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Wildes Deutschland

Es hatte schon etwas von einem Treck, was sich da von Österreich als Wagenkolonne immer weiter westwärts durch Deutschland bewegte. Aus den Treckies von damals sind heute zum Teil marktbeherrschende Player geworden - mit dem Herz aus Österreich. Bruno Ettenauer, erst kurz zuvor als Immobilien-Kreditchef der Bank Austria auf den CA Immo-Vorstandssessel gewechselt, rutschte unmerklich am Sessel hin und her, ordnete seine Papiere immer wieder neu - und machte für Vertraute den sehr ungewohnten Eindruck von steigender Unruhe. Irgendwie mag er sich in diesen Minuten vielleicht sogar in die vergleichsweise angenehme Bank zurückgesehnt haben. Diese Hauptversammlung haben die besonders langjährigen Aktionäre der CA Immo, die damals dabei waren, jedenfalls wohl bis heute nicht vergessen. Auch wenn sie inzwischen Jahrzehnte zurückliegt. Es war nach der damals branchenweit üblichen Sommerpause, die Temperaturen waren schon wieder deutlich im Zurückgehen. An diesem Herbstabend war die Stimmung trotzdem mehr als hitzig. Zur - immer aggressiver geführten - Diskussion stand damals ein mögliches Deutschland-Engagement. Dieses hatte das Zeug, aus der sehr, sehr konservativ investierenden, manche mögen sagen ein wenig angestaubten, CA Immo einen Big Player zu machen - und zwar in Deutschland. ##Filetstück für CA Immo Es ging um den Erwerb der im Eigentum der deutschen Regierung stehenden Vivico Real Estate. Vivico war 2001 gegründet worden, um ehemalige Bahngrundstücke zu verwerten. Charakteristisch sind dabei großflächige Entwicklungsgebiete in zentraler Lage Deutschlands - etwa ein Riesenareal nahe dem Münchner Hauptbahnhof oder ein ebenso großes Filetstück auf der Ostseite des neuen Berliner Hauptbahnhofes. Ein Deal, der in der Dimension mit der ganzen bisherigen CA Immo vergleichbar war und das damals mit hoher Eigenkapitalquote ausgestattete Unternehmen bis über beide Ohren verschuldete. Die CA Immo konnte sich in dem mehrstufigen Bieterverfahren gegen die großen deutschen Player durchsetzen. Obwohl der erzielte Verkaufspreis damals eher am Boden der Erwartungen geblieben war. Der Grund: Die Deutschen glaubten damals nicht so recht an ihr Land. Der Mauerfall des getrennten Deutschlands war noch ganz frisch. Die Kosten der Wiedervereinigung schier unüberwindlich. So wurde das riesige unbebaute, direkt ans Bahnhofsgebäude anschließende Areal als Klotz angesehen - vor Ort glaubte niemand, dass die Liegenschaft in den nächsten ein oder zwei Generationen auch nur teilweise hätte besiedelt werden können. Das war 2007. Und bis heute zehrt die CA Immo von den schier unerschöpflichen Flächenreserven, die damals in einem Husarenstück und dem Risiko einer hohen Fremdfinanzierung so günstig erworben worden sind. ##Fehlender Glaube Ganz generell glaubte an den Unternehmensstandort Berlin niemand - nach einem oder zwei Bier nicht einmal die eigene städtische Betriebsansiedlungsgesellschaft während einer Pressefahrt. Aber auch nicht die Wessis, die damals schon mit Förderungen praktisch zum Nulltarif errichtete Einkaufszentren in den Neuen deutschen Bundesländern zu nie in Betrieb gegangenen Industrieruinen verkommen ließen. Nicht so die Österreicher. Der Wiener Wohnbausprecher der ÖVP und Investmentmakler Alexander Neuhuber verglich die Renditen und Durchschnittsmieten von Wien und Berlin und wusste: Mit Berlin kann der Immobilienmarkt nur in eine Richtung gehen: nach oben. Neuhuber war und ist einer der echten Berlin-Pioniere, der im Übrigen für den Markt zu Hause kräftig die Werbetrommel rührte. Mit Erfolg. ##Go West Hatte bis 2005 alles jenseits des Weißwurst-Äquators, alles das, was hinter Bayern kam, als exotisch und gefährlich gegolten, so setzte sich der Österreicher-Track westwärts in Bewegung. Nach und nach kamen sie alle: Die sImmo, deren Investmentgewinne in Berlin die anfänglichen Südosteuropa-Anlaufverluste vielfach überkompensierten und bis heute ist Deutschland für die sImmo eine Cash cow. Ebenso wie für die Immofinanz, die in Deutschland ein Quartier nach dem anderen quasi deutschlandweit aus dem Boden stampfte. Und auch die Buwog - damals eigenständig - rührte in Berlin kräftig um. Es gab Jahre, da war die Buwog unter den Top-3-Wohnbauträgern. Deshalb und dank des "B" im Firmennamen vermuteten viele Berliner damals in der Buwog eine "echte Berlinerin". Was sich durch die spätere Übernahme der Buwog durch die Vonovia ja dann irgendwie sogar bewahrheitete. In der immer weiter westwärts ziehenden Wagenkolonne aus Österreich friedlich vereint fanden sich Wiener Mitbewerber wie die UBM, die damals eng mit ihr verbundene Warimpex, die Firmen von Erwin Krause, Soravia, und wie die großen Namen damals geheißen haben. Aber auch kleinere Unternehmer und Investoren waren dabei. Und machten ein Vermögen. Ein von der damaligen Creditanstalt sehr, sehr hoch fremd finanzierter Berliner "Zinshausfonds" wurde schon nach wenigen Jahren mit 100 % Gewinn verkauft. Der Investor reinvestierte - und schaffte gleiches praktisch noch einmal. Jedes Mal ein Milliardengewinn - wenn auch nur in der damaligen Schillingwährung. ##Berlin als Hotspot Aber ganz besonders Berlin war für die Österreicher damals wirklich so etwas wie der Wilde Westen - und ein sehr ertragreicher noch dazu. Vielfach wurden Baugrundstücke noch vor Planeinreichung gleich wieder mit 50% Gewinn und mehr nach wenigen Monaten weiterverkauft. Jener Entwickler, der dann die Baugenehmigung schaffte, durfte seinen Einsatz nochmals vor Baubeginn verdoppeln. Kein Einzelfall, sondern gängige Praxis, auf die nach einiger Zeit wohl auch deutsche Bauträger aufgesprungen waren. Berlin wachgeküsst haben aber zu einem guten Teil Österreicher. Und österreichische Firmen waren damals - wie heute - unter den Top-10 zu finden. Zu den bereits erwähnten Pionieren gesellten sich zwischenzeitig auch die Signa, aber auch 6b47 oder Value One. Vielfach fällt es in Deutschland gar nicht mehr wirklich auf, dass es sich eigentlich um ein österreichisches Unternehmen handelt. Einige Jahre war beispielsweise die CA Immo der größte deutschlandweite Bauträger von Büro- und Gewerbeflächen. Eher noch verbindet man mit der ebenso deutschlandweit bedeutenden und - auch aufgrund der attestiert hohen architektonischen Projektqualität - angesehenen Signa ein Stück Österreich. Was in Österreich dabei ab und an (ganz gerne möglicherweise) übersehen wird: Im gleichen Maße, wie sich österreichische Firmen am deutschen Markt zu etablieren begannen, strömten mehr und mehr deutsche Firmen auf den österreichischen Markt. Aber das ist eine andere Geschichte, die wohl auch eine Betrachtung wert wäre. Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe des Immobilien Magazin.
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. September 2020 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


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AutorGerhard Rodler
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