Immomedien
immomedien.at
 / Lesezeit 4 min

Skandal in der Schiele-Stadt

Tulln

Kritik gibt es inzwischen zuhauf, unter anderem an \"zu Unrecht gebuchten Soll-Einnahmen\". Auch der Rechnungshof übte an der Finanzgebarung der Donaustadt Kritik, die freilich - mehr oder weniger freundlich - \"abgeschmettert\" wurde. Es rumort in Egon Schieles Geburtsstadt an der Donau. Nach Prüfung der Finanzgebarung der Jahre 2010 bis 2013 übermittelte der Rechnungshof (RH) der Stadtgemeinde Tulln insgesamt 58 Empfehlungen. Davon seien 43 bereits umgesetzt worden, heißt es vonseiten des Bürgermeisters Peter Eisenschenk (ÖVP) - allein: Diese Maßnahmen gehen manchen nicht weit genug. Woher rührt also dieser Rumor? Im RH-Bericht wurden etwa \"Regelverstöße\" und vor allem auch die Ausgliederung von kommunalen Immobilien sowie Wohnimmobilien als \"unwirtschaftlich\" kritisiert. Dazu der Bürgermeister Eisenschenk: \"Durch die erst Ende 2012 erfolgte Gründung und die dadurch sofort entstandenen Kosten auf der einen Seite und die nun laufend erzielbaren Kostenvorteile beziehungsweise Einnahmenmöglichkeiten auf der anderen Seite ist das dargestellte Bild derzeit verzerrt. Die langfristige Betrachtung zeigt deutliche Kostenvorteile, auch nach Abzug der erwähnten Kostenstruktur.\" Laut dem Rechnungshof finanzierte sich die Donaustadt deutlich stärker - bezugnehmend auf Vergleichsgemeinden - via Einnahmen aus Leistungen und Besitz sowie Schuldenaufnahmen - zu je rund 15 Prozent nämlich. Zwar stiegen die laufenden Einnahmen konstant an, trotzdem waren die Jahresergebnisse im untersuchten Zeitraum 2010 bis 2013 durchwegs negativ. Konkret bewegten sich die Jahresergebnisse zwischen minus 2,62 und minus 4,94 Millionen Euro. Durch Darlehensaufnahmen (die in den Folgejahren durch Grundstücksverkäufe teilweise getilgt wurden) hat sich, so der Rechnungshof, der Schuldenstand von Tulln sprunghaft um 24,2 Prozent erhöht. Ende 2013 haftete die \"Schiele-Stadt\" für Darlehen ihrer Beteiligungsunternehmen in der Höhe von 15,46 Millionen Euro, die Verbindlichkeiten in den Unternehmen der Stadtgemeinde häuften sich bis Ende 2012 gar auf 23,27 Millionen Euro an. Was läuft also schief an der schönen Stadt an der Donau? ##Jahrzehntelange Buchungspraxis Wesentlicher Kritikpunkt, der von vielen Seiten vorgetragen wird, ist, dass Eisenschenk, damaliger Vize- und nunmehriger Bürgermeister, sowie andere Organe der Stadt - laut Gemeindeordnung zu Unrecht - veranlasst haben sollen, \"nicht realisierte Grundstücksverkäufe, informelle Förderzusagen von Landespolitikern und nicht ausgenutzte Optionsrechte des Landes Niederösterreich als Soll-Einnahmen\" einbuchen zu lassen. Bürgermeister Eisenschenk beteuert gegenüber der Kommunal Wirtschaft: \"Die kritisierten Sollstellungen haben ausschließlich 2007 und 2008 stattgefunden und sind auf Basis einer unterschriebenen Optionsvereinbarung mit dem Land Niederösterreich erfolgt. Die zu den Ausgaben zeitnah erfolgte Sollstellung von Förderungen stellt eine nicht nur durch die Stadtgemeinde Tulln praktizierte, sondern weit verbreitete, jahrzehntelange Praxis der Verbuchung derartiger Einnahmen dar. Da die Projekthöhe und die daraus errechnete Förderhöhe bereits bei Beauftragung und Durchführung des Projekts bekannt waren, kam es noch nie zu nennenswerten Abweichungen oder gar Ausfällen.\" Eisenschenk unterstreicht: \"Die Sollstellungen erfolgten ausschließlich von zuverlässigen öffentlichen Förderungsgebern (Land, Nafes, Leader).\" ##\"Graue Finanzschulden\" Der Sachverhalt: Mitte 2012 übertrug die Stadt Tulln 24 Immobilien (im Wert von insgesamt 14,55 Millionen Euro) an die Tullner Kommunal Immobilien KG. Der Vorsteuerabzug wurde in Anspruch genommen, was die Umgehung des Finanzausgleichs zur Folge hatte. \"Graue Finanzschulden\" seien durch weitere Auslagerungen entstanden. Im RH-Bericht heißt es dazu wortwörtlich: \"Die Ausgliederungen zur Immobilienbewirtschaftung trugen zur Verschleierung der Finanzlage der Gemeinde bei und schränkten die politische Kontrolle ein.\" Darüber hinaus seien die Zuständigkeiten der Gemeindeaufsichtsbehörde \"unterlaufen\" worden. Eisenschenk hält dagegen: \"Die Stadtgemeinde Tulln nutzte die vom Bund ermöglichten (und beworbenen) Gelegenheiten zur Auslagerung, um Steuervorteile zu lukrieren. Ausgliederungen in diesen Bereichen sind in ganz Österreich üblich und vom Gemeindebund, Städtebund, und vom Bund selbst empfohlen worden.\" Und weiter: \"Die Stadtgemeinde Tulln handelte innerhalb der vom Bund oder dem Land vorgegebenen gesetzlichen Bestimmungen.\" ##Projekt zur Haushaltskonsolidierung Dem Rechnungshof aber zufolge, sei zudem - entgegen den Bestimmungen der Niederösterreichischen Gemeindeordnung - das Gemeindevermögen im Überprüfungszeitraum weder bewertet noch laufend ausgewiesen worden. Im Jahr 2010 betrugen die Finanzschulden 59,24 Millionen Euro - das entsprach damals 169 Prozent der laufenden Einnahmen. Folglich startete Tulln im Jahr 2011 ein Projekt zur Haushaltskonsolidierung, das - so bemängelte der Rechnungshof weiter - freilich nur \"minimale ausgabenseitige Maßnahmen\" beinhaltet haben soll. Also empfahl die Bundesbehörde - logisch! und jetzt erst recht - \"restriktive ausgabenseitige Maßnahmen\". Zu den \"großen Brocken\" an finanziellen Belastungen gehörten die im Eigentum der Stadt stehende Messe GmbH und die Beteiligung an der Landesgartenschau - bei Letzterer habe es zudem keine klaren Abrechnungen gegeben. Selbst sonst eher zufriedene Bürger der Schiele-Stadt murrten zuletzt, sie stellten sich die Frage: \"Wie viel Wasser muss noch die Donau hinabfließen, ehe sich - endlich - etwas in der Stadt ändert?\" ##Recht bzw. Moral Überraschend ist jedenfalls, dass die Stadtgemeinde Tulln im fraglichen Zeitraum über kein Beteiligungsmanagement verfügte - und das, obwohl durch die Neugründungen der Tullner Wohn Immobilien KG (TWI KG) und der Tullner Kommunal Immobilien KG (TKI KG) die Anzahl der Beteiligungen seit dem Jahr 2013 auf acht Unternehmen angewachsen war. Auch hätte \"alarmierend\" sein können, dass die Verbindlichkeiten dieser Unternehmen im Jahr 2012 bereits 30,30 Millionen Euro ausmachten. Der Rechnungshof empfahl damals dringend, Förderungen erst nach einem endgültig vorliegenden Beschluss des Landes Niederösterreich zu verbuchen und die Rückzahlung des seitens des Landes gewährten Sonderdarlehens weiter voranzutreiben. Und wie stehen die KGs heute da? Bürgermeister Eisenschenk: \"Die beiden KGs erfüllen ihre definierten Gründungsziele. Die TWI finanziert sich über die Mietverträge, die 2014 gesteigert werden konnten. Und die TKI finanziert sich gemäß ihrer Gründungsidee über Sanierungszuschüsse, um die kommunalen Immobilien instand halten zu können. So können auch Steuervorteile lukriert werden.\" Rein rechtlich gesehen, wird es das vom Rechnungshof aufgebrachte Wort \"Graue Finanzschulden\" auf den Begriff bringen. De jure wird sich die Stadt Tulln wohl in trockene Tücher hüllen können. Aber moralisch? Bürger haben hier mitunter ein anderes Rechtsempfinden.
Immomedien

Registrieren. Weiterlesen. Vorteile genießen.

Egal ob Sie exklusive Artikel, ein Unternehmensprofil anlegen oder Applikationen wie unser interaktives Firmenbuch nutzen wollen. Wir haben garantiert das richtige Abo-Paket für Ihre Zwecke parat.

Ihre Vorteile

  • Erstellen eines ausführlichen Personenprofils
  • Testweise 3 Immobilien Magazin Printausgaben
  • Lesezeichen für Artikel, Jobs und Events
  • Erstellen von Pressemitteilungen, Events und Jobs
  • Erstellen eines ausführlichen Firmenprofils
  • Schalten Sie über unsere Abonnements weitere Funktionen frei und erhalten Sie den vollen Zugang zu allen Artikeln!

PRO Abo monatlich

20,- € / Monat exkl. MwSt.

Vorteile entdecken

Pro Abo jährlich

120,- € / Jahr exkl. MwSt.

Unlimitierter Zugang zu allen Leistungen inkl. 5 Personen Abos

Vorteile entdecken

Networking Pro AddOn

584,- € / Jahr exkl. MwSt.

Vorteile entdecken

Premium Abo

1.200,- € / Jahr exkl. MwSt.

Erstellen Sie Ihr ausführliches Personenprofil, Zugang zum digitalen Immobilien Magazin

Vorteile entdecken

© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 10. April 2015 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


RP
AutorRudolf Preyer
Tags

Weitere Artikel

Immomedien
Informiert bleiben.

Treffen Sie eine Selektion unserer Newsletter zu buildingTIMES, immoflash, Immobilien Magazin, immo7news, immojobs, immotermin oder dem Morgenjournal

Jetzt anmelden

© Cachalot Media House GmbH - Alle Rechte vorbehalten