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Zwei-Klassen-Maklergesellschaft in Kanada

Wie es 55.000 Makler schaffen, auf einem 5,6-Millionen-Menschenmarkt zu überleben. Berufszugangsbestimmungen, wie sie bis zum absehbaren Greifen anderslautender EU-Regelungen noch in Österreich existieren (Stichwort: Maklerkonzession), gibt es in Kanada nicht. Geschäftsverhindernde neue Formalitäten, wie vor wenigen Monaten in Österreich vor jedem Auftrag zwingend eingeführt, auch nicht. Honiglecken ist das Immoblienmaklerdasein in Kanada aber dennoch nicht. Effizienter und vor allem auch kundenorientierter aber allemal. Aber der Reihe nach. Wenn Clara Smith in ihr Maklerbüro in Toronto kommt, steht ihr kein Schreibtisch, nicht einmal ein eigener Computer zur Verfügung. 60 Makler teilen sich ein rundes Dutzend PC-Arbeitsplätze, die in einem niedrigen, schlecht belichteten Raum zusammengedrängt sind, der in Österreich erstens arbeitsrechtlich nicht zulässig und zweitens für bestenfalls drei Makler Platz bieten würde. Aber: Am nordamerikanischen Kontinent ist eben alles anders, nicht zwingend besser oder schlechter, aber anders. Eindeutig besser ist die Vernetztheit der Makler untereinander. Das ist auch die einzige Überlebenschance auf einem Markt, auf dem sich mehr oder weniger jeder ohne großartige Hürden als Makler betätigen kann. Oder in Zahlen ausgedrückt: Knapp 55.000 (in Worten: fünfundfünfzigtausend!) Makler sind am Immobilienmarkt von Ontario mit seinen rund 5,6 Millionen Menschen aktiv. Die allermeisten davon freilich nicht hauptberuflich, sondern im Nebenjob, viele von ihnen haben weniger als einen Abschluss pro Jahr. Diese „Nachbarschaftsmakler“ betreuen mehr oder weniger ausschließlich ihren Bekanntenkreis. Jene, die es auf vier Abschlüsse oder mehr bringen, zählen da schon zu den Big Playern. Das Spannende daran ist: Egal, ob man jetzt zu seiner „Nebenerwerbsmaklerin“ versus Nachbarin oder dem „Großen Fisch“ beispielsweise im ReMax-Büro in Downtown Toronto geht, als Kunde darf man sich in beiden Fällen des vollen Marktpotenziales sicher sein. Denn alle Makler haben den vollen Zugriff – auf Objekte einerseits und auf potenzielle Kunden andererseits. Zumindest wenn man Teil des Toronto Real Estate Board, meist nur kurz TREB genannt, ist. Das ist so etwas wie das Pendant zu unserer Wirtschaftskammer. Nur ist die TREB eine freiwillige Interessenvertretung und daher sind auch nicht alle, sondern nur rund 71 Prozent der Makler dort dabei. Wer nicht dabei ist, tut dies möglicherweise nicht, weil er sich die – durchaus hohen – Mitgliedsgebühren und verpflichtenden Weiterbildungsveranstaltungen (mehrere pro Jahr und in Summe machen die TREB-Kosten ein Vielfaches unserer Wirtschaftskammer-Umlage aus) sparen möchte oder muss. Viele sind unfreiwillig nicht mehr dabei, weil sie aufgrund von Qualitätsmängeln ausgeschlossen worden sind. Das ist zwar noch kein De-facto-Berufsverbot, aber die Chancen auf einen Geschäftsabschluss sind damit gleich einmal um eine Zehnerpotenz niedriger. Denn neben dem wirklich imposanten TREB-Haus mit eigenem, professionellem TV-Studie, großer Druckerei, dutzenden Help-desk-Callcenter-Plätzen, zwei Handvoll Seminarräumen und einem eigenen Kongresssaal mit vielen hunderten Sitzplätzen sowie hunderten unterschiedlichen Fortbildungsangeboten pro Jahr ist der wahre USP des TREB die MLS-Hoheit. Die TREB sorgt aber auch dafür, dass ihre Mitglieder Servicequalität liefern, prinzipiell untereinander zusammenarbeiten und sich an die durchaus strengen gesetzlichen Vorschriften für Immobilienmakler halten. Bei Verstößen gibt es saftige Geldstrafen, im Wiederholungsfall wird man ohne viel Federlesen aus dem TREB geworfen und verliert auch seine Lizenz. Fast ein Berufsverbot. Das sogenannte MLS („Multiple Listing System“) ist so etwas wie die elektronische Basis. Oder deutlicher: Ist man beim MLS mit dabei (und dazu wiederum muss man beim TREB mit dabei sein), ist man automatisch im Geschäft und unterscheidet sich dadurch fundamental von jenem knappen Drittel an Maklern, die eben keinen MLS-Zugang haben, als Glücksritter unterwegs sind – und damit ein ähnliches Image haben wie ihre österreichischen Kollegen. Eine Zwei-Klassen-Makler-Gesellschaft. Konkret funktioniert das Maklergeschäft im Falle eines MLS-Zuganges so. Doppelvertretungen sind unter anderem auch am nordamerikanischen Kontinent die klare Ausnahme und auch mit einem Imagemakel behaftet, weil jeder Kunde (egal ob Abgeber oder Nutzer) sich eben darauf verlassen möchte, dass nur die eigenen Interessen vertreten werden. Jene, die beide Seiten des Geschäftes abwickeln, sind die wirklich ganz großen, meist mit Kunden, die man schon mehrfach betreut hatte, oder die eher erfolglosen Glücksritter. Im Normalfall aber vertritt man eine Seite. Jene Makler, die ein Objekt zur Verwertung überantwortet bekommen – in den meisten Fällen müssen mehrere Makler im Zuge einer Wettbewerbspräsentation auch bei privaten Kunden um den Zuschlag pitchen –, füllen das MLS-System mit den entsprechenden Daten. Das Tolle an diesem System ist auch, dass über die Jahre ein unermesslicher Datenanalyseschatz angehäuft wurde. Praktisch für jede Hausnummer und jede Etage wird ein exakter Richtpreis ausgeworfen. Damit haben auch Makler, die vielleicht einmal alle drei Jahre einen Deal abwickeln, die Chance, den Abgeber professionell und richtig zu beraten, wenn es um die Preisfindung geht. Fantasiepreise wie bei uns unter dem Motto „probieren wir es halt einmal“ sind in Kanada so gut wie nie zu erwarten. Das macht das Geschäft für beide Seiten einfacherer und vor allem sicherer. Sobald das Objekt freigeschaltet ist, sehen es alle angeschlossenen MLS-Makler, die es ihrerseits jetzt ihren Kunden anbieten. Dabei funktioniert die Organisation von Besichtigungen quasi vollautomatisch. Und dafür wiederum sorgt der Schlüsselsafe. Praktisch alle Objekte, die im MLS-Angebotsverbund sind, haben vor Ort so einen Schlüsselsafe. Will man mit einem Kunden eine Besichtigung vor Ort durchführen, muss man lediglich im MLS einen Besichtigungstermin reservieren. Das System wirft den Code für den Schlüsselsafe aus. Dann führt man die Besichtigung zum reservierten Termin durch, danach kommt der Schlüssel wieder in den Safe – für die nächste Besichtigung mit dem nächsten Makler. Jeder erfolgte Abschluss wird im MLS dokumentiert und auch diese Daten dienen dazu, die Bewertungsansätze für die Immobilie stets aktuell zu halten. Das ist auf einem Markt wie Ontario auch dringend nötig. Denn der Markt ist nach wie vor höchst dynamisch. Derzeit steigen die Preise wieder deutlich. Dazu trägt auch bei, dass jedes Jahr nur rund 16.000 Wohnungen neu gebaut werden, aber sehr viel mehr Menschen jedes Jahr zuziehen. Daher kann man derzeit davon ausgehen: Wer jetzt eine Wohnung kauft (Mieten ist derzeit hier noch die Ausnahme, auch wenn dieser Markt in Zukunft stark wachsen dürfte), wird diese in vier bis fünf Jahren (das ist die durchschnittliche Verweildauer in einer Wohnung in Toronto) deutlich teurer wieder verkaufen können. Diese Preisdynamik (von einem Niveau, das auf Basis Kaufkraft derzeit durchaus mit Wien vergleichbar ist) und der deutlich größere Markt durch die extreme Mobilität der Immobilienbesitzer sind wohl ein weiterer Grund, warum so viele Immobilienmakler auf einem so relativ kleinen Markt überhaupt aktiv sein können. So oder so könnte Toronto von heute einen Blick in die Immobilienzukunft von morgen in Österreich ermöglichen. Auch was das MLS betrifft. Genau so ein System hat der Wiener IT-Unternehmer Roland Schmid im Auge. Es ist mittlerweile bereits der zweite Anlauf. Diesmal mit vielen Erfahrungswerten von ausländischen Märkten wie Toronto im Handgepäck … «
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. Oktober 2014 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


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AutorGerhard Rodler aus Toronto
Tags
International
Innovation
Makler
Markt
neue Medien
Tech
Kanada

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