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Plastikwelt macht Plastikmenschen
Wohin mit den Milliarden an PET-Flaschen, die wir regelmäßig leeren? Ein Schiff aus PET-Flaschen war schon auf hoher See unterwegs. Jetzt kommen die Wohnhäuser aus PET-Flaschen auch in unsere Breiten.
Wir leben in einer durch und durch künstlichen Welt. Alles ist mittlerweile aus Plastik – das eine oder andere medizinische Präparat zum Einnehmen, die Kleidung, die uns umgebende Konsumelektronik, das Auto (zum mittlerweile sogar überwiegenden Teil), die Zahnpaste – und auch unsere Nahrung. Zumindest wenn man sich von Meeresfischen ernährt.
Die wiederum ernähren sich nämlich unfreiwillig auch von den zwischenzeitig knapp 75 Millionen Tonnen Kunststoff-Flaschen, die in unseren Meeren irgendwo herumschwimmen und zwischenzeitig vermengt mit anderen Kunststoffmüll zusammenhängende, schwimmende „Landschaften“ in der Größe von Österreich und manchmal noch größer bilden.
Es geht aber auch anders. PET kann nämlich nicht nur ein unerwünschter Müllfaktor nach Gebrauch des Inhalts sein, sondern genauso gut ein vielfältig einsetzbar, cleverer Baustoff.
Beispielsweise als Material für den Bootsbau. Die Plastiki wurde aus 12.500 PET-Flaschen mit jeweils zwei Litern Volumen gebaut. Dann ist sie von San Francisco nach Sydney gesegelt; 8000 Meilen übers offene Meer, hat Stürme und entsprechenden Seegang überstanden und die Besatzung heil ans Ziel gebracht.
##Das war es aber noch lange nicht.
PET-Flaschen eignen sich genauso gut als Baustoff, als intelligenter Ersatz für Ziegel. Intelligent nicht nur deswegen, weil damit Abfall mehr als nur sinnvoll weiterverwendet wird, sondern auch, weil die PET-Flasche durchaus konstruktive Vorteile hat und auch von den Dämmwerten gar nicht so schlecht liegt.
Erstes Einsatzgebiet war klarerweise der Raum der Schwellenländer. Es waren übrigens ausgerechnet deutsche Querdenker, die für ein immobiles Leben nach den Plastikflaschentod gesorgt hatten. Mehrere sogar.
Einer von ihnen heißt Andreas Froese. Er kommt von irgendwo aus Deutschland, die Gegend um Westfalen angeblich. Da ist er aber ohnehin nicht mehr, sondern in Lateinamerika. Und zwar dort, wo Touristen mit Garantie nicht hinkommen. Dort, wo Behausungen eher elende Hütten sind, den Elementen quasi schutzlos ausgeliefert.
Mit den von Froebe erdachten PET-Häusern geht es gleich besser.
Freilich, für die Errichtung eines PET-Hauses braucht man vor allem zwei Dinge: eine Unzahl an leeren PET-Flaschen – daran sollte es nicht scheitern – und sehr viel Zeit. Daran scheitert es jedenfalls in unseren Breiten viel eher. Und an der Bauordnung sowieso.
Aber zurück zum Ursprung der Idee, zurück zu den Elendsbehausungen in Südamerika. Die Errichtung der PET-Häuser hier ist eigentlich ganz logisch. Erst wird jede Flasche mit Erde gefüllt. Dann werden die Flaschen nach einer speziellen Anordnung aufeinandergeschichtet und schließlich mit Lehm oder Mörtel vermauert sowie zuletzt mit Kunststoffschnüren nochmals zusammengebunden.
Wenn das Haus errichtet ist, muss nur noch – wer das will – eine Fassade gemacht werden. Beispielsweise, indem mit klassischem Mörtel die Wände verschmiert und zuletzt eine glatte Außenfläche gebildet wird, oder das Haus bekommt eine Fassade aus Holzlatten. Ohne diese fast schon luxuriösen „Extras“ kostet jedes dieser Häuser nur 5000 Dollar – ohne Arbeitszeit und Fassade, aber immerhin schon mit Dach.
In unseren Breiten ist so ein Haus freilich undenkbar, schon allein deshalb, weil es bis heute keinerlei statische Nachweise dazu gibt. Aber in der Natur stehen sie tatsächlich, vier oder fünf Dutzend an der Zahl mittlerweile. Und kein einziges von ihnen hat bislang den dort herrschenden Stürmen und Unwettern nachgegeben. Mehr noch: Aus anderen Quellen ist überliefert, dass eines dieser Häuser sogar rund zwei Wochen bis zum Dach im Hochwasser eines über die Ufer getretenen Flusses gestanden war und sogar diese Strömung ausgehalten hatte. Lediglich der vom Fluss mittransportierte und im Haus abgelagerte Unrat und Schlamm mussten nachher entfernt werden. An sich logisch: PET ist extrem nachgiebig und biegsam und federt damit auch die auftretenden Kräfte perfekt ab. Solange die Verbindungen mitschwingen und halten kann eigentlich nichts passiere.
Mittlerweile hat Froese sogar Konkurrenz bekommen, und zwar ausgerechnet von deutschen Landsmännern. Konkret war es der deutsche Architekt Dirk Hebel der mit speziell gestalteten Flaschen ein noch besseres Haus machen möchte. Dafür hat er mit seinen eigens für diesen Zweck konzipierten PET-Trinkflaschen ein deutlich stabileres und auch etwas einfacher zu errichtendes Haus. Dafür ist man dann freilich auf die Zusammenarbeit mit den PET-Flaschen-Herstellern und den Abfüllern angewiesen, die diese spezielle Flascheform auch tatsächlich einsetzen müssen. In Lateinamerika scheint aber genau das bereits funktioniert zu haben. Die von Hebel eigens gegründete Firma hat in vielen Schwellenländern zwischenzeitig viele Häuser errichtet.
In Österreich ist so etwas derzeit nicht denkbar, da stehen wohl die Bauordnungen dagegen. Dass dieser Baustoff aber einmal auch hierzulande eingesetzt werden wird ist durchaus möglich, immerhin gibt es zwischenzeitig ja auch schon(zugelassene) Einfamilienhäuser, die aus Styropor errichtet worden sind und werden. Der entscheidende Vorteil des PET-Flaschenhauses: Hier wird ein sonst dem Müllberg anheim fallender, aber durchaus hochwertiger Rohstoff für ein sinnvolles Bauwerk eingesetzt. Und hier kann dieser Rohstoff alle seine Qualitäten ausspielen: Er ist den- und biegsam und daher gegenüber Wind und Wetter extrem widerstandsfähig und er weist auch wärmedemmende Eigenschaften auf. «
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AutorGerhard Rodler
Tags
Bauen
Nachhaltigkeit
Innovation
Architektur
Dirk Hebel
Andreas Froese
Plastikflasche
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