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Runde Sache
Forscher der TU Wien haben eine Konstruktionsweise entwickelt, mit der Eis- und Betonkuppeln einfach „aufgeblasen“ werden können.
Die Kuppel als architektonisches Element kann auf eine große Geschichte zurückblicken. Eine der berühmtesten ihrer Art schmückt den florentinischen Dom, und eine einzigartige zudem. Bis dahin wurden Kuppelbauten grundsätzlich mithilfe eines Lehrgerüstes errichtet, das das Gewicht des Baus halten musste, bis dieser sich selbst tragen konnte. So auch geplant im Florenz der Renaissance – 1417 ist der Rohbau des Domes weitgehend fertig, nur ein großes rundes Loch klafft noch in der Decke. Die Kuppel ist so groß geplant, dass nicht klar ist, ob ein Lehrgerüst ein solches Gewicht überhaupt tragen kann. Gott sei dank legt ein junger Architekt namens Brunelleschi schließlich ein Konzept vor, mit dem die Kuppel – zum ersten Mal in der Geschichte – von Anfang an selbsttragend errichtet werden kann. Nichtsdestotrotz dauern die Bauarbeiten 16 Jahre.
Knapp 600 Jahre später liegt eine flache ovale Betonplatte auf einer Freifläche der Aspanggründe in Wien. Schon zwei Stunden später erhebt sich eine Kuppel mit einer Höhe von 2,90 Meter. Das Prinzip ist einfach, die Umsetzung allerdings birgt einige Tücken: Zunächst wird mit gewöhnlichem Beton eine ebene Betonfläche gegossen. Essentiell ist dabei die Einteilung in verschiedene Segmente. So werden keilförmige Stücke ausgespart, die von der abschließenden Form der Kuppel abhängen.
Wenn die Betonplatte ausgehärtet ist, wird ein darunterliegender Pneu aus zwei miteinander verschweißten Kunststofffolien aufgepumpt. Gleichzeitig wird ein außen um die Betonplatte verlaufendes Stahlseil zusammengezogen, sodass der Beton innen gehoben und außen zusammengedrückt wird. Um sicherzustellen, dass sich alle Teile der Betonplatte gleichmäßig heben, sind die Segmente der Betonplatte mit Metallschienen verbunden.
„Pneumatic Wedge Methode“ nennt sich die Konstruktionsweise, die eine große Vielfalt an architektonischen Formen ermöglichen soll. „Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, nicht bloß eine einfache, rotationssymmetrische Halbkugel zu bauen“, erklärt Benjamin Kromoser, Assistent am Institut für Tragkonstruktionen an der TU Wien. „Unser Bauwerk ist langgezogen, es lässt sich geometrisch gar nicht so leicht beschreiben. Damit wollten wir beweisen, dass sich mit unserer Technik auch komplexere Freiformen herstellen lassen.“
##Stabil durch „Schwimmwesten“
Das Projekt hat seine Anfänge schon vor Jahren genommen, erzählt Johann Kollegger, Universitätsprofessor am Institut für Tragkonstruktionen und verantwortlich für das Projekt: „Vor etwa zehn Jahren haben wir angefangen, mit Styroporkeilen zu arbeiten, aber das Material war besonders für große Konstruktionen nicht zuverlässig genug.“ Stattdessen arbeitet man mittlerweile mit Luftkeilen, die aus einem Material hergestellt werden, das auch für Schwimmwesten verwendet wird. „Diese Luftkeile sind pneumatische Strukturen mit einem kontrollierten Luftinnendruck – sie können nicht instabil werden“, so Kollegger.
Die fertige Kuppel kann „weiterverarbeitet“ werden – je nachdem, wie man Teile ausschneidet, kann daraus eine Konzertkuppel, eine Brücke und vieles mehr entstehen. Beides übrigens Beispiele, die sich bereits in der Umsetzung befinden. So errichtet man im Auftrag der ÖBB eine Wildbrücke über Schienen. Bei der Errichtung ist die Kuppel nur wenige Zentimeter dick und wird dann je nach Bedarf mit einer Aufbetonschicht verstärkt und beispielsweise mit Dämmung, Leitungen, Kabeln und Rohren versehen – dem kuppelförmigen Einfamilienhaus steht also nichts im Wege. Mit einer ähnlichen Konstruktionsweise arbeitete bereits in den 1960er Jahren der italienische Architekt Dante Bini. Mit dem Unterschied, dass die „Binishells“ in noch nicht ausgehärtetem Zustand angehoben wurden. Nachteilig bei dieser Bauweise ist allerdings, dass – je nach Größe der Kuppel – ein solches Penumatic-Wedge-Projekt in der Konstruktion sehr platzaufwendig werden kann. Schließlich muss die gesamte Oberfläche zunächst flach auf dem Boden gegossen werden. Möchte man also eine Kuppelbar auf ein Hoteldach stellen, braucht es ein Tragegerüst mit Schalboden – oder eine Fertigteilkuppel, denn auch das ist möglich. Allerdings muss diese deutlich dicker – weil robuster – sein. Ist der Platz allerdings vorhanden, können laut Kolleger Bauten mit rund 50 Metern Durchmesser problemlos realisiert werden.
##„Eisige“ Stimmung wird zum Kompliment
Apropos Hotelbar: Auch ein ganz anderes Material kann für solche Kuppelkonstruktionen verwendet werden – Eis. So geschehen im Tiroler Obergurgl, wo auf diesem Wege 2011 eine Eiskuppelbar entstanden ist. Denn Eis und Beton, weiß Johann Kollegger, haben mehr gemein, als man vermuten würde: „Beide Materialien sind gießfähig und können auch gespritzt werden. Und bei beiden ist die Druckfestigkeit wesentlich höher als die Zugfestigkeit, was ihnen wiederum sehr ähnliche Materialeigenschaften verleiht. Wichtig in der Handhabung ist es, dass man damit umgehen kann, dass das Material in der Verarbeitung kontrolliert reißt. Insgesamt ist Eis aber sicherlich der schwierigere Baustoff.“ In beiden Fällen wird außerdem eine Bewehrung eingesetzt: bei Beton zunächst Stahl, später steigt man auf rostfreie Edelstahlseile um, die leichter dehnbar sind. Bei Eis werden – auch aus ästhetischen Gründen – Glasfasergelege verwendet.
Ein spezieller Beton ist nicht notwendig, auch Recyclingbeton kann verwendet werden. Auch sollen die Kuppeln rund die Hälfte der Baukosten einsparen. In der Lebensdauer gibt es keine Einschränkung: „Wenn die Bewehrung gut vor Korrosion geschützt wird, hält die Konstruktion eigentlich ewig“, so Kolleger. Brunelleschi wäre neidisch. «
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AutorBarbara Wallner
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