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Warten auf Godot

Spricht man vom Ersten Weltkrieg im Zusammenhang mit Wohnen, dann darf man das Mietrecht nicht unerwähnt lassen. Gerade jetzt nicht – ist die Diskussion doch nun, ein Jahr nach der Nationalratswahl, nach wie vor in vollem Gange. Eine „große Mietrechtsreform“ soll es geben, verspricht Justizministerin Beatrix Karl, zu diesem Zweck solle eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden. Diese Expertengruppe soll bis Mitte des nächsten Jahres erste Ergebnisse präsentieren, immerhin handle es sich um eine extrem komplexe Materie. „Primäres Ziel sei die Erarbeitung eines verständlichen, gerechten und transparenten Mietrechts, das eine gute Balance zwischen den Bedürfnissen aller Betroffenen findet“, heißt es in einer Parlamentskorrespondenz. Moment. Beatrix Karl? Nein, wir haben uns nicht im Justizminister geirrt, aber wer nun ein leises Gefühl von Déjà-vu verspürt, liegt durchaus nicht falsch. Denn ein Jahr, eine Wahl und einen Justizminister später klingt die Geschichte verdächtig ähnlich: Mitte 2014 – also eigentlich zu dem Zeitpunkt, zu dem „erste Ergebnisse“ vorliegen sollten – verlautbart Minister Brandstetter, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe nicht vor dem Frühherbst zu erwarten seien. Extrem komplizierte Materie und so. Verkompliziert wird die Materie – so behaupten böse Zungen – vielleicht auch durch die Tatsache, dass dazwischen immer wieder wahlgekämpft werden muss. „Was hier passiert, ist auch viel Themenmissbrauch zu Wahlkampfzwecken“, ärgert sich etwa Anton Holzapfel, Geschäftsführer des ÖVI, als Organisation ebenfalls Teil der Arbeitsgruppe. „Dabei sollte man das Thema gezielt aus dem Wahlkampf heraushalten – sonst wird es noch stärker ideologisiert und es passiert eine Art ,Einbunkern in Schützengräben‘.“ Gleichzeitig stellt Holzapfel auch die Frage nach Relationen und Sinnhaftigkeit – immerhin lebten 60 Prozent der Österreicher im Eigentum und von den restlichen wiederum 60 Prozent in geförderten Wohnungen, die Diskussion betreffe also nur kleine Teile des Marktes. Auch Nadja Shah, Bundesgeschäftsführerin der Mietervereinigung Österreichs, übt Kritik am Agieren der Politik: „Man darf nicht vergessen, dass diese Arbeitsgruppe nicht nur aus neutralen Experten besteht, sondern aus Interessensvertretungen. Zunächst bräuchte es eigentlich eine politische Stellungnahme. Eine Zielvorgabe. Dann besteht die Kunst darin, einen Konsens zwischen den Interessensgruppen zu finden.“ Und dieser wird nicht einfach sein. Anton Holzapfel etwa spricht von der „Quadratur des Kreises“. Und auch die verschiedenen Aussagen machen das durchaus deutlich: „Grundsätzlich ist das Verständnis dafür, dass Wohnen etwas kostet, enden wollend“, meint Holzapfel. Shah erwidert, sie verstehe die Positionen der Diskussionspartner durchaus, aber „wir sind die Mietervereinigung, dementsprechend ist unser Standpunkt der, dass Wohnen so wenig kosten soll wie möglich.“ Thomas Malloth, der die Wirtschaftskammer als Diskussionsteilnehmer eher facettenreich sieht – „Die WKO hat als Interessensvertretung der gewerblichen Wirtschaft vielfältige, zum Teil auch widersprüchliche Interessen zu vertreten“ –, schildert ebenfalls den Eindruck, dass sich die Fortschritte in Grenzen halten: „Das liegt vor allem auch daran, dass so manche Interessensvertreter ihre Aufgabe vornehmlich darin sehen, stakkatoartig irgendwelche Klassenkampfparolen zu bringen und so Neidkomplexe zu schüren. Zielführender wäre es, auf konkrete Vorschläge des Gegenübers einzugehen und konstruktive Lösungsvorschläge zu erarbeiten.“ Man ahnt schon, dass gemeinsames Terrain hier womöglich Terra incognita sein könnte. Insgesamt gemahnt die Mietrechtsdiskussion immer wieder an das Stück „Warten auf Godot“ – ein Klassiker des absurden Theaters: Man sitzt an der Landstraße und wartet auf jemanden, den man nicht kennt. Man weiß auch nicht, wie er aussehen soll. Nur hin und wieder kommt ein Justizminister – nein halt Ziegenhirte – vorbei und erklärt, Godots Ankunft werde sich noch etwas verzögern, aber er komme ganz bestimmt. Es gilt hier nur zu hoffen, dass sich der Ausgang der beiden „Stücke“ unterscheidet. Denn eines ist sicher: Godot kommt nicht. «
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. Oktober 2014 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


BW
AutorBarbara Wallner
Tags
Wohnen
Politik
Mietrecht
Markt
Tax & Law

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