfolgreichen) Immofinanz gelegt. Auch wenn er sie Jahre später fast in den Abgrund getrieben hat, vieles von dem, was er seinerzeit angestoßen hat, hat bis heute (erfolgreichen) Bestand. Und er hat dutzende Immobilienentwickler reich gemacht. Auch solche, die es heute "eh schon immer gewusst" und die ihm "eh nie vertraut" hatten ... Wie gesagt, ICH habe es nicht gewusst, hätte es mir auch nicht gedacht. Was ich aber weiß, ist die Tatsache, dass überall dort, wo viel Schatten ist, auch viel Licht ist. Oder zumindest einmal war. Und das sollte man auch nicht vergessen, meint Ihr nachdenklicher Gerhard Rodler