Immomedien
immomedien.at
 / Lesezeit 4 min

„Nicht mehr jeder wird eine Finanzierung bekommen.“

Matthias Ortner, Equity Partner der Advicum Consulting, spricht mit Stefan Posch über die Folgen der Corona-Krise, der Kreditklemme und deutsche Investoren in Österreich. ##Immobilien Magazin: Wie geht es aktuell Ihren Kunden aus der Immobilienbranche? Wurde die Krise bis dato gut überstanden? Matthias Ortner: Im Moment läuft es bei unseren Kunden im Immobilienbereich stabil. Aber es gibt Themen, über die gesprochen wird. Etwa, dass die Banken sich jetzt konsolidieren und sehr zurückhaltend agieren, das hört man aus aller Munde, auch aus den ganz großen Häusern, die grundsätzlich sehr stabil aufgestellt sind. ##IM: Verstehen Sie diese Zurückhaltung der Banken? Ortner: Ich verstehe die Banken durchaus. Vor ein, zwei Jahren haben wir geredet, wie aggressiv die Banken im Immobilienbereich finanzieren. Da hörte man in Deutschland teilweise von 110 Prozent-Finanzierungen. Das geht sich jetzt natürlich nicht mehr aus. In manchen Portfolios schlummern sicher auch einige Abwertungspotenziale, nachdem vieles in den vergangenen Jahren so massiv aufgewertet wurde. Das ist schon etwas, was die Banken berücksichtigen müssen. Dazu greifen auch die ganzen Regularien. 100 Prozent Fremdfinanzierungen sind somit jetzt schwierig. ##IM: Haben so Projektentwickler genügend Eigenkapital, um weiter Projekte zu finanzieren? Ortner: Projektentwickler sind in der Regel nicht mit dem nötigen Eigenkapital ausgestattet, um alles allein bewältigen zu können. Es würde wirtschaftlich auch keinen Sinn machen, den Leverage-Effekt durch Fremdkapital nicht zu nutzen. Projektentwickler müssen jetzt das Geschäftsmodell per se anschauen und genau prüfen, ob das Projekt erfolgversprechend ist oder nicht. Auch große institutionelle Investoren müssen jetzt aufpassen, nicht auf eine Tretmine zu steigen. Ich gehe aber nach wie vor davon aus, dass etwa Wohnimmobilien auch in Zukunft noch relativ leicht finanziert werden können. Eigenkapital ist nach wie vor im Markt vorhanden, aber es liegt bei den Investoren und nicht bei den Projektentwicklern und ohne Leverage funktionieren die Projekte auch nicht. ##IM: Vor der Krise sind immer mehr institutionelle Investoren aus Deutschland in den österreichischen Markt eingestiegen. Erwarten Sie, dass das auch jetzt in der Krise so bleibt? Ortner: Das ist eine Szenario-Frage. Nicht jeder institutionelle Investor ist gleich. Historisch kamen die Deutschen nach Österreich, weil der deutsche Markt von ausländischem Geld überhitzt war. Österreich wurde vom Marktrisiko ähnlich wie Deutschland beurteilt und als Safe Haven wahrgenommen. Für die Zukunft wird es wichtig sein, wie sich der deutsche Markt entwickelt. In Frankfurt sieht es etwa aktuell mit den Büromieten nicht mehr so lustig aus. Der Brexit-Effekt wird gerade ausgehebelt. Da wird vielleicht das eine oder andere Schnäppchen zu bekommen sein. Wenn die Bruttomieten noch weiter nachgeben, dann glaube ich schon, dass die Deutschen tendenziell wieder auf ihren Heimatmarkt zurückkehren. Aber grundsätzlich werden die auf Bestandshaltung ausgerichteten Investoren den österreichischen Markt nicht so einfach aufgeben. ##IM: In Wien haben wir aktuell eine sehr kleine Flächenproduktion im Bürobereich. Ist das in der jetzigen Zeit ein Glücksfall? Ortner: Das kann man so bezeichnen. Frankfurt wird sich da sicher wärmer anziehen müssen. ##IM: Ist die Assetklasse Wohnen noch ein Safe Haven? Ortner: Das muss man differenzierter betrachten. Was ich mir vorstellen kann ist, dass der Druck in den Ballungszentren fallen wird. Zentrumsnahe Wohnungen, die vor der Krise touristisch vermietet wurden, werden aktuell auf dem Markt geschwemmt. Manche Immobilienunternehmen arbeiten aktuell an Konzepten, bei denen die Mitarbeiter nur einen Tag in der Woche im Büro sein müssen. Diese Entwicklung wird eher die Peripherie stärken. Einmal in der Woche kann man eine eineinhalbstündige Autofahrt schon in Kauf nehmen. Mikroapartments, die bis dato boomten, werden wohl in den kommenden Jahren nicht so der Renner sein. ##IM: In Wien befinden sich aktuell sehr viele Hotelprojekte in der Pipeline. Glauben Sie, können diese auch so wie geplant durchgeführt werden? Ortner: Bei Projekten für die großen Hotelketten gehe ich schon davon aus, dass diese weitergeführt werden. Manche Experten gehen aber davon aus, dass wir frühesten in drei Jahren die Nächtigungszahlen der Vor-Corona-Zeit haben werden. Aber wenn man jetzt mit einem Hotelprojekt startet, dass dann in etwa drei Jahren fertig ist, dann könnte man sich drüber trauen. ##IM: Werden Immobilien die Stellung als Investment, die sie in der Vorcorona-Zeit hatten, behalten können? Ortner: In den letzten fünf oder zehn Jahren konnte man im Immobilienbereich kaum etwas falsch machen. Das wird sich sicherlich ändern. Investoren und Projektentwickler müssen zukünftig sicher genauer prüfen, was man macht und was nicht. Positiv für den Immobilienbereich ist, dass Staaten massiv in die Vorfinanzierung gehen und so die Kreditzinsen niedrig bleiben werden. Aber es wird nicht mehr jeder eine Finanzierung bekommen. Letztendlich müssen die Unternehmen schauen, dass sie saubere Unterlagen aufbereiten und eine gute Beziehung zur Hausbank haben. Natürlich spielt auch die menschliche Komponente bei der Kreditvergabe eine Rolle. ##IM: 2008 haben Immobilien von der Krise profitiert. Ist das jetzt anders? Ortner: Ich glaube nicht, dass Immobilien von dieser Krise profitieren können. 2008 hatten wir eine Finanzkrise, jetzt haben wir eine Krise der Realwirtschaft und das ist sicher wesentlich gefährlicher. Wenn die Leute die Miete nicht mehr zahlen können, dann kann man sich schon vorstellen, wo die Reise hingeht. Wir hätten eigentlich erwartet, dass die Insolvenzwelle noch vor dem Herbst startet. Das ist zwar noch nicht passiert, aber ich fürchte, dass diese Welle nur hinausgezögert wird. Die Bereinigung wird auch nicht vor der Immobilienbranche haltmachen.
Immomedien

Registrieren. Weiterlesen. Vorteile genießen.

Egal ob Sie exklusive Artikel, ein Unternehmensprofil anlegen oder Applikationen wie unser interaktives Firmenbuch nutzen wollen. Wir haben garantiert das richtige Abo-Paket für Ihre Zwecke parat.

Ihre Vorteile

  • Erstellen eines ausführlichen Personenprofils
  • Testweise 3 Immobilien Magazin Printausgaben
  • Lesezeichen für Artikel, Jobs und Events
  • Erstellen von Pressemitteilungen, Events und Jobs
  • Erstellen eines ausführlichen Firmenprofils
  • Schalten Sie über unsere Abonnements weitere Funktionen frei und erhalten Sie den vollen Zugang zu allen Artikeln!

PRO Abo monatlich

20,- € / Monat exkl. MwSt.

Vorteile entdecken

Pro Abo jährlich

120,- € / Jahr exkl. MwSt.

Unlimitierter Zugang zu allen Leistungen inkl. 5 Personen Abos

Vorteile entdecken

Networking Pro AddOn

584,- € / Jahr exkl. MwSt.

Vorteile entdecken

Premium Abo

1.200,- € / Jahr exkl. MwSt.

Erstellen Sie Ihr ausführliches Personenprofil, Zugang zum digitalen Immobilien Magazin

Vorteile entdecken

© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. November 2020 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


SP
AutorStefan Posch
Tags

Weitere Artikel

Immomedien
Informiert bleiben.

Treffen Sie eine Selektion unserer Newsletter zu buildingTIMES, immoflash, Immobilien Magazin, immo7news, immojobs, immotermin oder dem Morgenjournal

Jetzt anmelden

© Cachalot Media House GmbH - Alle Rechte vorbehalten