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Von kleinen Schnellbooten und anderen Mythen
Das Intro, von Gerhard Rodler
Bei all der Unbill, die uns Menschen zeitlebens begleitet, bei all den Dingen, die man sich anfangs so gut wie immer viel besser ausgemalt hat, als sie sich im Rückspiegel dann letztlich darstellen, gibt es doch etwas sehr Tröstliches. Die – gesunde – menschliche Psyche hält ein Zaubermittel bereit, das uns dennoch nicht verzweifeln lässt. Es handelt sich dabei um die Fähigkeit, sich alles und jedes schönzurechnen oder zumindest schönzureden.
Aus diesem heimlichen Schatz, den jeder von uns in mehr oder minder großer Ausprägung mit sich herumträgt, schöpft der gemeintypische Wiener beispielsweise solche tiefsinnigen Erkenntnisse wie „die Letzten werden einmal die Ersten sein“, wobei hier dank des nach wie vor leicht morbiden Zugangs der Wiener Seele offenbleibt, ob das nun etwas Positives oder Negatives oder beides zusammen ist.
Und aus selbigem emotionalen Schatzkästchen stammt wohl auch die Aussage von den kleinen, aber effizienten Schnellbooten, welche den großen Flugzeugträgern in Schlagkraft und damit Erfolg haushoch überlegen sind. Oder die Aussage, dass die Klein- und Mittelbetriebe auch erfolgreicher und deshalb die wahren Größen im globalen Wirtschaftsuniversum sind.
Es darf nicht verwundern, dass diese Redensart überwiegend im besonders kleinteiligen Österreich verbreitet ist, während man im gut zehnmal größeren Deutschland schon sehr viel seltener darauf trifft und beispielsweise die US-Amerikaner von „small is beautiful“ eher ganz und gar nichts wissen wollen. Beide genannten haben aber auch nicht die Notwendigkeit, etwas, nämlich das Kleine, schönrechnen und -reden zu müssen.
Nun ist es ja tatsächlich so, dass man überproportional viel von spektakulären Firmenzusammenbrüchen einzelner Big Player hört und liest, als selbiges von Klein- und Mittelunternehmen der Fall ist. Umgekehrt proportional verhält es sich mit den erfolgreichen Aufsteigern, die man wiederum eher in klein- und mittelbetrieblichen Unternehmensstrukturen in Österreich zu finden meint. Folgerichtig müsste man den Schluss ziehen: Wichtigste Vorbedingung, um in Österreich erfolgreich zu sein, ist die Kleinheit eines Unternehmens. Ist das wirklich so? Natürlich nicht. Die Schlussfolgerung hätte nicht einmal mehr etwas mit Schönreden zu tun, sondern nur mehr mit Ignoranz.
Nach wie vor ist es nämlich so, dass sich die großen Unternehmen bei der Finanzierung (und das ist jetzt wirklich ein Erfolgsfaktor) um Eckhäuser leichter tun. Ebenso wie den „großen Buben und Mädchen“ in der Immobilienbranche die besten Objekte zuerst angeboten werden, und nur wenn diese nicht anbeißen, gehen sie an die vermeintlichen „kleinen Schnellboote“ weiter. Und ganz ehrlich, auch die Erfolgsstatistik belegt so ganz und gar nicht die Mär, dass „small beautiful“ ist. Die Insolvenzstatistik jedenfalls der letzten drei Jahre besagt genau das Gegenteil.
Und in Wahrheit unterstützt auch der „share of voice“ in den Medien diese Aussage. Immer noch gilt als News „Hund beißt Mann“ – und nicht umgekehrt. Daher kommt es, dass erfolgreiche Klein- und Mittelunternehmen überproportional viel redaktionellen Raum erhalten, ebenso wie die wenigen, dafür aber spektakulären Zusammenbrüche bei den Großen (die natürlich auch eine ganz andere Bedeutung für die Gesamtwirtschaft haben als der Zehnmann-Betrieb, der es nicht geschafft hat).
Der Punkt ist: Den Kleinen und Mittleren wird nichts geschenkt. Sie haben es jedenfalls nicht leichter als ihre „großen Brüder“ – eher das Gegenteil (siehe Finanzierung und Marktzugänge) ist der Fall.
Aber: Die Intelligenz und der Ehrgeiz sind dankenswerterweise relativ gleich verteilt. Deshalb haben die Großbetriebe und Konzerne kein Monopol auf Erfolg. Es ist schon so, die kleinen und mittleren Unternehmen müssen in der Praxis in der gleichen Zeit wie die Großunternehmen die doppelte Anzahl an Schritten machen, den doppelten oder dreifachen Einsatz bringen, um zum gleichen Erfolgsergebnis zu kommen. Aber viele tun genau das. Und tragen so zum Entstehen des Mythos der „kleinen Schnellboote“ bei. Was niemand sieht: Unter Bord, da sind ein paar Ruderer, die rudern, was das Zeug hält. Tag und Nacht. Ihnen ist der Erfolg geschuldet. «
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AutorGerhard Rodler
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