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Nichts für schwache Nerven

Auch wenn Gebäude in den Himmel wachsen, braucht es jemanden, der sie zum Glänzen bringt. Über die unterschätzte Kunst des Fensterputzens. Klonk. Ein Seil schlägt an das Fenster der Immobilien-Magazin-Redaktion im 44. Stock des Millennium Towers. Klonk, klonk – ein zweites und drittes. Langsam tauchen von oben drei Paar Füße im Bild auf – dann Beine – und schließlich hängen drei vermummte Gestalten an der Fassade und bearbeiten die Außenseite des Turmes mit Putzutensilien. Mitarbeiter im Turm erfreuen sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit an diesem Schauspiel, das immer wieder für Heiterkeit sorgt. Hinter dieser Leistung, der das Wort „Fensterputzen“ nicht annähernd gerecht wird, steckt aber eine regelrechte Wissenschaft. ##Sauber muss es sein – aber wie? Hauptschwierigkeit bei der Reinigung einer Fassade sei in den meisten Fällen die Zugänglichkeit, erklärt Viktor Wagner, Geschäftsführer von REIWAG Facility Services. Möglichkeiten zur Reinigung seien etwa Hubarbeitsbühnen oder Steiger, die mittels eines bewegbaren Arms, einer Scherenkonstruktion oder eines senkrechten Mastes an die Fassade herangehoben werden. Bei höheren Gebäuden greift man eher zu einer Befahranlage oder zu seilgeführten Arbeiten. Eine solche Befahranlage machte im vergangenen August durch einen Zwischenfall am DC Tower auf sich aufmerksam: In 144 Metern Höhe, zwischen dem 47. und 48. Stock, rutschte eine Putzgondel einseitig ab und löste so eine spektakuläre Rettungsaktion aus. 30 Einsatzkräfte der Wiener Berufsfeuerwehr sowie Rettung und Polizei arbeiteten rund eineinhalb Stunden daran, die beiden Männer aus ihrer Schräglage in luftiger Höhe zu befreien. Sie wurden schließlich durch Lüftungsgitter, die mit einer Säge zerschnitten wurden, ins Gebäude gerettet. Auftraggeber des Subunternehmers, der für die Reinigung zuständig war, ist HSG Zander. Geschäftsführer Gerhard Schenk erklärt den Unfallhergang: „Die Gondel geriet in Schieflage, weil die eine Seilwinde schneller gezogen hat als die andere. Warum, darüber gehen die Zeugenaussagen und der Sachverständigenbericht auseinander. Die technische Überprüfung hat jedenfalls keinen Schaden ergeben und hat Fehlbedienung diagnostiziert. Da die genaue Ursache des Vorfalls nicht eindeutig geklärt ist, können nur die bisher schon gesetzten umfangreichen Maßnahmen, die vor der Inbetriebnahme der Gondel zu setzen sind, weiter vertieft werden.“ Gleichzeitig beruhigt Schenk, was die Geretteten angeht: „Beide Herren sind schon seit Längerem wieder im Einsatz und würden auch wieder am DC Tower arbeiten.“ Fensterputzen ist eben nichts für schwache Nerven. Das beweisen auch jene Alltagsabenteurer, die sich regelmäßig in bester „Cliffhanger“-Manier an Fassaden aller Art abseilen: Immer öfter werden sogenannte „Industriekletterer“ zur Reinigung, Instandhaltung und Sanierung von Fassaden jeder Art eingesetzt. Das Berufsklettern an Gebäuden unterscheide sich dabei aber grundsätzlich vom alpinen Klettern, erklärt Alexander Gölles, Geschäftsführer bei Industrial Alpinists Vienna: „Neben dem augenscheinlichen Unterschied, das man das eine als Hobby und das andere beruflich betreibt, gelten durch Arbeitnehmerschutzbestimmungen deutlich strengere Sicherheitsstandards.“ Wesentlicher Unterschied sei beispielsweise die Verwendung von zwei Sicherheitsseilen, die vom Anschlagpunkt bis zum Gurt getrennt geführt werden. Eines von beiden dient dabei zur Fortbewegung, das andere ausschließlich zu Sicherung. Doch abgesehen von der Abenteuerlust – warum wird man Industriekletterer? „Es ist ein Asset, das an Bedeutung gewinnt“, so Gölles. „Man verdient auch deutlich mehr, insbesondere in Berufen, die sonst ein niedriges Anforderungsprofil haben – wie eben Fensterputzer.“ Natürlich sei er auch schon „Adrenalinjunkies“ begegnet: „Es ist auch meine Aufgabe, Bewerber, die zu risikoaffin sind, herauszufiltern – sie haben in diesem Beruf nichts zu suchen.“ Generell brächten die Bewerber schon handwerkliche Ausbildung mit und würden dann zum Kletterer geschult, nicht umgekehrt. Neben Ausrüstung spielt gerade bei hohen Gebäuden auch das Wetter eine wesentliche Rolle: „Es kann passieren, dass sich am Boden kein Lüftchen rührt und oben am Gebäude wird man richtiggehend weggeblasen“, erklärt Gölles, dessen Unternehmen zeitweilig auch für die Fassadenpflege des Millennium Towers zuständig war. „Bei Gebäuden in dieser Höhe muss man ein Zeitfenster ideal nutzen, dann sind entsprechend viele Arbeiter im Einsatz.“ Im Falle des Millennium Tower seien das sechs bis zehn Personen gewesen. ##Vordenken erspart Hinterherhinken Damit eine Fassade aber überhaupt bearbeitbar ist, müssen schon in der Planung Vorkehrungen getroffen werden. So gilt es Sicherungspunkte einzuplanen, an denen Seile und andere Gewerke befestigt werden können. Ein Faktum, das nicht immer berücksichtigt wird und zu Anekdoten führt, wie auch Viktor Wagner eine zu erzählen hat: „Beim Bau der alten Wirtschaftsuniversität Wien wurde ich als Gutachter für die Fassadenreinigung engagiert, da man darauf gekommen ist, dass die Schrägfenster nicht reinigbar waren. Der Stararchitekt musste mit Glaceehandschuhen angefasst werden und alle Beteiligten baten mich um größtmögliche Vorsicht bei der Argumentation zur Klärung dieses Zustandes“, erinnert sich Wagner. „Es kam zu einem Lokalaugenschein mit ungefähr 25 mehr oder weniger verantwortlichen Mitarbeitern und meine Aufgabe als allgemein beeideter Gerichtssachverständiger war es, den Architekten darüber aufzuklären, dass man bei den Schrägfenstern der Fassade keine Reinigungsmöglichkeit vorgesehen hatte. Daraufhin befragte mich der Stararchitekt, welchen Vorschlag ich hätte, und ich schlug vor, Schrägleitern auf Rollen zu montieren, damit die Reinigung durchgeführt werden kann. Es herrschte atemlose Stille, bis der Stararchitekt mit lauter Stimme den lauschenden Zuhörern verkündete: ,Ja, wir bauen für die Nutzer und der Vorschlag des Sachverständigen wird angenommen!‘.“ Eine amüsante Geschichte, aber ganz der Gnade des Architekten ist man dann doch nicht ausgeliefert: Laut Baustellenkoordinationsgesetz ist der Bauherr oder der Projektleiter (sofern kein Betriebsangehöriger des Bauherrn) verpflichtet, nicht nur für die Baustelle selbst einen „Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan“ zu erstellen, sondern auch eine „Unterlage für spätere Arbeiten“. Diese müsse „die zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bei späteren Arbeiten wie Nutzung, Wartung, Instandhaltung, Umbauarbeiten oder Abbruch erforderlichen Angaben über die Merkmale des Bauwerks (wie Zugänge, Anschlagpunkte, Gerüstverankerungspunkte, Gas-, Wasser- und Stromleitungen) enthalten, die bei späteren Arbeiten zu berücksichtigen sind.“ Die Unterlage sei in der Vorbereitungsphase zu erstellen, stetig anzupassen und muss vom jeweiligen Eigentümer „für die Dauer des Bestandes des Bauwerks in geeigneter Weise aufbewahrt“ werden. ##Fassade ist nicht gleich Fassade Seien es die blitzenden, gespiegelten Glasfassaden, die das Bild der modernen Großstadt prägen, oder die ehrwürdigen Steinfassaden aus vergangenen Tagen, eines haben sie alle gemeinsam: Jemand muss sie reinigen, pflegen, instand halten. Eine auf den ersten Blick unnötige Frage ist hier das Warum? Riskieren wir doch einen zweiten. „Primär ist es der ästhetische Zweck, der angestrebt wird. Allerdings sind die ausführenden Firmen aufgerufen, beobachtete Schäden zu melden und zu dokumentieren“, weiß HSG-Zander-Geschäftsführer Gerhard Schenk. Viktor Wachter ergänzt: „Ein nicht außer Acht zu lassender Grund ist die Werterhaltung der Fassade. Hierbei muss man grundsätzlich nach der Beschaffenheit der Fassade unterscheiden und die Risiken allfälliger Schäden oder Wertminderung bedenken, wenn die Fassade nicht regelmäßig gereinigt beziehungsweise gepflegt und konserviert wird.“ Glasfassaden etwa erlitten nicht nur in ihrem Erscheinungsbild den augenscheinlichsten Schaden durch Verschmutzung, auch könne es hier leicht zu Verkalkungen kommen, die nur schwer zu entfernen seien, so Wachter. Generell setzen auch Umwelteinflüsse – Metalle, Abgase, Staub oder saurer Regen – einer Fassade stark zu. Beispielsweise unterbinden sie die natürlich Diffusion einer Steinfassade. „Hierbei kommt es natürlich darauf an, aus welchem Material die Fassade besteht. Eine Granitfassade reagiert naturgemäß anders als eine Sandsteinfassade“, erklärt Wachter und geht zur Metallfassade über: „Pulverbeschichtete Aluminiumfassaden leiden unter Verkreidungen, Streusalz kann Lochfraß verursachen. Hier ist neben der Reinigung die Konservierung besonders wichtig.“ Wer also noch Silvester Stallone als „Cliffhanger“ einhändig, kurzärmelig und im Schneesturm an der Klippe hängend im Kopf hat, der sei erinnert – im richtigen Leben hängt der Held vor dem Bürofenster.
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. Oktober 2014 - zuletzt bearbeitet am 14. August 2025


BW
AutorBarbara Wallner
Tags
FM & TGA
Millennium Tower
Instandhaltung
Fassade
Gebäudereinigung
Fassadenreinigung
Industriekletterer

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