Lokaltipp der Woche: Kopps

Wer kulinarisch wirklich einmal etwas Neues erleben will, der sollte Voreingenommenheiten über Bord werfen. Und am besten nach Berlin reisen. Dort kann man neuerdings leidenschaftlich vegan werden. Als schickes, modernes Lokal präsentiert sich das Kopp auf den ersten Blick. Auf die Reservierung muss man an einer kleinen Bar warten, denn die Tische werden hier offenbar mehrmals am Abend gedreht. Wenige ausgesuchte Drink-Kreationen entschädigen erstmal - sitzt man aber dann endlich, entschädigt der ganze Abend. Beim Blick in die Karte, drängt sich dann der Gedanke auf, dass es hier mit "vegan" doch nicht ganz so ernst genommen wird. Denn es finden sich unter den dezidierten Gemüsegerichten auch Positionen wie Eisalat, Topfencreme oder sogar ein Käseteller auf der Karte. Fragt man nach, erfährt man: Doch, doch, alles vegan. Das Service ist nett und fleißig, hat aber leider den allerersten Gang vergessen. Wir beginnen daher mit der 2. Vorspeise, den Kopps Rolls - einer wahrhaftigen Geschmacksexplosion. Sie sehen aus wie Dim Sum, sind aber Gemüsepäckchen deren Komponenten im Mund wild um die Aromaherrschaft konkurrieren. Abwechselnd gewinnt mal Koriander, mal Sellerie, dann gerösteter Knoblauch oder süßer Chili und dann wieder Ingwer die Überhand, insgesamt sehr asiatisch. Die gebackenen Tofu-Röllchen am Rucola-Tomaten-Pinienkern-Salat werden als Schafskäse verkauft, schmeckt aber besser - leicht nußig und betont orientalisch, mit Safran und anderen exotischen Gewürzen. Das Dressing erinnert an Caesars Salat und passt gut. Als Hauptgang gibt es Kohlrabi mit Topinambur. Das Gemüse badet in einer sämigen, dunkelrot-braunen Sauce und erinnert an ein Wildgericht: sehr würzig, süßlich, eigen - und ganz wunderbar. Das zitierte Wild selber geht keine Sekunde lang ab. Dazu wird Polenta im Kohlrabiblatt serviert - mit Paprikacreme, Kräutern und Nussbrösel. Insgesamt ein herrlich abgestimmtes Gericht. Ein weiterer Hauptgang stützt sich laut Karte auf - zu Deutschdeutsch - Aubergine. Eigentlich dominiert aber eine leicht scharfe Kürbiscreme. Dazu gibt's "grüne Bohnen" mit Rosmarin, sehr aromatische Haselnüsse und eine rote, dickcremige Beerensauce. Auch eine Art Lieblingsgericht. ##Veganer Käse Als Nachtisch schmeckte besonders das Kaffeegratinée mit Mandelsirup, -hobeln und Beerenkompott. Das Tiramisu war angenehm leicht, mit einer intensiven Kaffeenote und erinnerte geschmacklich etwas an Prinzenrollen - kommt allerdings trotz cremiger Konsistenz an das Original nicht vollends heran. Dafür war die Käseplatte eine echte Offenbarung. Wer braucht da noch Laktose?? Aus Cashews und anderen Nüssen werden hier Blöckchen von käseartiger Bauart gereicht - als Naturkäse, als Obazda, als Chorizo- und Pfefferkäse, mit Senf- und Fruchtsaucen und aromatisch ohne Ende. Hoher Suchtfaktor! Als abschließender Gruß aus der Küche kamen dann doch noch zwei Miniportionen des zu Anfangs vergessenen Gerichts - ein Tomatencarpaccio mit verschiedenen Tomatencremen und Essenzen. Ein sehr versöhnlicher Akt, der ebenfalls wunderbar aromatisch zu verwöhnen gewusst hat. Die Weinkarte für offene Weine ist überschaubar, unser Geschmack wurde aber getroffen. Sprudelwasser mit frischen Kräutern ist eine tolle Idee und ein guter Begleiter. Insgesamt sollte man sich bei einem Besuch im Kopp von Vergleichen lösen und bereit für neue Geschmäcker machen. Dann lässt es sich hier vortrefflich in eine neue Welt eintauchen und den kulinarischen Horizont erweitern. [b]Bonuskategorie "Neues erleben":[/b] 10/10 [b]Küche:[/b] 10/10 (Plus ein Bonuspunkt für das tierfreundliche Thema, plus ein Bonuspunkt für die originellen "Nachbauten" wie z.B. Eisalat) [b]Location:[/b] 9/10 [b]Service:[/b] 8/10 [b]Preis/Leistung:[/b] 8/10 [b]Getränkekarte:[/b] 7/10 [b]Hundefreundlichkeit:[/b] 6/10 (Legende: 10 = ein Traum, 8-9 ausgezeichnet, 6-7 gut, 4-5 mittelmäßig, unter 3 enttäuschend und kaum einen Tipp wert, 0 = verstörend schlecht und ein ernstzunehmender Warnhinweis)