Immomedien
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Wir brauchen gute Stimmung

Neue Käuferschichten, zukunftsfähige Immobilien und ein veränderter Markt

Bei der jährlichen Pressekonferenz der ÖRAG verbreitete Stefan Brezovich, ÖRAG Vorstand Immobilienvermittlung, nur verhaltene Freude: „Wir erleben aktuell das Platzen der Immobilienblase in Zeitlupe. In den letzten 24 Monaten gab es markante Preisentwicklungen, die aber noch nicht sichtbar sind. Dabei sind die nicht die Zinsen das Hauptthema, sondern die allgemeine Entwicklung in Europa und Deutschland. Die Rezession wird auch Österreich spürbar werden. Und auch unter der Bürokratisierung der Wirtschaft leiden alle. Alle Immobilienbereiche werden von dieser gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beeinflusst. Daher können wir aktuell leider keine Beruhigungspillen für Marktteilnehmende verteilen.“ Und weiter, „aber Immobilien sind ein ewiges Wirtschaftsgut und langfristig gesehen sind wir in einem Zyklus, den es immer schon gegeben hat. Wir betrachten das aktuelle Zinsniveau für normal und verkraftbar und alles was sich jetzt bewegt ist verkraftbar für die Immobilienbranche. Es gibt auch genug Aspekte, die Hoffnung geben.“
Markt und Investment
Herbert Petz, Immobilienökonom und ÖRAG-Investmentbereichsleiter Herbert Petz, schildert die Veränderungen im Markt: Es gibt aktuell kein Wachstum am Markt samt der Insolvenzwelle plus einen Transaktionsrückgang. Das führt dazu, dass jetzt andere Käufer:innen-Gruppen nach vorne kommen. Petz: „Family Offices, Privatstiftungen und Fonds sind aktuell die stärkste Käufer:innengruppe. Die stärksten Assetklassen sind Büro vor Wohnen und erst dann kommt der Rest. Die gute Nachricht ist, dass der Markt wieder aktiver ist. Für Investor:innen heißt das, das die Zeit Chancen bietet.“ Die Projektpipeline ist dünn geworden. Johannes Endl, ÖRAG Vorstand Personal, bemerkt: „In manchen Lagen kann man selbst wenn man das Grundstück geschenkt bekäme nicht finanzieren. Man sieht z.B. im Stadtbild deutlich, dass die Kräne verschwunden sind. D.h. die Pipeline ist abgerissen und das, obwohl wir gerade in den Ballungsräumen die Wohnungen brauchen. Der Bestand wird damit von Mietpreissteigerungen profitieren. Und damit ist es ist auch für Investoren ein guter Zeitpunkt einzusteigen. Der Herbst wird also spannend.“ Auch für die Bewertung haben sich die Zeiten geändert: Auftraggebende sind heute nicht mehr Bauträger oder Entwickler, sondern Banken, Wirtschaftsprüfende oder Masseverwaltende. Michael Buchmeier, ÖRAG Vorstand Immobilienbewertung, glaubt, dass „das Platzen in Zeitlupe tatsächlich stattfindet. 2025 wird sicher noch schwierig für die meisten Immobilienunternehmer.“ Hoffnung sieht aber auf jeden Fall, für zertifzierte, ESG-taugliche Immobilien, denn „die taxonomiekonformen Objekte werden - wenn der Markt wieder anspringt-, die sein, die gefragt sein werden. Und sie werden künftig einen höheren Preis erzielen.“
Büro, Handel und Logistik
Bei den Büroflächen fehlen aktuell vor allem mehr moderne Neubauflächen. Elisa Stadlinger, Geschäftsführerin und Gewerbe-Bereichsleiterin: „Bürostandorte mit guter Infrastruktur wie Anbindung, Gastro, Ärzte, etc. funktionieren besonders gut. Es gibt die Nachfrage nach hochwertigen Büroflächen. Aber das Marktumfeld benötigt höhere Mieten.“ Dass der Handel tot wäre, kann sie nicht bestätigen. Denn im A-Lagen ist alles wie immer. Und ansonsten gelte es das richtige Konzept zu finden wie z.B. Ärzte in EG-Zonen oder Erlebniswelten, die Nutzungen kombinieren. Logistik und Industrie ist spannend wie immer: „Wir rechnen, mit einer Fertigstellung einer halben Million m2. Und viele davon sind vor der Fertigstellung vermietet. Gleichzeitig sind viele internationale Player auf den Markt gekommen. Aktuell ist die Nachfrage ein wenig verhaltener.“ Und nachdem brauchbarer Platz endlich ist, nehmen auch die Brownfield-Entwicklungen zu.
Wohnen stark nachgefragt
In Wien gibt es für Mietwohnungen eine extrem hohe Nachfrage. Besonders gefragt sind immer noch 3-4 Zimmer-Wohnungen, während die 2 Zimmer-Wohnungen aber das größte Angebot darstellen am meisten am Markt. Aleksandra Mitrovic ÖRAG-Bereichsleiterin für Wohnen Miete, schildert, dass sie mittlerweile sogar Angebote für Wohnungen bekommt ohne das diese besichtigt wurden: „Wohnungen werden jetzt sehr schnell angemietet. Eigentümer haben damit die Auswahl. Und bei Bestandsgebäuden gibt es eine geringe Fluktuation. Daher steigen auch die Preise in allen Bezirken. Und sie können auch erreicht werden.“ Im Eigentum hat sich die Lage auch verändert: Und obwohl es hier natürlich ein höheres Angebot als Nachfrage gibt, zieht laut Jelena Pirker, ÖRAG-Bereichsleiterin Wohnen Eigentum, auch hier die Nachfrage – 30 Prozent plus bei den Abschlüssen - an: „Die Kaufenden haben jetzt die Zügel in der Hand. Und damit haben gebrauchte Immobilien eine Renaissance. Bei ihnen fallen die Finanzierungen nicht so hoch aus, die Verkäufer:innen sind verhandlungsbereit und die Objekte sind auch schneller verfügbar.“ Der Wunsch nach Eigentum ist also ungebrochen, aber Abschlüsse darin brauchen viel länger als früher. Energie und Sanierung ist bei allen ein Thema. Kund:innen schauen sich mittlerweile sogar die Eigentümerversammlungsprotokolle an. Der Neubaubereich wird nachlassen. Buchinger ergänzt: „Der Kunde wächst aufgrund der steigenden Löhne in eine Finanzierbarkeit hinein. Die KIM-V ist nach wie vor nicht super, aber jetzt nicht mehr so ein Thema wie es einmal war.“
Auf die abschließende Frage, wo denn bei dem Gesamtbild das generell positive Element wäre, antwortet Brezovich: „Europa muss zu einer wirtschaftlichen Stärke zurückfinden. Das Ende des Ukraine-Krieges würde helfen. Und es muss ein Schritt zur Technologie-Offenheit stattfinden. Das würde die Stimmung überwinden und neue Impulse geben.“ Und Endl setzt noch nach: „Wir alle brauchen auch das psychologische Element. Wir brauchen gute Stimmung.“

© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 10. September 2024 - zuletzt bearbeitet am 10. September 2024


EK
AutorElisabeth K. Fürst
Tags
ÖRAG
vorstand
Wohnen
Immobilien
Retail
Logisitik
Büro

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